Die um sich greifende Wohlfühl-, Gute-Laune-, Spaß- und Gefälligkeits(un)kultur schadet unserem Land in allen Bereichen. Indes greift seit einigen Jahrzehnten eine hedonistische Erleichterungshaltung um sich – auch im Bildungsbereich und im Sport. Folge ist, dass sich Deutschland als Bildungsnation und als Sportnation im Sinkflug befindet. Populistisch wird so getan, als ginge Erfolg ohne Anstrengung, Arbeit, Fleiß, Sitzfleisch, Dickschädeligkeit und Schweiß.
Bleiben wir zunächst bei der Bildung
Mit dieser Un-Kultur aber werden die Bildungsansprüche heruntergefahren: Schule soll ja „Spaß“ machen. Folge: Der mutter- und der fremdsprachliche Wort-„Schatz“ wird gekürzt, ein Auswendiglernen von Gedichten findet fast nicht mehr statt, das Einprägen von historischen oder geographischen Namen und Daten gilt als vorgestrig, Grundschüler dürfen gegen jede Orthographieregel „phonetisch“ schreiben, Fehler gelten als „kreativ“, werden schon gar nicht bewertet, Deutschprüfungen bestehen im Ankreuzen von Multiple-Choice-Aufgaben oder im Ausfüllen von Lückentexten. Zugleich werden – was Wunder! – die Noten immer besser. Eine „Einser“-Inflation rauscht über das Land: in Schulen und Hochschulen.
Jeder soll seines Glückes Schmied sein können. Mit Ellenbogengesellschaft hat das nichts zu tun. Vielmehr ist auch der Sozialstaat zugunsten Benachteiligter, Kranker und Alter nur realisierbar mit der millionenfachen Leistung und Anstrengung der Leistungsfähigen. Ein simpler Beweis hierfür ist die Tatsache, dass 20 Prozent der besonders Leistungsfähigen 70 Prozent des Steueraufkommens leisten. Deshalb kann das Sozialprinzip auch nicht über das Leistungsprinzip gestellt werden. Mit anderen Worten: Wir müssen Kindern wieder mehr zutrauen und auch mehr zumuten.
Auch im internationalen, im globalen Wettbewerb geht es nicht ohne Leistung. Wir sollten ansonsten froh sein, wenn wir leistungshungrige Spitzenschüler für zukünftige Eliten haben. Demokratie in Deutschland darf nicht zum Diktat des Durchschnitts werden. Eine zur Gleichheit verurteilte Gesellschaft wäre zur Stagnation verurteilt. Wer Elite legitimerweise sein kann, darüber gilt es zu streiten. Bloße Macht-Elite oder blanker Geldadel kann es nicht sein.
Eine Leistungs- und Verantwortungselite muss es sein, die zugleich Reflexions- und Werte-Elite ist. Vor einem solchen Hintergrund ist selbst Ungleichheit gerecht – nämlich dann, wenn Elite allen nützt, wenn das Handeln von Eliten quasi zu einem „inequality surplus“, zu einem Mehrwert führt. Bildung kann und muss dazu einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie nach Talenten Ausschau hält und sie fördert.
Und jetzt auch die Sportnation im freien Fall
Auch für den Leistungssport gilt: Nichts geht ohne Anstrengung, Arbeit, Fleiß, Sitzfleisch, Dickschädeligkeit, Überwindung des „inneren Schweinehundes“ und viel Schweiß. Viele immer noch erfolgreiche deutsche Einzel- und Mannschaftssportler belegen das: Handballer, Basketballer, Eis-„Hackler“, Tischtennisspieler, Hockeyspieler, Tri-Athleten, nordische Skisportler, Reiter …
Und der Grund: Wer es gerade in der Leichtathletik zu etwas bringen will, der muss sich schinden. Möglichst viele müssen sich schinden, damit auf einem breiten statistischen Sockel Spitzen herausragen können. Diesen breiten Sockel gibt es nicht mehr. Talentsichtung findet nicht mehr statt, weil ja wegen angeblicher Leistungs-„Gerechtigkeit“ und zur Vermeidung von Frustrationen Schwächerer die Bundesjugendspiele im Grundschulbereich am besten abgeschafft werden sollen.
Lauftalente gibt es auch immer weniger, weil Mama als Taxi und Papa als Transporthubschrauber jeden Weg abnehmen. Weil schon die Kleinsten E-Bike fahren und adipöse Entwicklungen um sich greifen. Weil die Kinder auf keine Leiter und auf keinen Baum mehr klettern dürfen, am Ende keinen Purzelbaum, keinen Liegestütz und keinen Klimmzug hinbekommen. Konfrontiert man sie tatsächlich einmal in der Schule mit einem Reck, hängen sie dort – bis nach wenigen Sekunden die Handkraft nachlässt – wie nasse Handtücher.
Dass Erleichterungspädagogik falsch ist, wussten Generationen seit der Antike. Selbst ein Sigmund Freud, der bekanntermaßen vieles auf das Luststreben des Menschen zurückführte, war überzeugt: Leistung und Erfolg, ja das Erleben von Glück, setzen Bedürfnis- und Triebaufschub voraus.
Kurz: Das Erscheinungsbild der Bildungs- und Sportnation Deutschland ist mehr und mehr symptomatisch für die ganze Nation.