Tichys Einblick
Neues aus der Gender-Küche

Die Gender-Sprache ist nicht inklusiv, sondern sie grenzt aus

Die neusten Entwicklungen und Verrücktheiten der Gender-Sprachverhunzung. Und was man dagegen tun kann.

Verkehrsschild wurde mit einem Aufkleber gegendert, Mannheim im Juni 2021

IMAGO / Ralph Peters

Es vergeht kein Tag, an dem man nicht irgendwelche genderideologisch motivierten Sprachverhunzungen aufspießen müsste. Wir ersparen uns und unseren Lesern ein solches alltägliches, absolut nicht vergnügungssteuerpflichtiges Unternehmen. Aber von Zeit zu Zeit ist es geboten, die neuesten Entwicklungen und Verrücktheiten aufzugreifen, um damit unsere Leser zu sensibilisieren und argumentativ zu munitionieren. 

1. Jetzt gendert auch die hamburgische Verwaltung

Die SPD und die „Grünen“, die beide den Hamburger Senat tragen, beschlossen am 15. Juni einen siebenseitigen Gender-Leitfaden, der in der Verwaltung Anwendung finden soll. Allerdings ist von einer Verpflichtung keine Rede, sondern „von zusätzlichen Möglichkeiten“. Die Vorschläge können (!) für sämtlichen Schriftverkehr der Verwaltung nach Innen und nach Außen aufgegriffen werden – etwa für Broschüren, Präsentationen, Flyer und Formulare. Nicht jedoch beim Erlass oder der Änderung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Immerhin!

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Hintergrund, so die rot-grüne Begründung, sei ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2017, wonach niemand gesetzlich gezwungen werden dürfe, sich zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht zu entscheiden. Allein diese Berufung des Hamburger Senats auf das BVerG ist freilich bodenlos daneben. Denn das BVerG hat nichts anderes getan, als ein Weder-männlich-noch-weiblich-Geschlecht („divers“) einzuführen. Über die Notwendigkeit einer „gendergerechten“ Sprache hat sich das Gericht nicht ausgelassen. Außerdem kommt „divers“ in keiner der schlauen Gender-Fibeln zum Tragen, sondern nur die Einebnung von „männlich“ und „weiblich“. Neben geschlechtsneutralen Formulierungen können in Hamburg nun Gender-Stern oder Gender-Doppelpunkt verwendet werden. Das sei „inklusiv“. 

Konkret schaut das dann wie folgt aus: Lehrkraft statt Lehrerin oder Lehrer, Studierende statt Studentin und Student, Schüler:innen statt Schülerinnen und Schüler, Mitarbeiter:innen statt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Diplom-Ingenieur:in (Dipl.-Ing.:in), Universitätsdozent:in (Univ.-Doz.:in ), Sehr geehrte:r Elke Müller. Sehr geehrte:r Teilnehmer:innen. Niemand statt keiner/keiner (obwohl in „niemand“ der Mann steckt!) Und so weiter und so fort. Immerhin geht es „Gegenständen ohne Personenbezug (der Stuhl, die Wand) nicht an den Kragen. Über Tiernamen lässt sich der Text nicht aus: also nicht über „der“ Elefant, „die“ Giraffe, „das“ Pferd usw. Wie wohltuend immerhin angesichts von Konstruktionen der „grünen“ Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckhardt mit ihrer „Planetin“ Erde und ihren „Spatz*Innen“. Siehe hier.

Eines muss man den Hamburgern freilich zugutehalten: Die Freie und Hansestadt Hamburg ist hier nicht ganz so krass und übermotiviert wie die Stadt Köln, die dazu 54 Seiten zu Papier gebracht hat. Siehe hier.

Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß ist gleichwohl strikt gegen eine Gendersprache in staatlichen Institutionen. Wörtlich: „Die Hamburger CDU spricht sich dafür aus, dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen keine grammatisch falsche Gender-Sprache verwendet wird.“ Unverständlich bleibt, dass sich die CDU-Bundespartei dieser Ansicht noch nicht angeschlossen hat. Das würde Stimmen bringen, denn – je nach Umfrage – 66 bis 87 Prozent der Deutschen mögen die Genderei nicht.

2. Das Bistum Hildesheim springt auf den Gender-Zug auf

Zum 11. Juni 2021 ist auch das Bistum Hildesheim mit der 17-seitigen Handreichung „Geschlechtersensible Sprache“ auf den Gender-Zug aufgesprungen. Siehe hier. 

Man beruft sich dabei auf „Wissenschaftliche Untersuchungen“, die in den letzten 30 Jahren angeblich gezeigt hätten, dass die Verwendung des generisch-maskulinen Plurals („die Mitarbeiter“) dazu führe, dass Frauen in den Vorstellungen nicht vorkämen. Wissenschaftlich? „Vgl. Untersuchungen von Sczesny oder Hannover u. a.“ Das ist alles an Beleg! Nähere Angaben fehlen. Sczesny ist offenbar eine Genderforscherin aus Bern und Hannover wohl die erste Stadt, die mit diesem Unfug begonnen hat. 

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Dennoch geht es flott ans Werk: Doppelnennungen solle man gebrauchen (Christinnen und Christen)! Substantivierte Partizipien solle man bilden (Studierende)! Redepult statt Rednerpult! (Wie wenn ein Pult reden könne!) „Du unser Gott“ statt „Gott der Herr“! Und man solle zwischen männlicher und weiblicher Form wechseln, zum Beispiel „Team aus Sozialarbeitern, Juristinnen, Erzieher, Seelsorgerinnen …“ Schwachsinn! Denn mit einer solchen Teambeschreibung wird so getan, als seien die einen rein weiblich und die anderen rein männlich. Außerdem soll es heißen Präsidium statt Präsident (respektive Präsidentin). Abteilungsleitung statt Abteilungsleiter (respektive Abteilungsleiterin). Oder Geschäftsführung statt Geschäftsführer (respektive Geschäftsführerin). Auch hier ist den Verfassern der semantische Irrsinn nicht aufgefallen: Denn Wörter mit dem Suffix „-ung“ sind Benennungen für kollektive Gebilde, nicht für eine Einzelperson. 
3. Der Blinden- und Sehbehindertenverband kritisiert das Gendern

Die Gendersprache gibt sich inklusiv. Sie will Frauen und Diverse inkludieren. Aber sie exkludiert manche Behinderten. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) hat denn auch seine Bedenken gegen so manche Gender-Mutationen angemeldet. In einem Positionspapier heißt es dort. „Gendern durch Sonderzeichen und Typografie, Beispiele: Mitarbeiter_innen, Mitarbeiter/-innen, MitarbeiterInnen, Mitarbeiter*innen, Mitarbeiter:innen ist nicht zu empfehlen. 

Diese sind für viele blinde und sehbehinderte Menschen problematisch.“ Siehe hier. 

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DBSV-Geschäftsführer Andreas Bethke ergänzt: „Wenn blinde und sehbehinderte Menschen Texte lesen, findet das in erster Linie über das Hören statt – egal ob der Computer etwas vorliest, ob es die Arbeitsassistenz tut oder ein Mensch aus der Nachbarschaft. Für uns ist das gehörte Wort wichtig, und deshalb wünschen wir uns Klarheit darüber, wie ein Text vorzulesen ist. Gendern durch Satz- und Sonderzeichen und Binnen-I finden wir schwierig, da sie beim Vorlesen entweder überlesen oder mit vorgelesen werden, was den Vorlesefluss stört. Seit einiger Zeit nehmen wir wahr, dass der Genderdoppelpunkt als blinden- und sehbehindertengerecht bezeichnet wird. Er steht jedoch auf der Liste der Lösungen, die wir nicht empfehlen … Bei Texten in Brailleschrift – auch in Papierform – müssen Sonderzeichen zudem durch spezielle Ankündigungszeichen als solche gekennzeichnet werden, was den Lesefluss behindert. Erschwerend kommt hinzu, dass es aktuell keine einheitliche Gendervariante gibt, auf die sich Personen, die vorlesen, und die Hersteller von Computerprogrammen einstellen könnten.“

Fazit des DBSV: Vor allem der Gender-Doppelpunkt wird abgelehnt. „Gründe sind Probleme beim Vorlesen – sei es durch einen Computer oder durch eine Person – und bei der Darstellung in Blindenschrift. Denn der Doppelpunkt wird von Screenreadern standardmäßig nicht vorgelesen, weil er im Gegensatz zu Stern und Unterstrich kein Sonderzeichen, sondern ein Interpunktionszeichen ist. Das Unterdrücken des Doppelpunktes führe zudem zu einer längeren Pause als das Unterdrücken anderer Zeichen. So kann der Eindruck entstehen, der Satz sei zu Ende.“ Der Hamburger Senat meint dies anders sehen zu müssen. Am Ende der sieben Seiten (siehe oben) steht der eigenartige Satz, der im Widerspruch zu den Ausführungen des DBSV steht: „Der Gender-Doppelpunkt gilt aber als eher mit der Barrierefreiheit vereinbar.“

So, liebe TE- und sonstige Leser: Tun Sie was, um der um sich greifenden Sprachbarbarei zu Leibe zu rücken! Was? Hier 13 Empfehlungen.

 

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