Jeder Normalbürger weiß und praktiziert es: Man sollte in dieser unserer Republik öffentlich und sogar privat nicht mehr alles sagen, was man denkt. Geschweige denn solches niederschreiben. Nun haben wir es schwarz auf weiß: Laut Allensbach meinen 78 Prozent der Deutschen, man könne seine Meinung zu bestimmten Themen nicht oder nur mit Vorsicht frei äußern. Infratest schiebt im Auftrag des MDR hinterher: Es sind 69 Prozent. Und die aktuelle Shell-Jugendstudie belegt dies für 68 Prozent junger Menschen.
Mindestens vier Topthemen fallen darunter: Flüchtlinge, Klima, Islam, sexuelle Orientierung. Wer sich hier auch nur differenziert kritisch äußert, bekommt sofort ein pathologisierendes „-phob“-Etikett umgehängt: xenophob, islamophob, homophob. Oder er gilt als „Klimaleugner“. Und so etwas kriegt man nicht mehr los.
Was also tut der nicht gerade zum Helden geborene Normalbürger, will er nicht beruflich, öffentlich und im Freundeskreis am Pranger stehen? Er hält die Klappe oder heult mit den Wölfen.
Wir sind ein „Volk von Flüsterern“ geworden. Warum? Weil das seit den 1980er Jahren aus US-amerikanischen Eliteuniversitäten kommende Krebsgeschwür der „political correctness“ („PC“) endlos metastasierte. Eifrig gefördert ausgerechnet von den sonst so anti-amerikanisch aufgestellten medialen Linken. Norbert Bolz nennt sie „Meinungssoldaten“ – sich gutmenschlich suhlend in der Lufthoheit ihrer Parallelgesellschaft. Nicht-linke Positionen können da nicht mehr stattfinden.
Gut – gutmenschlich – kommt man an, wenn man sich die Welt sprachlich verschönert und sagt: Flüchtlinge sind Zuziehende, Schutzbefohlene. Wenn man sich zur Willkommenskultur bekennt (bekennt! quasireligiös!) und „Refugees Welcome“ sagt. Wenn man borders als racism apostrophiert. Wenn man kriminelle Brennpunktgegenden mit Parallelgesellschaften zu Gebieten mit erhöhtem Aufmerksamkeitsbedarf umdefiniert. Wenn man seitens einer Hamburger Hochschulleitung und einer grünen Wissenschaftsministerin die Randale eines „studierenden“ Antifa-Mobs, der einen Professor Lucke an einer Vorlesung hindert, für eine „diskursive Auseinandersetzung über kontroverse gesellschaftliche Sachverhalte und Positionen“ hält. Siehe
Als korrekt angesagt sind zudem: Zeichen setzen, Haltung zeigen, Empathie, „virtue signalling“, Gesicht zeigen (polemisch könnte man anfügen: Gesicht zeigen für Gesichter, die von Burka oder Niqab umhüllt sind). Es sind dies allerdings alles „Wortfladen“ (Plattitüde und Fladen haben die gleichen Wurzeln). Oft sind diese „Fladen“ nichts als kitschig, weil sie ein Zuviel an Pathos, Süße, Schwulst sind. Zugleich werden bestimmte trigger (Auslöserbegriffe) vermieden, weil sie unangenehme Gefühle reaktivieren könnten: Volk, Nation, deutsch, Deutschland, Patriotismus, konservativ … Die rhetorisch alles andere als hochbegabte Kanzlerin ist semantisch zumindest so fit, solche Begriffe tunlichst zu umgehen.
Von einer Art semantischer Machtergreifung mit moralischem Totalitätsanspruch könnte man sprechen. Es geht um das „richtige“ Denken, Fühlen, Erinnern. Ein „Wahrheits“-Kartell könnte man es auch nennen. Wahrheit definiert sich nicht mehr empirisch, sondern a priori normativ. Die Kategorien wahr/unwahr werden nach „PC“-Regeln ersetzt durch gut/böse. Kirchentagsdeutsch ist angesagt: Evangelische sowie mehr und mehr auch die Katholischen Akademien sind zum Mekka der political correctness und des Gutmenschentums geworden.
Die zum allergrößten Teil volkspädagogisch übermotivierte Gouvernanten-/Nanny-Presse macht das gerne mit, ja marschiert voran. Federführend sind hier die Öffentlich-Rechtlichen ARD und ZDF sowie die Medien der Bertelsmann-Gruppe, der Madsack- und Funke-Medien-Gruppen, ferner die Süddeutsche, die ZEIT, der Relotius-Spiegel …. Und: Man ist bestens vernetzt! Siehe das „investigative“ Recherche-Netzwerk aus NDR/WDR/Süddeutscher. Rechtlich höchst bedenklich! Private Medien als Nutznießer von zwangsgebührenfinanzierten? Oder siehe das Redaktionsnetzwerk RND der Madsack-Mediengruppe, von dem immer mehr Zeitungen überregionale Inhalte übernehmen. Der Madsack-Konzern ist Teil des „roten Imperiums“, wie die NZZ das Medienvermögen der SPD nannte. Denn es ist in der Dt. Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) gebündelt, einem der SPD zu 100 Prozent gehörenden Unternehmenskonzern. (Was die SPD – wie man sieht – aber auch nicht mehr über 20 Prozent hievt.)
Dieser „Gouvernanten-/Nanny-Presse“ geht es um zweierlei: Sie arbeitet gerne mit semantischen Tricks; sie ummantelt euphemisierend negative Wirklichkeiten (siehe Kriminalstatistiken), und sie skandalisiert positive Wirklichkeiten in alarmistischer Weise. Folge etwa: Es gibt Opfer erster Klasse: Migranten, „Fremde“, Muslime – und Opfer zweiter Klasse: Deutsche, alte weiße Männer, Christen. Und es gibt Täter erster Klasse: alte weiße Männer, Deutsche, Europäer, Christen – und Täter zweiter Klasse: islamistische Terroristen. Aber letztere sind ja Einzelfälle, traumatisiert, psychisch auffällig.
Der politische Zweck der „Political Correctness“ mit ihren Protz-, Kampf-, Imponier-, Gesinnungs- und Tabubegriffen, mit ihren Euphemismen und Kakophemismen und mit ihrer repressiven Toleranz ist jedenfalls klar: Es geht um die Eliminierung „rechter“ Vorstellungen, wobei als „rechts“ alles definiert wird, was einen Millimeter rechts von Merkel ist. Es geht um die Normierung, Kanonisierung, Monopolisierung der Moral. Bewusstseins- und Moralindustrie könnte man es auch nennen.
PC ist Kulturmarxismus. In der DDR gab es Sanktionen, wenn man keinen festen Klassenstandpunkt, also kein bedingungsloses Vertrauen in die Richtigkeit der SED-Politik hatte. Heute ist man „dran“, wenn man keinen PC-Standpunkt hat. Die „Schweigespirale“ (Elisabeth Noelle-Neumann 1980) tut ein übriges: Man neigt dazu, nichts zu sagen, wenn man annimmt, dass man sich damit außerhalb des „Mainstreams“ stellt. Die Folge ist, dass sich „veröffentlichte“ Meinung durch- und die Linksverschiebung der Republik fortsetzt. Und von den Obersten dieses Staates vernimmt man dazu nur dröhnendes Schweegen.
Hinweis: Ein 28-Minuten-Vortrag des Autors zu diesem Komplex.