Tichys Einblick
Heimholung von IS-Kämpferinnen

Von irrwitzigen Abschiebungen und riskanten Rückholaktionen

Von welcher Seite auch immer man die deutsche Migrationspolitik betrachtet, sie hat weder Hand noch Fuß, sondern ist von Willkür gezeichnet.

Ach wie schön: Kurz vor Weihnachten, zum Fest der Liebe und der Familie, holt eine Charter-Maschine im Auftrag des Auswärtigen Amts drei IS-Kämpferinnen, Dschihad-Frauen aus der kurdischen Gefangenschaft in Nordsyrien zurück nach Frankfurt. Zugleich muss in Hannover die 36-jährige Farah Demir gegen eine Abschiebung kämpfen – obwohl sie seit über 30 Jahren in Deutschland lebt, als Krankenpflegering momentan auf der Corona-Intensivstation arbeitet und unverzichtbar für das Gesundheitssystem ist.

Das klingt schon sehr stark nach verkehrter Welt, will ich meinen. Für mich ist dieses Vorgehen absolut unverständlich: Warum muss eine bestens integrierte Frau, die als junges Mädchen vor den Schrecken des libanesischen Bürgerkriegs nach Deutschland geflohen ist, hier als Krankenschwester tagtäglich im Einsatz gegen das Corona-Virus ist, Steuern zahlt und sich nichts hat zuschulden kommen lassen, plötzlich um ihr Aufenthaltsrecht bangen?

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Für mich ist das absolut unverständlich, ja beschämend. Erst eine Petition von Arbeitskollegen und Freunden brachte jetzt die Wende: Peinlich berührt rudert man in der Hannoveraner Behörde zurück, von Abschiebung plötzlich keine Rede mehr. Das Innenministerium von Niedersachsen habe der jungen Frau geholfen und die Ausländerbehörde zurückgepfiffen, wie die WELT berichtet.
Dieser Fall ist sinnbildlich für eine Asyl- und Einwanderungspolitik, der es an Rationalität und Nachvollziehbarkeit fehlt. Genau solch eine Politik können wir nicht gebrauchen. Uns allen ist bewusst, dass eine offene und freie Gesellschaft nur dann fortbestehen kann, wenn sie mit ruhiger Hand und kühlem Kopf gelenkt wird.

Es ist daher entscheidend, all denjenigen, die sich mit unseren Werten von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit identifizieren können, eine Bleibeperspektive zu bieten. Allen, die sich engagieren, die sich bemühen, sich mit unserer Sprache, unserer Kultur und unseren Werten vertraut machen, die in unserem Land eine Beschäftigung haben und danach streben, ein neues Leben in Frieden und Freiheit aufzubauen, denen sollte Deutschland eine Perspektive bieten können.

Wir brauchen eine kluge Migrationspolitik, die Potenziale erkennt und fördert. Wir brauchen eine Asylpolitik, die rechtschaffenen Menschen staatsbürgerliche Perspektiven eröffnen kann, sofern diese es wünschen.

Dafür brauchen wir zugleich aber auch große Wachsamkeit, denn es gilt schwarze Schafe zu erkennen und auszusortieren. Wie ich schon so oft gewarnt habe: Nicht wenige Dschihadisten und Fundamentalisten versuchen, als Flüchtlinge getarnt in unser Land zu kommen, um ihm zu schaden.

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Ich denke dieser Tage, kurz nach dem vierten Jahrestag des Attentats auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz, natürlich an den Täter Anis Amri. Auch er war als vermeintlicher Flüchtling nach Deutschland eingereist. Dass er nicht als schwarzes Schaf erkannt wurde, dass die Sicherheits- und die Ausländerbehörden ihn nicht durchgängig und lückenlos auf dem Schirm hatten, mussten elf Menschen am Abend des 19. Dezember 2016 mit ihrem Leben bezahlen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Fehler sich wiederholen. Und dennoch scheint mir, haben wir aus diesem schrecklichen Anschlag noch bei weitem nicht alle Lehren gezogen, die wir hätten ziehen können.

Nehmen wir als Beispiel die Rückholung dreier bekannter IS-Anhängerinnen aus den von der kurdischen YPG-Miliz kontrollierten Camps Al-Hol und in Roj in Nordsyrien am vergangenen Sonntag.

Wieso, frage ich mich, holen wir drei bekannte Dschihadistinnen, von denen wir genau wissen, dass sie sich freiwillig dem islamischen Staat (IS) angeschlossen haben, zurück, ohne dass ein Wort über elektronische Fußfesseln oder die Überwachung der Dschihad-Frauen gefallen wäre?

Lediglich eine der drei Frauen wurde bei der Ankunft am Frankfurter Flughafen festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Was ist mit den anderen beiden Dschihadistinnen und mit ihren Kindern? Auch gegen sie wird ermittelt. Aber werden die Frauen überwacht?

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Ich kann nicht verstehen, warum wir beim Einsatz von elektronischen Fußfesseln und anderen Überwachungsmethoden so zögerlich sind. Wieder einmal zeigt sich, hier wird keine kluge Politik gemacht, sondern fahrlässig eine Gefahr geschaffen, die uns allen in kürzester Zeit sprichwörtlich um die Ohren fliegen könnte.

Außerdem frage ich mich, was mit den Kindern passiert? Wurden sie von ihren Müttern getrennt? Das wäre die einzig richtige Maßnahme, um sicherzustellen, dass sie nicht weiter auf eine radikal-islamistische Bahn gelenkt werden. Ich verstehe zweifelslos die humanitäre Verpflichtung Deutschlands, diese Menschen aus den Gefangenencamps zurückzuholen, ganz besonders die Kinder. Aber diese Pflicht endet nicht mit der Landung des Charter-Fluges auf deutschem Boden.

Vielmehr besteht eine doppelte Schutzpflicht des Staates. Zum einen gegenüber den Kindern: Ihnen muss eine rechtsstaatlich-demokratische Perspektive zur Hass-Lehre des IS aufgezeigt werden. Es gilt, sie aus dem negativen Einflussbereich ihrer Mütter loszulösen, ihnen zu helfen, das Erlebte zu verarbeiten und neu anzufangen.

Zum anderen besteht eine Schutzpflicht gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern: Unsere Sicherheitsbehörden müssen garantieren können, dass von den zurückgeführten Frauen keinerlei terroristische Bedrohung mehr ausgehen kann.
Hierauf müssen unsere Behörden ihre Kräfte konzentrieren. Es geht bei kluger Migrations- und Sicherheitspolitik nicht darum, bestens integrierte und dringend benötigte Fachkräfte abzuschieben, sondern diejenigen zu überwachen, bei denen bekanntermaßen staatsgefährdendes Potential besteht.

Deswegen fordere ich: Hören wir endlich auf mit Klein-Klein-Politik und lassen wir die Sicherheitsbehörden ihren Job machen: Für unsere Sicherheit sorgen.

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