Das Fach Mathematik ist ein wahrlich böses Fach. Es ist neben Physik und Latein das klassische Sitzenbleiberfach. In der Mathematik kann man als Prüfling nicht herumschwadronieren wie in manch geistes- und sozialwissenschaftlich orientierten Fächern, wo es oft mit viel Geschwätz doch noch zur Note 3 reicht. In der Mathematik gibt es üblicherweise eindeutige Lösungen. Dort heißt es schlicht und ergreifend „richtig“ oder „falsch“. Dementsprechend sind die Noten für mathematische Leistungen ziemlich objektiv und unanfechtbar. Aus einer Sechs kann man auch bei noch so viel Empathie der Prüfer keine Eins machen. Und überhaupt ist die Mathematik, wie wir aus US-Universitäten und deren antikolonialistischen, antirassistischen Abteilungen hören, ein „toxisches“ Fach, weil die Mathematik (angeblich) von alten, weißen, männlichen Griechen stammt.
Diese Ideologie scheint mittlerweile auch in Deutschland Schule zu machen. Immer mehr deutsche Länder, mittlerweile elf davon, verzichten beim Abitur auf eine Pflichtprüfung in Mathematik. Nun hat sich auch Mecklenburg-Vorpommern diesen elf angeschlossen. Die dort amtierende Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) hat vor geraumer Zeit eine „Lenkungsgruppe“ aus Praktikern eingerichtet, die übrigens seit mehr als einem Jahr „ergebnisoffen“ über die Weiterentwicklung des Abiturs berät. Von „ergebnisoffen“ kann aber wohl nicht die Rede sein, denn regionale Zeitungen im Land an der Ostsee berichten, Simone Oldenburg plane tatsächlich eine Abschaffung der Prüfungspflicht im Fach Mathematik.
CDU- und AfD-Opposition sehen das unisono – und ohne Rücksicht auf Merz’sche Brandmauer – anders. „Abiturientinnen und Abiturienten sollten mehr können als das kleine Einmaleins. Wer behauptet, Mathematik sei für viele Berufe entbehrlich, die Prüfung sei es daher auch, lügt den Schülerinnen und Schülern schamlos ins Gesicht“, erklärte der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Torsten Renz. Die Entwertung des Abiturs sei kein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit. „Wer gegen Mathematik motzt, darf fatalerweise immer auf Beifall hoffen“, erklärte der bildungspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Enrico Schult, und fügte hinzu: “Statt Prüfungen abzuschaffen, sollte die Schule Kindern vermitteln: Mathematik ist cool.“
Ganz emotionslos: Ohne mathematische Abiturbasis kann man kein Physik-, Chemie-, Informatik-, Ingenieurs-, VWL- oder BWL-Studium bewältigen. Ein Mathematikstudium sowieso nicht, und auch im Psychologie- oder Soziologiestudium tut man sich schwer ohne solide mathematische Grundlagen. Im Fach „Klimaforschung“ übrigens auch, es sei denn man spezialisiert sich dort darauf, wie Sekundenkleber funktionieren. Zwei Tatsachen belegen die Bedeutung der Mathematik in einem Studium: Zum einen weil in den genannten Fächern wegen ihrer Defizite viele Studenten scheitern. Zum zweiten weil die Hochschulen gerade in diesen Fächern immer mehr mathematische Luftkurse einrichten müssen.
Mathematische Analphabeten in Ministerrängen
Außerdem haben solide mathematische Grundlagen eine kaum zu unterschätzende politische und mediale Dimension. Konkret: Je diffuser mathematisches Wissen oder auch nur rudimentäres Kalkulationsvermögen ausgeprägt sind, desto leichter können die Habecks, die Lindners, die Baerbocks und Co. dem Bürger ein X für ein U vormachen: mit abenteuerlichen Zahlenvergleichen, trickreichen Trend- und Prozentrechnungen sowie mit getürkten Schaubildern (Histogrammen und Polygonen). Dem Bürger etwas vormachen – und den „Medienschaffenden“. Denn letztere vermögen nicht hinter diese Zahlenspielchen oft mangels eigener mathematischer Grundbildung zu blicken; oder aber sie transportieren diese Tricksereien in regierungstreuer Attitüde kritiklos weiter.
Allerdings geht es oft nicht einmal um höhere Mathematik. Eine feministisch-völkerrechtlich beseelte Außenministerin gibt dann schon auch mal zum besten: Der Ukrainekrieg werde erst dann enden, wenn sich Putin um 360 (!) Grad drehe. Da war sie schon Ministerin. Noch nicht war sie Ministerin, als sie folgende Größenordnungen vom Stapel ließ: Jeder Bundesbürger emittiere pro Jahr 9 Gigatonnen CO2. Tatsächlich sind es 9 Tonnen (Ende 2018). Aber macht ja nix: Um den Faktor 1 Milliarde kann man sich ja mal verschätzen. Oder: „Menschen mit geringem Einkommen verbrauchen (sic!) meist weniger CO2, sind deshalb nicht so stark von den Preiserhöhungen betroffen und bekommen trotzdem genausoviel Geld zurück wie Menschen mit großem CO2-Fußabdruck, die mehr bezahlen“ (Juni 2021). Womit wir allerdings außerhalb der Mathematik gelandet sind, denn „verbrauchen“ und „emittieren“ sind unterschiedliche physikalische Tatsachen. Aber macht ja nix. Die damalige Kanzlerkandidatin hat es ja gut gemeint, und sie hatte 2018 und Mitte 2021 ja noch keinen einflüsternden ministeriellen Apparat samt Ex-Greenpeace-Chefin und US-Bürgerin Jennifer Morgan als deutsche Staatssekretärin.
Was „lernt“ uns das: Auf eine Milliarde „oder so“ kommt es nicht an. Man/frau kann es auch als Mathastheniker/Dyskalkuliker (m/w/d) ins Bundeskabinett schaffen. Denn eines ist auch klar: Bundesregierung und Bundestag sollen ja ein repräsentatives Abbild auch des dummen deutschen Michels sein.
Mathematik in ideologischer Umklammerung?
Im übrigen strengen sich mittlerweile sogar CDU-geführte Bundesländer nach Kräften an, auch das Schulfach Mathematik zu ideologisieren. In einem Entwurf des Landes NRW vom Frühjahr 2023 zu einem Mathematik-Lehrplan (Leerplans?) sind die Ziele des Mathe-Unterrichts – quasi als Einladung zum Schwadronieren in Prüfungen – unter anderem: