Tichys Einblick
So schaffen wir es nicht!

Lehrerbildung „light“ für geflüchtete Lehrer

Thomas de Maizière meinte 2016, zur rascheren Integration von jungen Flüchtlingen solle man vorübergehend schulische Ansprüche und auch die an die Lehrerbildung absenken. Das NRW-Programm „Lehrkräfte plus“ folgt diesem Holzweg.

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Was es nicht alles gibt!? Die immer schon leidenschaftlich progressive Universität Bielefeld hat in Kooperation mit dem NRW-Schulministerium und – mit wem sonst? – mit Unterstützung der Bertelsmann Stiftung das Projekt „Lehrkräfte Plus“ aufgelegt. Dahinter verbirgt sich eine auf ein Jahr angelegte Qualifizierungsmaßnahme für geflüchtete Lehrer. 25 von ihnen können sich damit ab August 2017 auf eine mögliche Tätigkeit an Schulen in NRW vorbereiten.

Die in Frage kommenden Lehrer müssen einen Lehramtsabschluss aus ihrem Heimatland, ferner Berufserfahrung als Lehrer und Deutschkenntnisse auf B1-Niveau vorweisen. Dieses B1-Sprachniveau ist laut Europäischem Referenzrahmen unter anderem wie folgt definiert: „Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet … Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben.“

So weit, so gut? Durch die Teilnahme am Programm sollen die Lehrkräfte ihr deutsches Sprachniveau auf C1 steigern. Danach vertiefen sie ihre fachlichen, pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten. Am Ende wird zwar kein formaler Abschluss verliehen, aber es kann im Anschluss beispielsweise eine Qualifizierung für den sogenannten herkunftssprachlichen Unterricht folgen.

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Die das Projekt begleitenden Versprechungen der Programmmanager sind jetzt schon schier euphorisch. „Unser Ziel ist eine berufliche Zukunft für diese Menschen beispielsweise als Vertretungslehrkräfte“, sagt die Prorektorin für Studium und Lehre, Professorin Dr. Claudia Riemer. Und Ulrich Kober von der Bertelsmann Stiftung ergänzt: „Schule braucht qualifiziertes Personal für die neuen Herausforderungen durch Migration. Geflüchtete Lehrkräfte können mit ihrem sprachlichen Hintergrund und ihren beruflichen Erfahrungen Schulen bereichern und die Integrationsarbeit unterstützen.“ Ludwig Hecke, der nach der NRW-Wahl nun vormalige Staatssekretär im NRW-Schulministerium, toppte diese Aussage: „In einer von Migration geprägten Gesellschaft können geflüchtete Lehrkräfte mit ihren Ressourcen wertvolle Beiträge zur Gestaltung eines interkulturellen Schullebens einbringen.“

„Lehrkräfte plus“ hießt das Programm. Aber wo ist das Plus? Liegt hier etwa ein mathematischer Vorzeichenfehler vor? Jedenfalls stellen sich Fragen. Zum Beispiel die Frage, ob diese 25 Lehrer, so sie denn die Qualifikationserwartungen erfüllen, wirklich einen Beitrag zur besseren Integration von – geschätzt – 200.000 bis 300.000 schulpflichtigen jungen Flüchtlingen darstellen oder ob sie nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sind. Oder die Frage: Wie sieht es mit der Verpflichtung dieser – zumeist muslimischen Lehrer – auf das Grundgesetz aus? Zudem heißt es in der Programmausschreibung für die Rekrutierung der „Lehrkräfte plus“: „Wichtig sind dabei auch interkulturelle Komponenten.“ Wie ist das zu verstehen? Werden diese Lehrer auch darauf vorbereitet, dass sie einen Beitrag gegen den islam-inhärenten Antisemitismus leisten können und wollen? Kritische Muslime – wie soeben Bassam Tibi – haben dies immer wieder angemahnt. Allerdings taten sie dies nicht in der Islamkonferenz, weil man sie dort nicht dabeihaben will.

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Nein, das Programm „Lehrkräfte plus“ ist nicht der richtige Weg. Es bringt die Integration schulpflichtiger Flüchtlinge weder qualitativ noch quantitativ weiter. Vor allem bleibt höchst bedenklich, dass hier ganz offensichtlich fachliche und pädagogische Ansprüche heruntergedreht werden. Immerhin kann in Deutschland nur dann jemand Lehrer werden, wenn er ein vollständiges Universitätsstudium und ein 18 bis 24 Monate dauerndes Referendariat absolviert hat. Hier aber ist anscheinend eine seltsame Äußerung von Bundesinnenministers Thomas de Maizière vom Januar 2016 hängengeblieben. Er meinte, zum Zwecke der rascheren Integration von jungen Flüchtlingen solle man vorübergehend die schulischen Ansprüche und auch die Ansprüche in der Lehrerbildung absenken. So aber schaffen wir es nicht! Denn eine solche Absenkung des Bildungsniveaus als „vorübergehend“ kann nicht funktionieren, weil sich so etwas erfahrungsgemäß perpetuiert.

Übrigens: Auch die Universität Wien hat einen einjährigen Kurs für 30 geflüchtete Lehrer mit einer etwas anderen Zielsetzung und mit Unterstützung des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR gestartet. Konzentrieren will man sich dort auf syrische Flüchtlinge mit einem syrischen Bachelorabschluss in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Flugs hat man daraus am dortigen Institut für Bildungswissenschaften ein Forschungsprojekt gemacht. Es soll ja auch die Uni Nutznießer sein können.

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