Tichys Einblick
Unqualifiziert

Die OECD macht auf Erziehungsgouvernante und auf Mobbing

Die OECD betätigt sich einmal mehr nicht als Wirtschaftsorganisation, sondern als selbsternannte Erziehungsmacht, weil das Presse bringt. Nach ihrer PISA-Show nun eine zum Mobbing. Schuster, bleib bei deinen Leisten.

© Eric Piermont/AFP/Getty Images

Die OECD hat mal wieder zugeschlagen. Nicht als Wirtschaftsorganisation. Letzteres wäre ihr Job. Dafür hat sie pro Jahr 370 Mio. Euro zur Verfügung (Stand: 2016). Dieser Betrag kommt aus den Beiträgen der 35 OECD-Mitgliedsländer zustande. Deutschland trägt dazu 28 Mio. bei. So weit, so gut. Die OECD mag damit wirtschaftsstatistisch und wirtschaftspolitisch mehr oder weniger interessante Diagnosen und Empfehlungen unter die Leute bringen.

Nun hat sich die OECD aber einmal mehr nicht als Wirtschaftsorganisation, sondern als selbsternannte Erziehungsmacht inszeniert. Es genügt ihr einfach nicht, alle drei Jahre einen mittlerweile mehr als überflüssigen PISA-Test durchzuziehen und Deutschland im Quartalsabstand vorzuhalten, es produziere viel zu wenig Abiturienten, Studenten und Akademiker. Nein, nun schwingt sich die OECD anhand einer PISA-Begleitstudie ins psychologisch-pädagogisch-diagnostische Kerngeschäft auf, um lauthals zu verkünden, wie sich die Fünfzehnjährigen in den 35 OECD-Ländern und in 35 OECD-Partnerländern fühlen. Da kommen dann auf 528 Seiten Zahlensalat so gigantische Erkenntnisse heraus wie die folgenden: In Deutschland sind 34 Prozent der jungen Leute mit ihrem Leben sehr zufrieden, in Mexiko sind es 58,6 Prozent, in der Dominikanischen Republik 67,8 Prozent.

Aber anstatt zu fragen, ob die im Vergleich mit Schwellenländern in Deutschland weitaus geringere Lebenszufriedenheit vielleicht mit Wohlstandsverwöhnung zu tun haben könnte, diktiert die OECD der deutschen Presse, die mit Ausnahme der FAZ bereitwillig aufspringt, dass sich in Deutschland jeder sechste Schüler gemobbt fühle. Da legt man doch glatt die Ohren an, vor allem wenn die OECD-Zahlenfetischisten auch noch die Empfehlung aussprechen, darum müsse man sich in Deutschland doch bitte viel mehr kümmern. Der Deutschlandfunk meint denn auch am 19. April – ganz OECD-Sprachrohr – verkünden zu können: „OECD ruft zum Kampf gegen Mobbing an Schulen auf.“

Die OECD ist also nun sogar für „Gefühltes“ zuständig. Beim „Gefühlten“ sollte man gerade im Zusammenhang mit Mobbing (OECD: bullying) freilich ein wenig verweilen. Ja, es gibt Mobbing. Ja, es gibt immer mehr Mobbing. Aber es gibt auch gefühltes Mobbing. Mehr Mobbing gibt es, weil heute schon Zehnjährige zu fast hundert Prozent ein i-Phon haben, mit dem man etwa via SMS, WhatsApp und dergleichen in Sekundenschnelle und theoretisch weltweit diskreditierende Aussagen oder Bilder über Gleichaltrige verbreiten kann. Richtig schreiben und rechnen können die jungen Leute zwar oft nicht, aber das Cybermobbing beherrschen sie. Eltern, die ihre Kinder mit solchen „Kommunikations“-Mitteln ausstatten, wissen meist nicht, was hier läuft.

Allerdings ist die „Mobbing“-Selbstdiagnose, also das „gefühlte“ Mobbing zur Trenddiagnose geworden. Es gibt immer mehr Eltern, die ihrem Kind ohne genauere Kenntnis der Umstände in einer Klasse inflationär die Diagnose „Mobbingopfer“ ausstellen, um Schulunlust, schlechte Noten oder eigenwilliges Verhalten ihres Kindes zu rechtfertigen. Lehrer spüren das – mit der negativen Folge, dass echte Mobbingfälle dann oft nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und dem gebotenen Nachdruck verfolgt werden.

Ja, Mobbing kann jungen Leuten die Schule und das Lernen verleiden. Aber die OECD mit ihrer teuren Infrastruktur hilft da nicht weiter. Damit sich die OECD-Mobbingdiagnosen nicht noch mehr selbst erfüllen, sollte man dieses Thema „Mobbing“ den Profis vor Ort überlassen. Und so manche Helikoptereltern sollten dran denken, dass vor allem gepamperte, verwöhnte Kinder bevorzugt zu Mobbingopfern werden. Der Psychologe Dieter Wolke von der britischen Universität in Warwick hat im Mai 2013 auf der Basis der Zusammenschau von 70 Studien mit insgesamt 200.000 Kindern festgestellt, dass Kinder mit besonders behütenden Eltern ein höheres Risiko haben, Mobbingopfer zu werden. Wolke erklärt das damit, dass es diesen Kindern am Rüstzeug fehle, mit Unannehmlichkeiten und Attacken fertig zu werden. (Zeitschrift «Child Abuse & Neglect»).

Die OECD aber könnte einfach mal die Klappe halten und ihren Drang zur Selbstdarstellung als Erziehungsgouvernante zügeln. Vielleicht würde ihr dabei helfen, wenn die deutschen Schulminister die Gelder für solche „Studien“ kappten. Vielleicht ist dann endlich auch einmal Schluss mit dem Mobbing der OECD gegen Deutschland, das ja angeblich zurückfalle, weil es zu wenig Akademiker habe.

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