Erst vor wenigen Tagen bekamen wir attestiert: Viertklässler in Deutschlands Schulen, vor allem Mädchen, fallen im Fach Mathematik immer weiter zurück. Nun gab es ein Attest, das noch schmerzlicher ist, weil es sich hier um einen internationalen Vergleich handelt. Es geht um die Ergebnisse der IGLU-/PIRLS-Studie. IGLU heißt „Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung“, PIRLS heißt „Progress in International Reading Literacy Study“. Diese Studie wird alle fünf Jahre durchgeführt, erstmals geschah dies 2001.
Die jetzt veröffentlichte Studie IGLU 2021 ist damit die fünfte dieser Art. Gemessen wurde das Leseverständnis auf den Kompetenzstufen I (rudimentäres Leseverständnis) bis V (Informationen ordnen, selbständig interpretieren und kombinieren können). Aus Deutschland haben bei IGLU 2021 insgesamt 4.611 Schüler aus 252 vierten Klassen teilgenommen, zudem wurden ihre Eltern, Lehrer und Schulleitungen befragt. International beteiligten sich rund 400.000 Schüler aus 65 Staaten und Regionen. Verantwortlich für die IGLU-Studie in Deutschland zeichnet das Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund.
Hier die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Die mittlere Lesekompetenz ist im Vergleich zu 2001 in Deutschland deutlich gesunken. Deutschland rangiert in der Mitte der EU-Länder: mit 524 Punkten, verglichen mit der Ausgangserhebung 2001 (539 Punkte) und allen weiteren Erhebungen (2006: 548, 2011: 541, 2016: 537 Punkte) sind die mittleren Leistungen also ein Rückfall.
- Rund ein Viertel der Grundschüler erreicht nur Kompetenzstufe I (9 Prozent) oder II (17 Prozent) nach internationalem Standard. Dieses Viertel muss dementsprechend mit großen Schwierigkeiten im weiteren Verlauf der Schul- und Berufszeit rechnen. Nur 8 Prozent der Schüler in Deutschland erreichen die Kompetenzstufe V.
- Einige europäische Länder wie beispielsweise Italien (537 Punkte), Bulgarien (540 Punkte), Polen (549 Punkte), Finnland (549 Punkte) oder England (558 Punkte) erreichen deutlich höhere mittlere Leistungen.
- Spitzenreiter sind Singapur (587 Punkte) und Hongkong (573 Punkte).
- Und dann – typisch IFS – erneut die Behauptung: In keinem anderen Land der Welt sei die soziale Spaltung in der Bildung so groß wie in Deutschland. Dass das auch mit der Zuwanderung von Hunderttausenden von nur rudimentär Alphabetisierten zu tun hat, kommt dem IFS nicht in den Sinn.
Der Abstieg seit 2001 zeigt auch: Die schulpolitisch und schulpädagogisch ergriffenen Maßnahmen zeigen keine Wirkung. Neben dem Rückgang der mittleren Leistungen sind auch die Unterschiede zwischen guten und schwachen Lesenden in Deutschland im Vergleich zu 2001 größer geworden. Zudem sank der Anteil der guten bis sehr guten Leser (Kompetenzstufen IV und V) von 47 Prozent in 2001 auf 39 Prozent in 2021, während gleichzeitig der Anteil derer, die nicht die mittlere Kompetenzstufe III erreichen, von 17 Prozent im Jahr 2001 auf 25 Prozent im Jahr 2021 anstieg.