Man kann der Katholischen Kirche nicht vorwerfen, dass sie ihr Fähnchen stets nach dem Mainstream dreht. Wahrscheinlich ist diese Standhaftigkeit einer der Gründe, warum sich die Katholische Kirche über fast 2000 Jahre hinweg gehalten hat und weltweit aktuell über 1,3 Milliarden Angehörige zählt. Hier bewahrheitet sich wohl der alte Grundsatz: „Wer ständig mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.“
Nun hat sich der Vatikan in erfreulicher Klarheit zu einer Ideologie geäußert, die mehr und mehr alle politischen, medialen, wissenschaftlichen, pädagogischen, sprachlichen und privaten Bereiche durchdringt, ja durchsetzt: die Gender-Ideologie, nach deren Annahme es keinen Zusammenhang zwischen biologischem Geschlecht (englisch „sex“) und sozialer sexueller Identität („gender“) gibt. Papst Franziskus hatte diese Ideologie übrigens schon zuvor wiederholt als teuflische Ideologie mit dem Ziel einer Zerstörung von Ehe und Familie bezeichnet.
Die Bildungskongregation für die katholische Lehre veröffentlichte nun am Pfingstmontag ein Grundsatzpapier mit dem Titel „Als Mann und Frau schuf er sie“. Darin warnt die Bildungskongregation unter Leitung ihres Präfekten, des italienischen Kardinals Giuseppe Versaldi, vor der Gender-Theorie und im besonderen vor einer Aufweichung von Geschlechtergrenzen. Vor allem, so die Kritik Versaldis, ziele die Gender-Theorie darauf ab, eine „Gesellschaft ohne geschlechtliche Unterschiede“ zu schaffen und damit „die anthropologische Grundlage der Familie“ zu eliminieren.
Weiter wendet sich das Papier, das noch nicht in deutscher Übersetzung vorliegt, gegen die Tendenz, „die Unterschiede zwischen Mann und Frau auszulöschen, indem man sie als bloße historisch-kulturelle Konditionierung versteht“. Die Existenz eines neutralen oder dritten Geschlechts sei eine „fiktive Konstruktion“, auch „Manipulationen des Körpers nach Belieben“ seien zu verurteilen. Es sei ein „konfuses Konzept von Freiheit“, nicht mehr zwischen Frauen und Männern unterscheiden zu wollen.
Der Vatikan betont, dass es ihm mit seinem Gender-Dokument vor allem um Dialog gehe – im engeren Sinn um die Frage, wie sich katholische Bildungseinrichtungen zur aktuellen Gender-Diskussion verhalten können. Versaldi dazu wörtlich: „Es sollte denjenigen, die in den Bildungseinrichtungen tätig sind, eine Möglichkeit zum Dialog geben, um die beiden mit der Gender-Debatte zusammenhängenden Extreme zu vermeiden. Diese Extreme sind einerseits, zuzulassen, dass diese immer weiter vordringende Ideologie, die sich als wissenschaftlicher Fortschritt tarnt, auch unsere Institutionen durchzieht, oder, auf der anderen Seite, sich in einer Verteidigungshaltung zu verschanzen, die diejenigen ausschließt, die anders denken, obwohl doch unsere Schulen, vor allem diejenigen höherer Stufen, offen für den Dialog sind …Deshalb laden wir gerade im Namen der Vernunft und der Wissenschaftlichkeit dazu ein, sich auf der Grundlage der Erkenntnisse der experimentellen Forschung in Austausch zu begeben, um die eigenen Meinungen zu vertreten.“
Versaldi weiter: „Auch wir als Kirche müssen diese Beziehung immer wieder aufs Neue vertiefen und dabei vielleicht einige allzu festgefahrenen Positionen im Blick auf die Natur korrigieren, die die kulturellen Aspekte völlig außer Acht lassen. Das heißt, wir sind gerne bereit, in diese Auseinandersetzung einzutreten, aber natürlich unter Beibeihaltung der Vision der christlichen Anthropologie, die allerdings nicht durch Glaubenssätze, sondern durch rationale Argumente begründet wird.“ Versaldi zusammenfassend: Das durch die Gender-Ideologie propagierte Menschenbild widerspreche „dem Glauben und der lauteren Vernunft“, aber auch der Natur.
Wie nicht anders zu erwarten, reagierte die LSBTTIQ-Lobby, die wohl weniger als ein halbes Prozent der Bevölkerung repräsentiert umgehend (LSBTTIQ = lesbische, schwule, bisexuelle, Trans-, transsexuelle, intersexuelle und queere Menschen). Der Verband New Ways Ministry, der für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in der katholischen Kirche eintritt, bezeichnete das Papier als „schädliches Werkzeug“: Der Vatikan bleibe damit im Mittelalter. Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche e.V. (HuK) und der Deutsche Schwulen- und Lesbenverband (LSVD) haben den Vatikan-Leitfaden für katholische Lehrkräfte zum Thema Gendertheorie scharf kritisiert. Wörtlich behauptet der HuK: „Vatikan ruft zu Menschenrechtsverletzungen an intersexuellen Kindern auf.“ Auch der Schwulen- und Lesben-Bundesverband (LSVD) verurteilte via Twitter den offiziellen Leitfaden des Vatikans. Damit legitimiere die Katholische Kirche als religiöse Autorität Stigmatisierungen, Diskriminierungen und schwere Menschenrechtsverletzungen, „wie sie weltweit an der Tagesordnung sind“. Bei so viel Rundumschlag dürfen „progressive“ Theologen nicht fehlen. Nach Ansicht des katholischen Theologen Michael Brinkschöder ziehe der Vatikan das Selbstbestimmungsrecht von intersexuellen Menschen nicht einmal in Betracht. „Diese Ignoranz ist eine Schande für die ganze Katholische Kirche“, mahnte Brinkschöder und forderte den Rücktritt des für das Dokument zuständigen Präfekts, Kardinal Giuseppe Versaldi.
Beistand bekommt der Vatikan interessanterweise weder von den Laienorganisationen der katholischen Kirche noch von CDU und CSU. Aber auch für letztere gilt (siehe oben) die Erfahrung: „Wer ständig mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.“ Und was die Laienorganisationen der katholischen und noch mehr der evangelischen Kirche betrifft, sind deren Kirchentage in weiten Teilen ohnehin längst zu Propagandaveranstaltungen für „Gender“ geworden.
Immerhin verteidigte der Deutsche Lehrerverband den Vatikan. Sein Präsident, Heinz-Peter Meidinger, nahm die Katholische Kirche in einem Interview mit dem SWR in Schutz. So könne er in dem 58-Punkte umfassenden Dokument keinen Anhaltspunkt dafür finden, dass die Kirche gegen eine Thematisierung von Homosexualität oder Geschlechtsumwandlung im Unterricht sei. Vielmehr zeuge die Auseinandersetzung mit der Thematik für die Dialogbereitschaft der Katholischen Kirche. Außerdem habe der Vatikan die bestimmende Rolle des Dualismus von Mann und Frau hervorheben wollen.
Respekt, Vatikan, kann man wenigstens in diesem Zusammenhang sagen!
In einer Zeit,
- in der ein Bundesverfassungsgericht dritte („diverse“) Geschlechter verbindlich reklamiert;
- in der an mehr als 200 deutschen Hochschullehrstühlen über Gender „geforscht“ wird;
- in der Kommunen (siehe Hannover) eine sog. genderneutrale Sprache verordnen;
- in der Lehrpläne auf „sexuelle Vielfalt“ getrimmt werden;
- in der in Berlin die Gender-Pädagogik bereits in den KiTas und in den Grundschulen ihr Unwesen treibt,
- in der selbst bayerische Grundschulen Toiletten für „diverse“ Geschlechter einrichten …
in einer solchen Zeit ist es wohltuend, wenn eine Institution „klare Kante“ zeigt.
Hinweis: Wir haben bei TE regelmäßig über die Auswüchse der Gender-Ideologie berichtet. Wer dazu mehr lesen möchte, der gebe auf der TE-Seite in dem Suchfeld den Begriff „Gender“ ein. Er findet dort rund 50 Kolumnen allein aus den letzten 24 Monaten.