Zur Aufklärung über den Krieg in der Ukraine möchte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) Jugendoffiziere der Bundeswehr in Schulen eingesetzt wissen. „Es ist wichtig, dass der russische Angriff auf die Ukraine und die Folgen für Deutschland und Europa auch im Schulunterricht altersgerecht thematisiert werden“, sagte die Ministerin der Bild-Zeitung Und weiter: „Dabei sollten Lehrerinnen und Lehrer auch auf die Unterstützung der Jugendoffiziere der Bundeswehr zurückgreifen.“ Als „sicherheitspolitische Experten“ seien diese eine „Bereicherung für den Unterricht, besonders jetzt“.
Nun hat die Bundesbildungsministerin – anders als die Schulminister der 16 deutschen Länder – kein Weisungsrecht für Schulen. Sie hat also nicht zu entscheiden, wer im Unterricht auftritt. Dennoch ist ihr Vorschlag nicht nur gut gemeint, sondern sinnvoll. Denn die wahrlich handverlesenen Jugendoffiziere der Bundeswehr verfügen über sicherheitspolitische Expertise – oft mehr und vor allem aktuellere Expertise als die Lehrer der Fächer Politik, Sozialkunde, Geschichte, Gemeinschaftskunde, Religion, Ethik usw. Und die Jugendoffiziere, meist im Alter um 30, wissen meist auch mit jungen Leuten umzugehen. Es ist zu hoffen, dass die Bundeswehr die entsprechenden Kapazitäten vorhält und die Schulen der Anregung der Bundesbildungsministerin folgen.
Die Jugendoffiziere sind eine seit 1958 (!) bewährte Einrichtung. Auch Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) forderte die Schulen 1970 auf, bei jungen Menschen „Verständnis zu wecken für die Notwendigkeit einer ausreichenden Verteidigung als Voraussetzung jeder Entspannungspolitik“. Zwei SPD-Verteidigungsminister (Helmut Schmidt 1971 und Hans Apel 1980) sprachen ähnlich.
Dennoch weht Jugendoffizieren in nicht wenigen Schulen seit Jahren ein eisiger Wind des strammen Pazifismus entgegen. Viele Schulen laden sie erst gar nicht ein, andere schließen sie dezidiert aus. Die regierende SPD des Landes Berlin wollte im April 2019 gar, dass als neuer Passus im Berliner Schulgesetz steht: „Es wird militärischen Organisationen untersagt, an Berliner Schulen für den Dienst und die Arbeit im militärischen Bereich zu werben.“ Gemeint waren die Bundeswehr-Jugendoffiziere. Dabei ist dezidiert festgelegt, dass die Jugendoffiziere keinerlei Nachwuchswerbung oder Karriereplanung betreiben dürfen. Nun, der SPD-Antrag ist immerhin gescheitert. Aber was heißt das schon für Berlin!? Übellaunige unterstellen den Jugendoffizieren immer wieder gar, sie würden das alte DDR-Schulfach „Wehrkunde“ der Jahre 1978 bis 1989 auferstehen lassen wollen.
Die Spitze der Stänkerei gegen die Jugendoffiziere stellen einzelne Schulen dar, die sich rühmen, diesen die Schultore generell zu versperren. Im Jahr 2013 zum Beispiel wurden zwei „Schulen ohne Bundeswehr“ mit dem „Aachener Friedenspreis“ ausgezeichnet, und zwar das Robert-Blum-Gymnasium in Berlin und die Käthe-Kollwitz-Schule in Offenbach.
Dem Verein Aachener Friedenspreis gehören unter anderem an: die Stadt Aachen, der DGB NRW, die katholische Organisation Misereor, der Diözesanrat der Katholiken des Bistums Aachen, der evangelische Kirchenkreis Aachen, der SPD-Unterbezirk, der Kreisvorstand der Grünen. Linke und Kirchen in einem Boot! Noch Fragen!?
Einen schweren Stand haben Vertreter der Bundeswehr oft auch bei Auftritten an Universitäten. Ein Beispiel: Im April 2013 wollte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) an der Humboldt-Universität Berlin vortragen, was randalierende Studenten verhinderten. Rufe wie „Nie wieder Krieg“, „Nie wieder Deutschland“ und „Deutschland ist Sch…“ waren zu hören. Blutrot befleckte Studenten warfen sich vor ihm auf den Boden. Der Minister zog unverrichteter Dinge von dannen.
Überhaupt wollen viele Hochschulen nichts mit dem Militär zu tun haben. Sie verpflichteten sich im Rahmen einer „Zivilklausel“ dazu, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen. Die erste Zivilklausel trat 1986 an der Universität Bremen in Kraft. Mittlerweile haben fast alle deutschen Hochschulen solche Klauseln. Entsprechendes ist zudem in vier Landeshochschulgesetzen verankert: in Niedersachsen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Bremen.
Damit verschwindet das Themenfeld Sicherheits- und Rüstungspolitik auch aus der hochschulpolitischen Öffentlichkeit.
Nach 2000 gelang es immerhin, in einigen deutschen Ländern ganz offiziell Jugendoffiziere in den Unterricht einzubinden. Den Anfang machte 2008 Nordrhein-Westfalen, es folgten Baden-Württemberg und das Saarland, 2010 Sachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern.
Nun hat die Bundeswehr derzeit 94 Dienstposten für hauptamtliche Jugendoffiziere. Allerdings sind – symptomatisch für die Bundeswehr – davon nur 77 besetzt. 14 davon sind Soldatinnen. Nach den jüngsten Daten von 2020 haben die Jugendoffiziere 52.000 Schüler erreicht. Bedingt durch Corona, war das gegenüber 2019 ein Rückgang um über 60 Prozent.