Ich habe es schon oft gesagt: Freiheiten sind gut und wichtig, aber sie können auch sehr ätzend sein. Das gilt insbesondere dann, wenn Freiheiten schamlos ausgenutzt und so verdreht werden, dass sie den rechtsstaatlichen Prinzipien zuwiderlaufen.
Diese Woche erreichte mich der wütende Bericht eines staatlich bezahlten Pflichtverteidigers – und das ist bei weitem nicht der erste dieser Art. Der Jurist erklärt darin, wie Asylbewerber beziehungsweise abgelehnte Asylbewerber die Garantien unseres Rechtsstaates gegen ihn einsetzen.
Der Pflichtverteidiger berichtet von einem Mandanten, der wegen mehreren Straftaten darunter Körperverletzung, Raubüberfall und Beamtenbeleidigung angeklagt sei. Bei dem Mann handelte es sich laut Angaben des Juristen um einen abgelehnten Asylbewerber, der jedoch wegen der laufenden Prozesse noch nicht abgeschoben worden sei. In der Bundesrepublik gilt nämlich, dass jedem Mann und jeder Frau, die auf deutschem Boden eine Straftat begeht, der Prozess gemacht werden muss. Das ist selbstverständlich im Interesse des Rechtsstaates, jedoch kollidieren hierbei zwei berechtigte Interessen: Auf der einen Seite steht das Abschiebeinteresse gegenüber abgelehnten Asylbewerbern, auf der anderen Seite das Strafverfolgungsinteresse.
Eine Kollision dieser beiden Interessen findet nicht etwa in einigen wenigen Ausnahmefällen statt, sondern ist mittlerweile ein häufig anzutreffender Interessenkonflikt, beklagen Journalisten, Juristen und Politiker gleichermaßen. Zugleich muss jedoch anerkannt werden, dass sich hier bereits einiges getan hat, um dieser Kollision entgegenzuwirken.
Weiter noch berichten Juristen davon, dass einige dieser Asylbewerber bewusst versuchen, in Untersuchungshaft genommen zu werden, um so auf Staatskosten eine Unterbringung zu erhalten und die Rückführung in ihr Herkunftsland für die Dauer des Prozesses hinauszuzögern.
Der besagte Pflichtverteidiger berichtet in seinem aktuellen Fall jedoch noch von einer weitaus größeren Dreistigkeit: So führt er aus, dass sein Mandat Gerichtstermine bewusst versäumt hätte, was nicht nur zu großem Verdruss geführt habe, sondern selbstverständlich auch immense Kosten zur Folge hat. Immerhin werden Richter, Staatsanwalt und Pflichtverteidiger einbestellt und sitzen dann verhandlungsunfähig im Gerichtssaal. Zusätzlich wurden für die Verhandlung gegen den abgelehnten Asylbewerber Zeugen und Übersetzer vorgeladen, darunter auch Polizisten, die ebenfalls unverrichteter Dinge von dannen ziehen mussten.
Auf Anordnung der vorsitzenden Richterin habe die Polizei versucht, den Aufenthaltsort des Angeklagten zu ermitteln, konnte ihn jedoch in seinem Asylantenheim nicht antreffen. Auch dieser kostspielige Einsatz blieb entsprechend erfolglos. Richter und Strafverteidiger berichten derweil, dass es sich hierbei keineswegs um einen Einzelfall handle, sondern bei besagten Angeklagten bereits zwei Ausreisen dokumentiert seien.
Die Richterin habe im vorliegenden Fall, so berichtet der Verteidiger abschließend, das Aufspüren und Inhaftieren des Mannes angeordnet, um den Strafprozess ordnungsgemäß führen zu können und den Ansprüchen des Rechtsstaats Genüge zu tun. Die Kosten für dieses heillose Durcheinander sind noch unklar. Klar ist aber, dass sie der deutsche Steuerzahler zu tragen hat – insbesondere, wenn es nicht zu einer Verurteilung kommt und dem Angeklagten daher die Verfahrenskosten nicht auferlegt werden können.
Mich schockieren derartige Berichte zutiefst, denn sie zeigen, wie unser Rechtsstaat gelinde gesagt an der Nase herumgeführt wird. Mir ist dabei völlig bewusst, dass die Politik in einem tiefen Dilemma steckt, denn es kann weder das Ziel sein, die Freizügigkeit innerhalb der EU einzuschränken noch einem Straftatverdächtigen ein rechtsstaatliches Verfahren zu verweigern.
Auch mit dem Migrationspaket hat die Bundesregierung weitere Wege für eine rasche Abschiebung freigemacht. Dadurch soll es Asylbewerbern erschwert werden, sich einer Abschiebung zu entziehen, wenn ihr Asylantrag abgewiesen wurde. Der amtierende Bundesinnenminister Horst Seehofer arbeitet zudem an einer gesetzlichen Regelung, die den Konflikt zwischen Strafverfolgungsinteresse und Abschiebeinteresse in Einklang bringen soll, nicht zuletzt auch durch bereits geschlossene Rückführungsabkommen mit verschiedenen Staaten in und außerhalb der Europäischen Union.
Zudem setzt sich die Union seit vielen Jahren verlässlich und erfolgreich dafür ein, das Justizsystem und die Strafverfolgungsbehörden durch mehr Personal und bessere Ausrüstung zu stärken und für die vielfältigen Aufgaben im Zusammenhang mit der humanitären Mission Flüchtlingshilfe zu wappnen.
Nichts desto trotz gilt es, die bestehenden Gesetze weiter zu optimieren und die Gangart gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern weiter zu verschärfen. Der Rechtsstaat ist gefordert, hier klare Kante zu zeigen und das kann nur mit starken Gesetzen, einer starken Justiz und einer breiten öffentlichen Unterstützung gelingen. Deshalb wird die Politik auch weiterhin gefordert sein, eine Null-Toleranz-Grenze aufzuzeigen und Schlupflöcher zu schließen. So wird der Rechtsstaat gestärkt und zugleich unsere Freiheiten bewahrt. Das wünsche ich mir.