Erst am 29. Dezember haben wir hier auf TE darüber berichtet, dass NRW auf Betreiben der „grünen“ Integrations- und Migrationsministerin Josefine Paul vier neue „Melde-“, also Denunziationsstellen einrichtet.
Dass so etwas im Kabinett des Merkelianers und CDU-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst kein einmaliger Vorgang ist, bestätigt nun CDU-Wissenschaftsministerin Ina Brandes. Sie will mit einem novellierten Hochschulgesetz den hochschulinternen Diskurs mit einem „Schutzverfahren“ regeln und bereits beim Verdacht eines Zuwiderhandelns sanktionieren. Brandes begründet dies mit Missbrauchs- und Machtmissbrauchsfällen. Wie wenn die Ahndung solcher Fälle nicht hinreichend vor allem durch das Strafgesetzbuch (StGB) und das NRW-Disziplinargesetz geregelt wäre.
Nun hat das schwarz-grüne NRW-Kabinett am 9. Oktober 2024 die Novelle des Hochschulgesetzes auf den Weg gebracht. Wenn man den Entwurf liest, legt man auch als juristischer Laie die Ohren an. So heißt es dort:
Im Schutzverfahren werden folgende gestufte Maßnahmen eingeführt:
- Betretungsverbote für einzelne oder sämtliche Gebäude der Hochschule oder die Weisung, die Lehre ganz oder teilweise ausschließlich online zu erbringen,
- Kontaktverbote,
- der Entzug der Weisungsbefugnis gegenüber Beschäftigten,
- der vollständige oder teilweise Entzug der Lehr- und Prüfungsbefugnis,
- der vollständige oder teilweise Widerruf von Ausstattungszusagen,
- der Ausspruch, für die Dauer von zwei bis fünf Jahren
a) die Fähigkeit zu verlieren, Funktionen in der Selbstverwaltung der Hochschule zu bekleiden und solche Funktionen durch Wahlen zu erlangen, sowie
b) das Recht zu verlieren, in der Hochschule zu wählen oder zu stimmen.
Die Maßnahmen 1 bis 4 können schon dann zur Gefahrenabwehr verhängt werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Sicherheitsverstoß vorliegen.
Im Klartext: Verdacht reicht. Und: Denunziationen ist Tür und Tor geöffnet.
Immerhin haben ursprünglich 45, mittlerweile 121 NRW-Verfassungsrechtler die CDU-Ministerin Brandes mit äußerster argumentativer Schärfe aufgefordert, ihre Gesetzesnovelle zurückzuziehen. Denn diese sehe schärfere Sanktionen schon beim Verdacht auf Fehlverhalten vor. Die Verfassungsrechtler kritisieren, dass durch die Einführung eines Hochschulsicherheitsrechts „ein nicht wiedergutzumachender Schaden“ und ein institutionalisiertes Misstrauen drohen.
In der ZEIT vom 23. Dezember 2024 hat einer der Verfassungsrechtler, Julian Krüper, nachgelegt. Krüper ist Professor für Öffentliches Recht, Verfassungstheorie und interdisziplinäre Rechtsforschung an der Ruhr-Universität Bochum. Er hält das neue Hochschulgesetz für juristisch höchst fragewürdig, weil es den Diskurs an den NRW-Hochschulen regeln soll, und fühlt sich an George Orwell erinnert.
Wir geben nachfolgend die wichtigsten Argumente des Verfassungsrechtlers wieder: Wenn Rektoren, Professoren, Studenten und das hauptamtliche Personal der Hochschulen niederschwellig dazu gebracht werden sollen, den „sozialen Geltungsanspruch“ anderer Hochschulmitglieder und auch deren „Handlungs- und Entschlussfreiheit hinsichtlich ihrer persönlichen Lebensgestaltung“ nicht zu „beeinträchtigen“, dann sei das ein totaler Anspruch, der studentische Beiträge, Mensagespräche, Diskussionen in Gremien und auch die Verwaltungskommunikation einschränke.
Krüper weiter: Die Regelungen würden dazu führen, dass die ohnehin überbeanspruchten Hochschulverwaltungen künftig hochumstrittene Abwägungsentscheidungen treffen müssen. Krüper nennt fragend Beispiele:
- Missachtet ein Biologe den sozialen Geltungsanspruch seiner transgeschlechtlichen Kollegin, wenn er für ein Modell biologischer Zweigeschlechtlichkeit plädiert?
- Beeinträchtigt eine Dozentin die persönliche Lebensgestaltung ihrer Studenten, wenn sie in der Vorlesung nicht gendert?
- Und wie steht es um die zahllosen „Fuck Hamas“-, „Fuck Israel“-, „Fuck AfD“-Aufkleber auf studentischen Laptops, Kladden und Ordnern?
Wer fühlt sich davon wie sozial beeinträchtigt, und wer soll entscheiden, ob mögliche Beschwerden gegen solche Meinungsäußerungen berechtigt sind? Fragt Krüper.
Mit anderen Worten: Seien die Waffen des neuen „Hochschulsicherheitsrechts“ erst einmal da, würden sie zu verlockend blinken, als dass man ihnen widerstehen werde. Zu gut eigneten sie sich, um eine politische Agenda, egal von welcher Seite, zu befördern.
Vorbild: Woke US-Universitäten?
Wie man aus besonders „woke“ aufgestellten US-(„Elite“-)Universitäten weiß, treiben dort die Unkultur des Cancel Culture und das ständige Verlangen von Studenten nach einem Opferstatus seit Jahren ein Unwesen, das die Freiheit von Forschung und Lehre erheblich einschränkt. Die (linke) Autorin Caroline Fourest hat das in einem Buch sehr anschaulich diagnostiziert. Ihr Titel: „Generation Beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei“, Paris 2020 (Original: „Génération offensée“).
Caroline Fourest schildert zum Beispiel, wie Dozenten an US-Universitäten immer häufiger Angst haben, bestimmte Themen oder bestimmte klassische Werke zu besprechen. Es könnte sich ja ein Student traumatisiert fühlen. Es ist schier ein Wettbewerb geworden, Lehrveranstaltungen damit zu kippen. Studenten und linke Dozenten stacheln sich gegenseitig an, allüberall Rassismus, Kolonialismus, Sexismus zu wittern. Selbst Werke wie Sophokles’ „Antigone“ und Ovids „Metamorphosen“ fallen durch das Raster.
Nun schwappt das in das CDU-regierte NRW herüber. Und es riecht streng nach Hollywood-Filmindustrie und US-Universität, nach #MeToo, inflationärem Opfer-Outing und permanentem studentischem „I feel offened“.