Tichys Einblick
Kulturbruch

Familien-Dämmerung 2017/2021 – Lenin und Huxley „reloaded“?

In Sachen Familie hat sich bei allen etablierten Parteien erkennbar die marxistisch-leninistische Vorstellung durchgesetzt, dass die Familie als Hort der Unterdrückung, des Privateigentums und der Klassengesellschaft überwunden werden müsse.

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Für die Familie ist es eigentlich egal, wer in Deutschland in der Legislaturperiode 2017/2021 regiert: Es geht ihr zumindest in ihrer klassischen Form von Vater/Mutter/Kind(er) an den Kragen. Der Begriff „Familie“ kommt zwar in den „Regierungs“- und Wahl-Programmen der dann voraussichtlich sieben im Bundestag vertretenen Parteien massenhaft vor, aber das herkömmliche Bild von Familie löst sich darin mehr und mehr auf. Von fortschreitender Familien-Dämmerung könnte man sprechen. Das am 30. Juni 2017 vom Bundestag verabschiedete „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ war nicht das Ende einer Entwicklung, sondern ein weiterer Meilenstein, zumal sich hier die arrivierten Parteien in ihren Positionen – mit Ausnahme der Frage des Adoptionsrechts – kaum noch unterscheiden. (Warnung an die Leser: Es wird einige Text-Dubletten geben, aber das ist ja das Bezeichnende in einem Land, dessen Parteienlandschaft fast nur noch aus Filialparteien einer „Sozialdemokratischen Einheitspartei Deutschlands“ – SED 2.0? – besteht.)

Was ist Familie bei CDU/CSU? Das gemeinsame, 76 Seiten umfassende „Regierungsprogramm 2017 – 2021“ der CDU/CSU trägt den Titel „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. „Familie“ kommt darin 47mal vor; sie definiert sich dort implizit wie folgt: „Wir schreiben Familien kein bestimmtes Familienmodell vor. Wir respektieren die unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens. Menschen sollen selbst entscheiden, wie sie ihr Zusammenleben gestalten und ihren Alltag organisieren. Verantwortung wird auch in anderen Formen des Zusammenlebens, die auf Dauer angelegt sind, übernommen und gelebt: Zum Beispiel durch Alleinerziehende, Patchwork-Familien, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften und die bestehenden eingetragenen Lebenspartnerschaften. Dem fühlen sich CDU und CSU verpflichtet.“ Die CSU hat sich über dieses gemeinsame Programm hinaus einen eigenen, 50 Seiten starken „Bayernplan – Klar für unser Land“ gegeben. „Familie“ gibt es dort 50mal. Konkret heißt es darin – kaum abweichend vom gemeinsamen CDU/CSU-Programm: „Jede Familie, jedes Familienmodell und jede Generation hat beste Unterstützung und Anerkennung verdient … Moderne Familienpolitik muss allen familiären Situationen gerecht werden – der klassischen Familie mit der Gemeinschaft von Mutter, Vater und Kindern ebenso wie Eineltern- oder Patchwork-Familien. Auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften verdienen Anerkennung, Diskriminierung gegenüber diesen Partnerschaften lehnen wir entschieden ab. Wir stehen zum Leitbild von Ehe und Familie, ohne die Vielfalt der Lebenswirklichkeit auszugrenzen.“

Was ist Familie bei der SPD? Im 116 Seiten starken SPD-Programm „Zeit für mehr Gerechtigkeit – Unser Regierungsprogramm für Deutschland“ gibt es “Familie“ 90mal. Basis dafür ist folgende Beschreibung: „Für uns ist Familie dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen – von der Ehe zwischen Mann und Frau über alleinerziehende Mütter und Väter, Patchworkfamilien bis zum gleichgeschlechtlichen Paar … Wir unterstützen Familien in ihrer Vielfalt. Das Verständnis von Familie in Deutschland wird breiter: Familie ist dort, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Wir werden daher die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen und wollen die Ehe für alle. Das schließt das Adoptionsrecht ausdrücklich mit ein.“

Was ist Familie bei Bündnis 90/Die Grünen? Deren 248 (!) Seiten starkes „Bundestagswahlprogramm 2017“ mit dem Titel „Zukunft wird aus Mut gemacht“ enthält 113mal den Begriff „Familie“. Diese wiederum wird wie folgt definiert: „Wir GRÜNE wollen die Ehe endlich für alle öffnen und gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption ermöglichen. Mit uns wird es keinen Koalitionsvertrag ohne die Ehe für Alle geben. Zu einer modernen und innovativen Familienpolitik gehört für uns aber auch, Menschen zu unterstützen, die jenseits von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft verbindlich und solidarisch zusammenleben. Kinder aus allen Familienformen wollen wir gleichbehandeln und unterstützen.“

Was ist Familie bei der FDP? In ihrem 158 Seiten starken Programm mit dem Titel „Denken wir neu … Schauen wir nicht länger zu“ haben wir den Begriff „Familie“ 36mal – definiert wie folgt: „Wir Freie Demokraten wollen das Prinzip ‚Gleiche Pflichten, gleiche Rechte‘ für alle Paare umsetzen – einschließlich vollem Adoptionsrecht und freiem Zugang zur Reproduktionsmedizin. Der Rechtsrahmen für Regenbogenfamilien muss verbessert werden.“

Was ist Familie bei der LINKEN? Unter dem Titel „Sozial. Gerecht. Frieden. Für alle – Die Zukunft, für die wir kämpfen“ findet sich ein 144 Seiten starkes Wahlprogramm, in dem 48mal „Familie“ – wie folgt definiert – vorkommt: „Wir wollen als ersten Schritt die Öffnung der Ehe und das Adoptionsrecht für alle. Die Ehe soll perspektivisch durch ein System der Wahlverwandtschaften ergänzt werden.“

Was ist Familie bei der AfD? In ihrem 76 Seiten umfassenden „Programm für Deutschland“ kommt Familie 74mal vor. Wörtlich heißt es dazu unter anderem: „Die AfD will, dass sich die Familienpolitik des Bundes und der Länder am Bild der Familie aus Vater, Mutter und Kindern orientiert. Wir lehnen alle Versuche ab, den Sinn des Wortes ‚Familie‘ in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz auf andere Gemeinschaften auszudehnen und der Familie auf diesem Wege den besonderen staatlichen Schutz zu entziehen.“

Fortschreitende Verstaatlichung von Erziehung in (fast) allen Programmen

Nur noch in Nuancen unterscheiden sich die Positionen der arrivierten Parteien in den Fragen der Fremdbetreuung/Fremderziehung von Kindern und der staatlichen Ganztagserziehung?

Albern und würdelos
Konfetti-Parade im Deutschen Bundestag
CDU/CSU schreiben: „Wir werden deshalb in der kommenden Wahlperiode auch einen Rechtsanspruch auf Betreuung im Grundschulalter einführen … Durch den neuen Rechtsanspruch helfen wir jungen Familien, Arbeit und Familie besser miteinander zu verbinden.“ Die CSU ergänzt: „Wir wollen einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung bis zum Ende der Grundschule. Es darf nicht sein, dass Eltern Anspruch auf Kita und Kindergarten haben und ab der Grundschule plötzlich wieder auf private Betreuung angewiesen sind. Wir wollen einen massiven Ausbau von Angeboten für die Ganztagsbetreuung, die Mittags- wie Nachmittagszeiten und auch die Ferien abdecken.“ Die SPD sagt: „Wir werden die Schulen modernisieren und in den Ausbau von Ganztagsschulen investieren … Außerdem werden wir in Bildung und Betreuung am Nachmittag investieren und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Kita- und Grundschulkindern einführen – mit finanzieller Beteiligung des Bundes.“ Bündnis 90/ Die Grünen erklären: „Auch für einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule bis zum Ende der vierten Klasse für alle Grundschulkinder streiten wir.“ Die FDP schreibt: „Damit Väter und Mütter Beruf und Familie besser vereinbaren können, wollen wir flexible Angebote zur Kinderbetreuung, auch in Betrieben, fördern.“ Die LINKE verkündet: „Wir wollen ein ausreichendes, bedarfsgerechtes und qualitativ hochwertiges beitragsfreies Ganztags-Betreuungsangebot für Kinder schaffen: Darauf sollen Kinder einen Rechtsanspruch haben, unabhängig vom Erwerbsstatus der Eltern.“ Die AfD äußert sich in der Frage der Ganztagsangebote nicht.
Kinder für alle? Oder gar Huxley „reloaded“?

Noch einen Schritt weiter als mit der „Ehe für alle“ wollen SPD, Grüne, FDP und LINKE mit der Forderung nach einem Adoptionsrecht für alle. Bei CDU/CSU und AfD kommt dieses Adoptionsrecht nicht vor. Getoppt wird die rot-grün-gelbe Forderung nach einem solchen ausgeweiteten Adoptionsrecht von FDP und LINKEN. Die FDP schreibt unter der Zwischenüberschrift „Chancen der Reproduktionsmedizin für die Familiengründung nutzen“ wörtlich: „Wir Freie Demokraten fordern einen offenen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin. Allen Menschen muss unabhängig vom Familienstand der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Angeboten gegeben werden.“ Die LINKE ist der FDP hier sehr nahe, wenn sie fordert: „Reproduktionsmedizin muss auch nicht verheirateten, lesbischen und Single-Frauen durch Kostenübernahme der Krankenkasse zur Verfügung stehen.“ Aldous Huxley lässt grüßen. In seiner Dystopie „Schöne Neue Welt“ („Brave New World“) gibt es keine natürliche Empfängnis mehr, die Menschen werden in künstlichen Gebärmuttern, sogenannten Flaschen, gezeugt. Die Geburt der Retortenkinder erfolgt durch Entkorkung dieser Flaschen.

Lenin „reloaded“

Diese Textauszüge sprechen für sich, man muss sie nicht näher interpretieren. Nur so viel noch: Offensichtlich hat sich in Sachen Familie mittlerweile subkutan bei den einen mehr, bei den anderen weniger, bei allen etablierten Parteien aber erkennbar, die marxistisch-leninistische Vorstellung durchgesetzt, dass die Familie als Hort der Unterdrückung, des Privateigentums und der Klassengesellschaft überwunden werden müsse. „Der neue Mensch wird gemacht“, das war die Parole Lenins. Dazu bedarf es offenbar der Abschaffung der Familie, selbst wenn diese eine anthropologische, kulturübergreifende Konstante der Menschheit ist. Familien-Dämmerung eben – auch bei den (noch) so genannten bürgerlichen Parteien!


Josef Kraus war Oberstudiendirektor, Präsident des deutschen Lehrerverbands, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und als „Titan der Bildungspolitik“ bezeichnet. Er hat Bestseller zu Bildungsthemen verfasst und sein jüngstes Werk Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt erhalten Sie in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop.

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