Tichys Einblick
Eine Woche nach der Bluttat

Hanau: Die Politik- und Medien-Elite bleibt erkennbar überfordert

Differenzierte Erklärungen für die Morde von Hanau bleiben aus. Die Eliten wollen offenbar einfache Strickmuster, um die eigene Ohnmacht angesichts solchen Schreckens zu überspielen. Also präsentiert man Schuldige.

Peter Niedung/NurPhoto via Getty Images

In Hanau hat ein extrem kranker Psychopath (43) in der Nacht vom 19. auf 20. Februar 2020 elf Menschen, darunter seine eigene Mutter und sich selbst, erschossen. Die Toten war noch nicht zur Bestattung freigegeben, da wussten große Teil der deutschen Politik- und Medien-Elite bereits, wie diese abscheuliche Tat einzuordnen ist. Weil alle Opfer bis auf die Mutter des Täters einen Migrationshintergrund haben, schien für die Politik- und Medien-Elite reflexartig klar: Hier handle es sich um einen rechtsextremen Terroranschlag.

Außer Betracht blieben weitestgehend die wirren Hinterlassenschaften des Täters: ein Video und ein Pamphlet, in dem der Täter abstruse Verschwörungstheorien in Richtung Geheimdienste und geheime Mächte entfaltete. Außer Betracht blieben auch – weil noch gar nicht vorliegend – Ergebnisse der Obduktion des Täters, etwa zur Frage, ob die schwere intellektuelle und emotionale Störung des Täters womöglich hirnpathologische Gründe hat. Die ganz sachliche Erklärung von Holger Münch, dem Präsidenten des deutschen Bundeskriminalamts, dass hier eine „schwere psychotische Krankheit“ des Täters vorliege, dass er offenbar allein gehandelt habe und nicht in Netzwerke von Gleichgesinnten eingebunden gewesen sei, wollte man öffentlich geflissentlich überhören. Man kann nur hoffen, dass Holger Münch angesichts solcher Äußerungen nicht das Schicksal von Hans-Georg Maaßen blüht, den man wegen „Chemnitz“ in die „Wüste“ geschickt hatte.

Trotz alledem
Die Mörder der Hoffnung
Was die Politik- und Medien-Elite bereits wenige Stunden nach den Morden in Hanau vorführte, zeigt, wie diese überfordert sind. Ehrliche Empathie mit den Opfern, mit den Angehörigen der Getöteten, mit den Migranten-Communities, mit der ganzen Stadt Hanau mag für 24 Stunden zunächst da gewesen sein. Sie wurde aber allzu rasch übertüncht von monokausalen Erklärungsthesen, die im gleichen Atemzug mit den Betroffenheitsbekundungen hinausposaunt wurden, als seien sie unumstößlich und belegt. Echte Empathie stellt sich anders dar. Zumindest schweigt sie, solange nichts belegt und ergründet ist. Man könnte auch sagen: Wieder einmal eine „Unfähigkeit zu trauern“.

Vor allem belegten die Eliten einmal mehr, dass sie inmitten solcher Tragik intellektuell überfordert sind, dass sie nicht differenziert analysieren und dass sie sich nicht selbstkritisch hinterfragen können, dass sie an keinem Mikro vorbeigehen können, dass sie sich via Twitter und Co. meinen überbieten zu müssen. Man will es quer durch die arrivierten Parteien und Medien ganz einfach gestrickt für den Hausgebrauch haben: Schuld seien – in einen Sack gesteckt und amalgamiert: AfD, Höcke, Gauland, Pegida, Sarrazin, WerteUnion, Thüringen-CDU, Maaßen, irgendwelche „rechten“ Blogs usw. So als hätten all die Genannten mitgeschossen.

Man braucht, um offenbar die eigene uneingestandene oder gelegentlich sogar gemimte Ohnmacht angesichts solchen Schreckens zu überspielen, Schuldige. Man braucht Sündenböcke, die man ohnehin auf dem Kieker hat und auf die man alles, auch eigene Fehler und Versäumnisse abladen und projizieren kann. Man meint, eine offenbar innerlich zerrissene Gesellschaft mit Sündenböcken als äußeren Feinden wieder einen zu können. Man weiß: Ein gemeinsamer Feind eint – und er stabilisiert nach innen. Intellektuell ist das unterirdisch, aber es hinterlässt das Gefühl, jetzt das Richtige gegen die Schuldigen tun zu können, zum Beispiel noch mehr Millionen in Programme „gegen rechts“ und zur „Demokratieerziehung“ zu investieren. Als ob mit solchen Placebos psychopathologische Gewalttaten wie die eines Paranoikers in Hanau verhindert werden könnten. 

Nach Hanau
Spaltung nicht weiter vertiefen
Wie es kommen kann, dass ein Psychopath wie der Täter von Hanau – von Beruf Bankkaufmann und Betriebswirt – vorher nie auffällig wurde; wie es kommen kann, dass er Waffenbesitzkarte und schließlich Waffen hatte; warum der Kontakt des Täters mit der Behörde des Generalbundesanwalts im November letzten Jahres keine Folgen hatte; vor allem: ob der Täter sich anhand irgendwelcher oder konkreter „rechter“ Pamphlete radikalisiert hat …. All dies spielt offenbar keine Rolle. Still geworden ist es um diese Fragen. Man will die Antworten offenbar gar nicht mehr wissen und ist zur Tagesordnung im vermeintlich unausweichlich großen Kampf gegen „rechts“ übergegangen. 

Folge: Wenn ein Psychopath ohne Migrationshintergrund einen Massenmord an Mitmenschen mit Migrationshintergrund ausübt, gilt er als „rechtsextrem“ und als „rassistisch“ – das heißt: als voll schuldfähig bzw. sehenden Auges von „Faschisten“ oder „Nazis“ infiziert. Wenn ein Psychopath mit Migrationshintergrund Morde begeht, dann gilt er schlicht und einfach als psychisch auffällig und als nicht schuldfähig. Mentale, ideologische oder quasireligiöse Verirrungen, die die Tat begünstigt haben könnten, zählen dann nicht.

Ja, die Politik- und Medien-Elite hat mit „Hanau“ erneut gezeigt, dass sie überfordert ist. Differenzierte Attribuierungsansätze und Erklärungen sind ihre Sache nicht. Die „Eliten“ wollen einfache Strickmuster, sie überbieten, besser: unterbieten, sich darin – auf dass der Bürger möglichst wenig nachdenken muss und die Politik in den richtigen Händen wähnt.

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