Gesinnungsethisch, oder sollte man besser sagen: gesinnungstechnisch, ist Deutschland längst eine US-amerikanische Kolonie. Diese Aussage hat nichts mit typisch linkem Anti-Amerikanismus zu tun. Aber schizophren, wie viele Linke nun einmal sind, saugt Deutschlands vereinte Block-Linke gerne alles Linke auf, vor allem wenn es aus den USA kommt.
Der Urknall dieser linken Gesinnungsethik geschah mit der „reeducation“, die man den Deutschen nach dem Krieg angedeihen ließ. Diese Umerziehung wirkt bis zum heutigen Tag fort. Sie wird gepflegt als typisch deutsche Selbstverleugnung, ja mehr noch als typisch deutscher Sündenstolz. Bei dieser „reeducation“ spielte der US-amerikanische Philosoph und Pädagoge John Dewey (1859 – 1952) mit seiner zwischen 1914 und 1942 verfassten Schrift „Deutsche Philosophie und deutsche Politik“ eine nachhaltige Rolle. In dieser Schrift sieht Dewey eine Identität zwischen der Philosophie, die Hitler an die Macht gebracht habe, und großen deutschen Philosophen. Was die philosophischen Vorläufer betrifft, so spannt Dewey den Bogen – mit Luther beginnend – über Kant und Herder bis zu Hegel, Schelling und Fichte. Deren Gemeinsamkeit sei der „Glaube an die wesenhafte Überlegenheit des deutschen Volkes … und an dessen vorbestimmtes Recht, über das Schicksal anderer Völker zu entscheiden.“ Weiter schreibt Dewey: „Hitler könnte mit gutem Recht in Anspruch nehmen, der Vollstrecker der von Hegel vorweggenommenen Mission zu sein.“ (Nur am Rande: Die Linken vereinnahmen Hegel gerne als Wegbereiter des Marxismus.)
Die vorläufige Vollendung der „reeducation“ stellen mittlerweile die Sprach- und Gesinnungsdiktate der „political correctness“ und des Genderismus dar. Auch diese Bewegungen stammen aus den USA bzw. aus dortigen Universitäten. Getoppt werden sie mittlerweile durch die vor allem US-universitäre „I feel offended!“- Bewegung. Dozenten haben gefälligst nichts mehr zu lehren, was einzelne Studenten beleidigen, diskriminieren, herabgesetzten könnte. Der Bannstrahl hat sogar Klassiker der Weltliteratur getroffen, etwa Shakespeare, weil in dessen Dramen angeblich entwürdigende Szenen vorkommen.
In Deutschlands Universitäten geht es mittlerweile immer häufiger genauso zu. Die Zahl der Professuren für Gender-Forschung hat mit mehr als 200 mittlerweile die Zahl der Professuren für Alte Sprachen und für Pharmazie übertroffen. In Kürze werden wir ein Heer an „Nachwuchskräften“ mit einem Bachelor- oder Master-Zeugnis in „Genderwissenschaften“ auf den Markt bekommen – auf einen „Markt“, den es dann gewiss in noch weiter aufgeblähten staatlichen, kommunalen und sonstigen Gleichstellungsabteilungen geben wird.
Und dass angeblich „rechte“ Professoren sich ihrer Profession (das lateinische „profiteri“ heißt „sich bekennen“) oft nicht mehr erfreuen können, erfährt man in der deutschen Öffentlichkeit selten, wiewohl es wöchentlich Einschränkungen gibt. Die Professoren Jörg Baberowski und Werner Patzelt sind zwei von vielen möglichen Beispielen. Baberowski ist hochkarätiger Historiker und Diktaturforscher an der Humboldt-Universität Berlin. Seit geraumer Zeit ist er, ohne dass der Uni-Präsident einschreiten würde, einem üblen Mobbing linker Vereinigungen ausgesetzt. Patzelt ist Politologe an der TU Dresden. Weil er über Pegida und die AfD geforscht hat und weil er die CDU berät, hat ihm die Universität Dresden eine Seniorenprofessur verweigert. Betroffen sind aber auch viele Studenten, die in Examensarbeiten eine schlechtere Zensur bekommen, wenn sie nicht „gendergerecht“ schreiben.
Nun schlägt der Deutsche Hochschulverband (DHV) mit seinem Präsidenten Bernhard Kempen Alarm. Dieser Alarm sollte Gewicht haben, vertritt der DHV doch 31.000 Wissenschaftler in Deutschland. Mit einer Resolution anlässlich des 69. DHV-Tages in Berlin hat sich der DHV soeben gegen „Denk- und Sprechverbote“ an Universitäten ausgesprochen und gefordert: „Die freie Debattenkultur muss verteidigt werden.“ Wörtlich heißt es in einer Presseerklärung des DHV vom 10. April 2019:
„Die Toleranz gegenüber anderen Meinungen sinkt. Das hat auch Auswirkungen auf die Debattenkultur an Universitäten … Im Streben nach Rücksichtnahme auf weniger privilegiert scheinende gesellschaftliche Gruppierungen forderten einige Akteure das strikte Einhalten von ‚Political Correctness‘. Parallel dazu wachse mit dem Erstarken politischer Ränder das Erregungspotenzial … Differenzen zu Andersdenkenden sind im argumentativen Streit auszutragen – nicht mit Boykott, Bashing, Mobbing oder gar Gewalt …“
Damit, so der DHV weiter, sei unvereinbar, dass sich in letzter Zeit Ausladungen von Personen häufen, die vermeintlich unerträgliche Meinungen verträten. DHV-Präsident Kempen warnt auch vor einem Rückzug der Universitäten in einen Elfenbeinturm. Die Universitäten sollten daher alle vom Bundesverfassungsgericht nicht als verfassungswidrig eingestuften Parteien zu Wort kommen lassen. Das bedeute in einem freiheitlichen Rechtsstaat, dass die Äußerung einer nicht verfassungswidrigen, aber politisch unerwünschten Meinung nicht nur geschützt, sondern notfalls auch erst ermöglicht werden müsse.