Tichys Einblick
NRW-Abitur 2022

Wie eine muslimische Pseudo-Feministin zum Abitur-Thema geadelt wird

In einer Abituraufgabe im Leistungskurs Deutsch ging es um einen Text der fragwürdigen Autorin Kübra Gümüşay und die seltsame Gemengelage aus Kopftuch, Feminismus, Gender, Antikolonialismus und Antifaschismus. Kurz: Es geht um Indoktrination.

Kübra Gümüsay in der ZDF-Talkshow maybrit illner am 03.12.2015 in Berlin

IMAGO / Müller-Stauffenberg

Wenn es um den Islam und Muslime geht, ist NRW stets ganz oben auf der Toleranz-, ja Propagandaskala (siehe Beispiele unten). Nun hat sich das Bundesland erneut selbst übertroffen: In einer Abituraufgabe für den Leistungskurs Deutsch wird ein Textauszug aus dem Buch „Sprache und Sein“ der deutschtürkischen Aktivistin, Bloggerin, Journalistin und Kopftuchträgerin Kübra Gümüşay zum Gegenstand einer Analyse gemacht. Die Prüflinge sollten am Prüfungstag, 27. April 2022, anhand der wahrlich nicht umwerfenden, dürftig mit der Sprache der Hopi-Indianer und der Eskimo begründeten „Sapir-Whorf-Hypothese“ diskutieren, inwieweit die Sprache Denken und Wahrnehmung, schließlich auch Politik beeinflusst bzw. Politik macht.

Die angehenden Abiturienten hatten – falls sie sich für diese konkrete Aufgabe aus einem Aufgabenangebot von vier Aufgaben entschieden – zur Bearbeitung 270 Minuten Zeit. Vor allem sollte es mit der reichlich suggestiven Aufgabenstellung um eine Sprache gehen, die geschlechtergerecht ist. Im Sinne von Gümüşay etwa, die das generische Maskulinum als Pluralform („die Bürger“) ablehnt und sich zum Beispiel wünscht, dass mit dem Begriff „die Lehrerin“ auch männliche Lehrer gemeint seien.

Sie ist #Erdogan-Fan, soll der islamistischen & vom VS beobachteten Milli Görüs nahestehen. Und Verbindungen zu Islamic Relief haben (Nähe zur Muslimbruderschaft). Was soll das, @BildungslandNRW?#Abitur2022NRWpic.twitter.com/n5cKSo9hr5

— Metin Gülmen (@GuelmenM) April 28, 2022

Überhaupt, so Gümüşay, sei die deutsche Sprache bis heute von Kolonialismus und Patriarchat geprägt. Es dominiere eine weiße Perspektive von „Privilegierten“. Deswegen könnten sich Frauen, Muslime, Migranten und LGBTQ nicht artikulieren. Ja mehr noch: Der öffentliche Diskurs verweigere ihnen eine eigene Perspektive, spreche ihnen das „Sein“ ab, mache sie zu „sprachlosen Wesen“. An anderer Stelle stellt Gümüşay die Frage, wie sich ihre „bilingualen Mitschüler*innen“ wohl entwickelt hätten, wenn sie nicht nur Schiller und Goethe gelesen hätten, sondern auch türkisch-islamische Autoren wie Necip Fazil Kisakürek († 1983), der Minderheiten wie Aleviten, Drusen und Jesiden wie Brennnesseln „aus unserem religiösen und nationalen Garten“ wegjäten wollte. Siehe dazu auch die Kritik „Islamismus mit Gendersternchen“ in der NZZ vom 22. Oktober 2021.

Identitätspolitik
Die guten Rassisten des grünen Milieus
Nun, die Frage, wie die Sprache Wahrnehmung und Denken prägt, kann man diskutieren lassen. Zum Beispiel die Frage, inwieweit Sprech- und damit Denkverbote der „political correctness“ den öffentlichen Diskurs besetzt, ja dramatisch eingeschränkt haben. Kann man also machen. Vernünftiger wäre es gewesen, den Satz von Ludwig Wittgenstein analysieren zu lassen: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“

Aber man hat sich in NRW für eine recht schillernde Autorin und Aktivistin entschieden. Dafür musste ihr in einschlägigen Szenen hochgejubeltes Buch mit dem sich selbst überhebenden Titel „Sprache und Sein“ aus dem Jahr 2020 herhalten. Ja, der Titel überhob sich selbst, denn es sollte wohl Martin Heideggers These von „Sprache ist das Haus des Seins“ assoziiert werden. Falls die Autorin mit Heidegger überhaupt etwas anzufangen weiß.

Geschrieben wurde „Sprache und Sein“ (Hanser Verlag 2020, 208 Seiten) also von Kübra Gümüşay. Siehe Verlagsvorschau und Buchauszug. Die Verfasserin ist eine 1988 in Hamburg geborene Enkelin eines türkischen Gastarbeiters.

Viel Nähe zu Erdogan und Co.

All dies wäre nicht der Rede wert, wenn die Autorin nicht seit Jahren viel Nähe zu islamischen, ja islamistischen Lobbygruppen praktizierte. Davon war in der NRW-Abituraufgabenstellung jedoch nichts zu lesen. Die Abitur-Aufgabensteller hatten sich wohl eher von den zahlreichen Jubelarien des Mainstreams beeindrucken lassen: Weil die „Aktivistin“ das Gendersternchen benutzt, antirassistischen Jargon pflegt und sich überhaupt gerne „gegen rechts“ verortet, steht sie für kirchliche, feministische und linke Kreise immer auf der guten Seite.

Klar, Gümüşay hat auch die entsprechenden Protektoren. Für die „taz“, für die sie lange Zeit Kolumnistin war, ist sie eine Feministin mit Kopftuch. In der Zeitung „Das Parlament“ (herausgegeben vom Bundestag und der Bundeszentrale für politische Bildung) wurde Gümüşay unter der Überschrift „Neue Wege für Musliminnen in Europa“ zu den muslimisch-feministischen Aktivistinnen gerechnet, die sich „aktiv in die Politik einmischen, um dort die Benachteiligung von (nicht nur) muslimischen Frauen anzusprechen“.

Das Deutschlandradio verbuchte Gümüşay im Jahr 2012 unter „Prägende Köpfe des Islams“. Matthias Matussek meinte in Spiegel online, Gümüşay trage das Kopftuch nicht aus Unterwürfigkeit, sondern aus Stolz. Sie wolle damit ihre Religion zeigen. Es sei ihre Form von Punk, ihre Form von Aufstand. Klar: Kübra Gümüşay schreibt sich ja Antirassismus und Feminismus auf die Fahnen. Vermutlich gehört sie auch deshalb zu den 49 Mitgliedern des obersten Organs der den „Grünen“ nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung.

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Aber wie weit ist es her mit Gümüşays Bekenntnis zu Antirassismus und Feminismus? Distanz zu Gümüşay ist bei den NRW-Abitur-Architekten jedenfalls nicht zu erkennen. Auch Alice Schwarzers Anfang 2018 geäußerte scharfe Kritik an Gümüşays Auffassung von Feminismus nicht. Nach gerichtlichen Auseinandersetzungen blieb als „zulässige Meinungsäußerung mit Tatsachenkern“ unter anderem Schwarzers Aussage, dass Gümüşay sich im Umfeld des Islamischen Zentrums Hamburg bewege. Ronya Othmann warf Gümüşay in der FAZ vom 11. April 2021 eine unreflektierte Nähe zur islamistischen Regierung Erdogans und zu Milli-Görus-Netzwerken vor, sowie zu ideologisch der Muslimbrüderschaft und Reformsalafisten nahestehenden Akteuren. Gümüşay habe vorgeschlagen, in deutschen Schulen neben Goethe auch den türkischen Dichter Kisakürek zu lesen.

Dieser ist Erdogans Lieblingsdichter. Eine Distanzierung zu Erdoğan und der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) lehnte Gümüşay freilich ab. Zudem hatte sich Gümüşay bereits 2012 in einer ihrer taz-Kolumnen darüber mokiert, dass die IGMG vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet werde. Othmann thematisierte ebenfalls Verbindungen zur Hilfsorganisation „Islamic Relief“, die der Muslimbruderschaft nahesteht. Auf solche Kritik reagiert Gümüşay gerne mit dem Vorwurf, sie komme von Weißen. Dass zu ihren Kritikern gerade auch liberale Muslime gehören, will sie nicht registriert haben, etwa die Kritik von Ahmad Mansour oder Seyran Ateş.

Die „Rheinische Post“ macht Gümüşay schier zur Ikone

Die altehrwürdige, vormals bürgerlich-konservative Rheinische Post ist dennoch schier begeistert von der Abituraufgabe. Eine Journalistin namens Dagmar Wienke meint:

„ … Kübra Gümüşay begeisterte im Zentralabitur 2022 in NRW Prüflinge im Deutsch-Leistungskurs … Sie bedankt sich freudig auf Instagram und die Reaktion der Geprüften dürfte sie erfreut haben („Ich küsse ‚euer‘ Herz, Abi LK Deutsch in NRW, 2022“) … Vielleicht ist in NRW die Schule ja doch moderner, als es den Anschein hat … Die Schülerinnen und Schüler heutzutage haben da anscheinend mehr Glück. Zumindest wenn sie Deutsch im Leistungskurs haben und Bücher lesen wie von Kübra Gümüşay … Es ist wohl ein seltener Moment, wenn Schülerinnen und Schüler über eine Abiturprüfung im Leistungskurs Deutsch jubeln, und die Reaktionen unter ihrem Post dürften die gebürtige Hamburgerin noch mehr gefreut haben … Ältere Jahrgänge sind neidisch. Viele Prüflinge bedanken sich. Eine Lehrerin hält das Buch für ‚grandios‘. Sie selber habe es im Leistungskurs-Unterricht in Auszügen als Material behandelt, weil sie es so wunderbar und gelungen fand … Die Themenauswahl der Abitur-Prüfungskommission in NRW macht auf jeden Fall Hoffnung, denn wenn Schülerinnen und Schüler sich für Unterrichtsstoff begeistern, ist der Lehrauftrag erfüllt.“

Kommentar überflüssig!

NRW: Kotau über Kotau vor dem Islam und muslimischen Lobbys

Was ist los in NRW, wo am 15. Mai gewählt wird? Die Sache mit der Abituraufgabe ist nicht der erste Kotau, den NRW, auch das schwarz-gelb regierte Bundesland zuwege bringt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit erinnern wir uns dreimal:

Erstens: Nachdem Laschet-Nachfolger und Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am 20. April 2022 das Kölner Projekt einer Zulassung des Muezzin-Rufes kritisiert hatte, weil „damit möglicherweise mehr Streit in die Gesellschaft getragen als der Integration gedient wird“, sagt er in der NZZ vom 24. April 2022: „Ein Muezzin-Ruf kann ein Beitrag zur Integration sein …“ (TE berichtete).

Zweitens: Im Mai 2021 entschied man sich in NRW, für die Ausgestaltung des Islamunterrichts in den Schulen eine Kommission zu bilden, der sechs muslimische Organisationen angehören. Darunter die aus Ankara und damit von Erdogan gesteuerte Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion – besser bekannt als DITIB.

Drittens: Im Philosophieunterricht am Gymnasium Alleestraße in Siegburg sollten Oberstufenschüler Anfang 2022 anhand eines offiziell zugelassenen Schulbuches folgende Frage diskutieren: „Ein türkischer Familienvater in Deutschland verheiratet seine Tochter ohne deren Einverständnis mit dem Sohn seines Bruders, um diesem eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland und damit eine Existenz zu sichern. Besprich die Situation mit deiner/m Tischnachbarin/Tischnachbarn. Welche Konflikte seht ihr darin?“ Nach wütenden Protesten aus der muslimischen Community wurde der Verlag des betreffenden Schulbuches zu dessen Überarbeitung aufgefordert. Chefin des NRW-Kultusministeriums ist Ministerin Yvonne Gebauer (FDP).

Viertens nun und ganz aktuell: Bereits in einer Abituraufgabe geht es um ein seltsame Gemengelage aus Kopftuch, Feminismus, Gender, Antikolonialismus und Antifaschismus. Kurz: Es geht um Indokrination.


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