Es ist die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera: Lieber das Gas der Russen, die einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Europa führen, oder den Wasserstoff der Kataris, die Menschenrechte mit Füßen treten und Pate stehen für radikal-islamistischen Terrorismus?
Ich will nicht so tun, als ließe sich diese Frage einfach beantworten – ganz im Gegenteil: Unsere globalisierte Welt ist komplex. Wir müssen der Wahrheit ins Gesicht schauen, unverblümt und schonungslos: Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Auch wenn der Wind weht und die Sonne scheint, werden wir nicht allein mit unseren Energieressourcen auskommen, sondern sind auf Energieimporte und damit auch auf ausländische Partner angewiesen. Diese Wahrheit musste jetzt auch der grüne Bundeswirtschaftsminister erkennen.
Guten Morgen, Deutschland. Zynisch könnte man jetzt fragen: Na, gut geschlafen? Aber sind wir ehrlich: Die romantischen Träumereien von der schönen neuen Welt waren schon lange Luftschlösser erster Güteklasse. Der Krieg in der Ukraine holt auch unsere Ampelkoalitionäre zurück in die Wirklichkeit, auf den harten Boden der Tatsachen.
Bei aller Notwendigkeit eines raschen politischen Wandels dürfen wir nicht vergessen, wer uns freudig erregt die Hand hinstreckt: Das arabische Emirat Katar finanziert radikal-islamistische Terrorgruppen, gilt als treuer Unterstützer der in Deutschland völlig zurecht verbotenen Terrorgruppe Hamas und versorgt die Glaubensbrüder mit Waffen und Munition.
So unschön diese Wahrheit ist: Das Blut unzähliger unschuldiger Menschen, Frauen und Kinder klebt an den Händen, die nun der Bundeswirtschaftsminister ergreifen will. Im Bemühen um die Versorgungssicherheit möchte die amtierende Bundesregierung wohl nicht allzu wählerisch sein. Robert Habeck sieht in den Scheichs vom Persischen Golf das geringere Übel.
In meinen Augen ist das blanker Hohn: Es ist unfassbar, dass sich der Bundeswirtschaftsminister anmaßt, das Leid von Menschen gegeneinander aufzuwiegen. Natürlich macht uns der Angriffskrieg des russischen Machthabers Wladimir Putin betroffen – nicht zuletzt, weil er mitten in Europa tobt, praktisch vor unserer Haustür. Das Leid der Menschen, der Flüchtlinge und derer, die in den Kriegsgebieten gefangen sind, ist nach wie vor unermesslich – und umso beschämender ist die deutsche Zurückhaltung, hierauf zu reagieren.
Das Spiel der Kataris ist jedoch nicht minder gefährlich: Obgleich die Scheichs nicht selbst als Kriegsparteien auftreten, so sind sie doch die treibende Kraft hinter dem Dschihad verschiedener Islamistengruppen, deren Terroranschläge und Gewalt gegen die lokale Bevölkerung ebenso Angst und Tod bringen. Ich möchte mir nicht anmaßen, zwischen diesen Optionen zu entscheiden und empfinde es zugleich als vermessen, wie sich die Bundesregierung in Katar anbiedert. Ich will nochmals in aller Deutlichkeit sagen: Das ist beschämend.
Gerade in Zeiten des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs, in denen mitunter auch die Machtverhältnisse der westlichen Welt neu geordnet werden, dürfen wir nicht bei der erstbesten Gelegenheit unsere Werte, Prinzipien und Überzeugungen über Bord werfen. Ganz im Gegenteil: Gerade jetzt braucht es Standhaftigkeit.
Was könnte uns besser als Leitschnur in unsicheren Fahrwassern dienen als die Werte, die wir uns mit unserer Verfassung zu eigen gemacht haben: Freiheit. Demokratie. Rechtsstaatlichkeit. Die unbedingte Achtung der menschlichen Würde. Wer diese Werte nicht teilt, kann und darf für uns kein Partner sein. Das muss so deutlich gesagt werden. Und eben diese Deutlichkeit erwarte ich auch von der Bundesregierung.
Dass ein solches Rückgrat wohl aber zu viel verlangt ist, zeigt ein Blick auf des Deutschen liebstes Hobby: Während der FC Schalke 04 kurz nach dem Start der russischen Invasion den Schriftzug des Hauptsponsors Gazprom von den Trikots entfernen ließ und nun auch ein lukratives Angebot des russischen Ölkonzerns ausgeschlagen haben soll, schämt sich der FC Bayern München nicht dafür, den Schriftzug der staatlichen Airline Katars weiter auf seinen Trikots zu zeigen. Ich habe es schon mehrfach gesagt und wiederhole es gern wieder: Diese Doppelmoral ist zynisch und macht mich ebenso sprachlos wie wütend.
Jetzt ist die Zeit zu handeln, nicht nur im Fußball, sondern auch in der Politik. Wir müssen uns lossagen, von alldenjenigen, die unsere Werte mit Füßen treten. Dieser Prozess wird schmerzhaft und mitunter auch entbehrungsreich. Am Ende steht doch aber die eine Frage: Welchen Wert hat unsere Freiheit noch, wenn wir sie selbst abschaffen? Die Antwort sollte hoffentlich jedem klar sein.
Deswegen fordere ich einmal mehr: kein Ausverkauf unserer Werte, sondern entschlossenes und entschiedenes Handeln. Hierzu braucht es nur drei Buchstaben: MUT und TUN. Werte verkommen, wenn wir sie nicht leben. Leben heißt, ihnen täglich neuen Sinn einzuhauchen, sie zu verinnerlichen und uns zu eigen zu machen. Das ist unser Auftrag – gerade dann, wenn die See um uns herum rauer und stürmischer wird. Hier stellt sich die Scheidefrage: Halten wir Kurs oder versinken wir?