Tichys Einblick
Geschützte TV-Werkstatt

Das TV-Duell – Denk ich an Deutschlands „Star“-Journalisten in der Nacht ……

Wahlkampf zwischen Platzpatronen-Duell und journalistischem Wattebällchen-Pingpong.

Screenprint: ARD/Das TV-Duell

Diese Kolumne hätte ich sogar schreiben können, wenn ich mir das Platzpatronen-Duell Merkel/Schulz nicht angeschaut, sondern in dieser Zeit 90 Minuten lang Sport oder Lektüre betrieben hätte. Aber keine Sorge, lieber Leser, ich habe mir den journalistischen Wattenbällchen-High-Noon namens TV-Duell angetan.

Trotzdem will ich erst einmal sehr grundsätzlich werden. Nach meinem Verständnis ist es der Job und das verfassungsmäßig garantierte Recht der Presse, ja deren Pflicht, real praktizierte Politik nicht nur zu berichten, sondern sie kritisch zu begleiten. Dann wäre sie wirklich und zu Recht die vierte Gewalt im Staate. Andernfalls funktioniert Gewaltenteilung nicht mehr – vor allem nachdem das Parlament aufgehört hat, die Regierung zu kontrollieren, und die Regierung begonnen hat, das Parlament und dessen Regierungskoalition zu kontrollieren. Nun haben wir zu erheblichen Teilen auch noch eine privatrechtlich organisierte und eine öffentlich-rechtliche Presse (sie nennt sich Qualitätspresse), die als Kontrollinstanz ausfällt, weil sie sich wie eine Hofberichterstattungsinstanz von der Regierung diktieren lässt, was und wie oft sie fragen darf.

Wenn solchermaßen die Fäden der eigentlich ersten „Gewalt“ namens Parlament und der „vierten“ Gewalt namens Presse im Bundeskanzleramt zusammenlaufen, liegt der Begriff „total“ oder „totalitär“ in der Luft. Putin, Erdogan und Lukaschenko lassen grüßen – um nur mal lebende Exemplare „gelenkter“ Demokratie zu nennen.

Außer Quoten nichts zu erwarten
Vor dem Duell von Illner, Kloeppel, Maischberger und Strunz
Die Realität ist eine andere. Schlecht für die Verfassung, oder? Rekapitulieren wir: Ein Kanzleramt verweigert ein zweites Kandidatenduell. Ein Kanzleramt nimmt Einfluss auf die Strukturierung des Gespräches. Ja wo sind wir denn? Warum macht die ach so unabhängige Presse nicht einfach das, wozu sie da ist? Warum hat man nicht einfach ein zweites TV-Duell angesetzt? Okay, wenn einer der Kandidaten sich verweigert hätte, dann ist er eben nicht dabei! Natürlich wäre er/sie dabei gewesen, denn ein Fernbleiben hätte einige Prozent an Stimmen gekostet.

Aber zurück zu den „Star“-Journalisten! Brav und zahnlos waren sie. Es kam auch deswegen kein Leben in die Bude, zumal die Amtsinhaberin über mindestens 80 Minuten hinweg die Schlaftablette gab und der Herausforderer sich willentlich oder unwillentlich immer wieder von eigenen Genossen absetzen musste.

TV-Duell
TV-Duell Merkel/Schulz: Fazit: Eine schreckliche Veranstaltung
Ständig lagen mir Fragen auf der Zunge, die hätten gestellt werden müssen im TV-Duell. Stattdessen: Leitkultur, Fehlanzeige! Griechenland, Fehlanzeige! Kirchenasyl, Fehlanzeige! Was sind denn die „Fluchtursachen“? Doch wohl zu 90 Prozent wirtschaftliche Begehrlichkeiten? Auch hier Fehlanzeige! Kosten der Energiewende, Fehlanzeige! Größenordnung des Familiennachzuges, Fehlanzeige! Man begnügte sich mit Antworten der Art „Diesen Weg werden wir weiterbeschreiten ….“ oder „Daran müssen wir weiterarbeiten ….“ Stattdessen ein gemeinsames Eindreschen auf Trump und natürlich auf Orban, dem man eigentlich dankbar sein müsste, dass er die Grenzen dichtgemacht hat. Wie wäre es hier mit der journalistischen Provokation gewesen? Zum Beispiel der These: Ohne Orban und seine Grenzschließungen gäbe es heute keine Bundeskanzlerin Merkel mehr!

Mein Resümee: Ich hätte doch Sport treiben oder 50 Seiten eines guten Buches lesen sollen. Denn hier traten zwei plus vier Leute auf, die bei mir den Eindruck nährten, wie wenn jetzt schon Koalitionsverhandlungen für eine neue GroKo anstünden. Aber wahrscheinlich will das der deutsche Wahl-Michel so. Er will nicht belästigt werden. Er will ein „weiter so!“ Insofern hat der deutsche Michel die Regierung und den Journalismus, den er verdient. Mein Trost: Immerhin habe ich mir die nachfolgende „Evaluation“ des Duells bei Anne Will mit dem Baron, Müntefering und Gottschalk gespart. So konnte ich wenigstens meinen Erdnusskonsum stoppen, weil ich – siehe diesen Text – in die Tasten greifen musste.

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