In vordemokratischen Gesellschaften gab es vier Kriterien für die Allokation, also die Positionierung eines Menschen in Beruf und Gesellschaft: Geburt, Geldbeutel, Gesinnung und Geschlecht. Wer aus „gutem“ Hause kam, wer selbst einen dicken Geldbeutel hatte, wer nach dem Motto „Wes‘ Brot ich ess, des‘ Lied ich sing“ die herrschaftskonforme Gesinnung an den Tag legte und wer das richtige Geschlecht (zumeist männlich) vorweisen konnte, der hatte eindeutig die besseren Chancen zu reüssieren. Demokratische Gesellschaften haben an die Stelle dieser vier Merkmale – zumindest weitgehend – die persönliche Leistung gesetzt. Das war ein gigantischer demokratischer Fortschritt, und es war ohne Ansehen der Person die Chance zur Emanzipation für jedermann.
Die Wissenschaften waren nicht ganz, aber weitestgehend frei davon. Das wird jetzt mehr und mehr anders. Auf sozialwissenschaftliche und bildungswissenschaftliche Professuren etwa werden fast nur noch politisch korrekt Denkende und „Forschende“ berufen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Wer sich etwa kritisch über den Genderismus, die „diversity“-Ideologie oder den „no-borders“-Wahn äußert, kann selbst als Hochqualifizierter gleich einpacken.
Das Neueste ist, dass jetzt das Geschlecht wieder eine ausschlaggebende Rolle spielt. Hier reden wir noch nicht einmal von der Tatsache, dass die mehr als zweihundert Professuren im Bereich der Genderforschung zu fast hundert Prozent von Frauen (oder vom dritten Geschlecht) besetzt sind. Quer durch den universitären Gemüsegarten greift dieses Kriterium nun um sich.
Ein simples Beispiel: Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern hat am 10. November 2017 ein Sonderprogramm für Professorinnen beschlossen; es soll in einer dritten Runde bis 2022 mit 200 Millionen Euro dotiert sein. Statt wie bisher 150 Millionen Euro werden Bund und Länder in der dritten Programmphase ab 2018 also insgesamt 200 Millionen Euro den Hochschulen zur Verfügung stellen. Ziel ist es, so wörtlich, die Finanzierung für die Erstberufungen von Frauen auf eine Professur anzuschieben und die gleichstellungspolitischen Strukturen an Hochschulen zu stärken. Das heißt zum Beispiel konkret: Wenn auf eine Professur eine Frau berufen wird, wird diese Professur finanziell und personell besser ausgestattet, als wenn ein Mann berufen würde. Dafür gibt es spezielle Mittel, auf die die Hochschulen wohl ungern verzichten werden.
Nachdem Vergleichbares auch in Großbritannien und in den Niederlanden um sich gegriffen hat, ist nun verstärkt Deutschland dran. Quote statt Qualität, Privilegierung statt Gleichbehandlung vor dem Gesetz sind angesagt. Alle sind vor dem Gesetz gleich, aber offenbar bestimmte doch gleicher. Siehe die 200 Millionen! In vielen Fachbereichen der Hochschulen haben männliche Bewerber von Haus aus schlechte Karten. Und es scheint bald kein Halten mehr zu geben. Die dort mitregierende „Linke“ in Berlin forderte bereits eine Quotenregelung, damit Kinder aus sozial schwächeren Familien ans Gymnasium gehen können.
Aber zurück zum Frauenprogramm: Da sollten sich die Gerechtigkeitsbewegten in ihrem feministischen Furor doch einmal einer anderen Tatsache annehmen: Die Bildungsverlierer sind zum allergrößten Teil männlichen Geschlechts: Sie bleiben häufiger sitzen, und sie haben die schlechteren Schulnoten. Wie wäre es da mal mit einer „affirmative action“?
Nein, man kann nur hoffen, dass sich endlich Kläger gegen die 200 Millionen finden und dass „Karlsruhe“ mal wieder einen hellen Tag hat. Und man kann nur hoffen, dass es genug qualifizierte und selbstbewusste Frauen gibt, die keine Privilegierung brauchen – und wollen.