Tichys Einblick
Symbolpolitik

Bundestag will Etablierung eines Antisemitismus-Beauftragten

Symbolpolitik, ja! – Aber wofür haben wir Ministerien und Parlamentsausschüsse? Verschwindet der Antisemitismus-Beauftragte unter mehr als dreißig anderen „Beauftragten“?

© Sean Gallup/Getty Images

Soeben hat der Bundestag mit großer Mehrheit einen Antrag zum Kampf gegen Antisemitismus beschlossen. Darin wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, einen Antisemitismusbeauftragten zu berufen. Initiatoren dieses Beschlusses waren die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen. Die AfD gehörte nicht zu den Unterzeichnern, stimmte aber zu. Weil die Linkspartei andere Vorstellungen von der Bekämpfung des Antisemitismus hatte, unterschrieb sie den Antrag nicht und enthielt sich bei der Abstimmung der Stimme.

Antisemitismus-Beauftragte(r) soll die Person also heißen. Allein schon diese Kurzformel ist unglücklich gewählt. Wir wollen keine semantische Haarspalterei betreiben, aber ein Beauftragter ist normalerweise ein Beauftragter „für“ etwas. Das kann es hier ja nicht sein. Beauftragter für Antisemitismus? Nein, es kann natürlich nur ein Beauftragter gegen Antisemitismus sein. Ebenso wie es ja keinen Drogenbeauftragten der Bundesregierung geben kann, auch wenn er/sie oft so genannt wird. Deshalb heißt es hier ja auch „Beauftragter der Bundesregierung für Drogenfragen“.

Alles recht und schön. Den Kampf gegen Antisemitismus muss jeder Bürger, muss jede gesellschaftliche Kraft, jede öffentliche Einrichtung, jede Redaktion begrüßen: Es fragt sich nur, ob die Berufung eines entsprechenden Beauftragten, sei er nun beim Bundestag oder im Kanzleramt angesiedelt, mehr ist als Symbolpolitik.

Woher diese Skepsis? Weil wir quer durch den politischen Garten bereits eine Inflation an „Beauftragten“ des Bundestages, der Bundesregierung und der Ministerien haben. Da fragt man sich schon, wozu eigentlich zig Bundestagsauschüsse, Bundesministerien und Landesministerien da sind.

Das Problem des Antisemitismus – ob nun aus der rechten oder aus der islamistischen Ecke – ist nicht mit der Berufung eines dafür bestellten Beauftragten gelöst. Michael Wolffsohn, renommierter Historiker und nach eigenem Bekunden ein „Deutscher jüdischen Glaubens, liegt denn auch nicht ganz falsch, wenn er die Einsetzung eines Antisemitismus-Beauftragten für eine „gut gemeinte, jedoch völlig naive Bürokratenidee“ hält. Wolffsohn zweifelt zu Recht an der Effektivität einer solchen Institution: „Das traurige Phänomen des Antisemitismus ist 3.000 Jahre alt. Wenn irgendein Politiker meint, er könne ein so tiefsitzendes menschheitliches Vorurteil durch die Einsetzung einer zusätzlichen Behörde beseitigen, dann ist das zwar sehr sympathisch, aber eben auch völlig naiv – um nicht zu sagen größenwahnsinnig.“

Es kommt hinzu, dass die Einsetzung eines solchen „Beauftragten“ allein schon dadurch relativiert wird, dass ein solcher nun der etwa 35ste Beauftragte der Bundesregierung bzw. des Bundestages ist.


Hier die Liste der bereits bestehenden Beauftragten und Koordinatoren:

Dazu kommen Wehrbeauftragter, Gleichstellungsbeauftragter, Korruptionsbeauftragter, Ermittlungsbeauftragter. Fehlt nur noch ein Beauftragter zur Koordinierung der Bauftragten.

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