Es ist ein Skandal. Es ist ein Sicherheitsfiasko. Es ist eine peinliche Sicherheitspanne. Was sich am Samstagmittag am Hannoveraner Flughafen ereignet hat, ist eine unverzeihliche Sicherheitsbedrohung, wie ich sie mir nur wenig schlimmer ausmalen könnte und die sich wohl kein Hollywoodregisseur erträumen könnte: Ein einzelner Mann durchbricht mit seinem Auto ein Zufahrtstor zum Flughafen und gelangt ungehindert bis unter eine Maschine – mitten auf das Rollfeld eine belebten Flughafens.
Dieser Vorgang lässt mich fassungslos zurück. Ich kann nicht verstehen, wie ein derart gravierender Zwischenfall überhaupt passieren konnte. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, welche Auswirkungen dieser „Durchbruch“ am Flughafen hätte haben könnten. Mit Verlaub, ich bin froh, dass es bei ausgefallenen und verspäteten Flügen geblieben ist.
Ich möchte an dieser Stelle ganz bewusst aufzeigen, welch ungeheure Sprengkraft ein derartiges Versagen der Sicherheitsmaßnahmen haben kann – und das, so leid es mir tut, im wahrsten Sinne des Wortes. Stellen wir uns vor, es hätte sich bei dem Fahrer um einen Terroristen gehandelt, der das Tor und sämtliche Schutzvorrichtungen durchbrochen hätte. Stellen wir uns einmal vor, das Auto hätte Sprengstoff enthalten, dann wäre eine rollende Bombe im Herzen eines Flughafens platziert gewesen. Ein Horror-Szenario! Ein weiteres ebenso schreckliches Szenario: Ein Bewaffneter im Fahrzeug, steigt aus, stürmt eines der Flugzeuge und entführt dieses. Wohin hätte uns das geführt? Ein zweites 9/11? Ein zweites Landshut inklusive tagelangem Irrflug?
Ich bin froh und dankbar, dass die Situation so glimpflich verlief und die Bundespolizei den Täter überwältigen und die Gefährdung eindämmen konnte. Für mich darf hier aber nicht Schluss sein, wir dürfen nicht erleichtert aufatmen und weitermachen wie zuvor. Jetzt müssen Konsequenzen gezogen werden – schnell, konkret, effektiv!
Es ist schon eine Absurdität, ja eine Farce: Wasser, dass ich am Flughafen gekauft habe, darf ich nicht mit ins Flugzeug nehmen aber einem Autofahrer gelingt es mit seinem Fahrzeug auf das Rollfeld zu kommen, als wäre es ein offenes Feld und die Zäune offenkundig durchlässig wie ein Schweizer Käse. Ich möchte keineswegs die Sicherheitskontrollen am Flughafen in Frage stellen. Diese sind gut, sinnvoll und absolut notwendig. Sie garantieren uns ein Stück Sicherheit – eine der vornehmsten Aufgaben, die ein Staat hat: Sicherheit garantieren. Aber die Vorfälle vom Wochenende haben uns auch gezeigt, dass Nachholbedarf besteht.
Es ist nahezu unmöglich geworden, auf einem Weihnachtsmarkt zu gehen, ohne an Betonpollern, Sperrketten und Fahrzeugsperren vorbeizumüssen. Eine Schande, dass es so weit gekommen ist. Eine noch viel größere Schande aber, dass an einem Flughafen eben das möglich war: Ungebremst bis auf das Rollfeld. Das sollte, nein, das muss uns wachrütteln. Wir müssen reagieren. Ich frage mich, wo die Verantwortlichen sind. Worte des Bedauerns und des Bereuens – schön und gut, aber wo sind die Taten, die Reaktionen? Wir müssen derartige Sicherheitsbedrohungen sofort und effektiv abstellen. Gerade an schwer gefährdeten Orten wie Flughäfen, Messehallen, Bahnhöfen und stark frequentierten öffentlichen Plätzen müssen wir präventiv vorgehen, den Schutz und die Kontrolle verbessern ohne dadurch Freiheiten einzuschränken, denn letztlich gilt es ja genau diese zu verteidigen.
Wir müssen aber auch schon weit vorher ansetzten. Ich werde diese Forderungen immer und immer wieder wiederholen, immer und immer wieder vorbringen und immer und immer wieder für ihre Umsetzung plädieren: Gefährder müssen konsequent abgeschoben werden. Rechtstaatliche Mittel im Kampf gegen sämtliche Formen des Extremismus, Terrorismus oder Dschihadismus müssen gezielt und ohne Scheu eingesetzt werden. Unsere Sicherheitsbehörden brauchen die bestmögliche Ausstattung, sowohl im Hinblick auf Material als auch im Hinblick auf Rechte und Befugnisse, um unsere offene, tolerante, demokratische, fried- und freiheitsliebende Gesellschaft zu verteidigen.
Hier dürfen wir nicht am Geld, an der Motivation oder der notwendigen Härte sparen. Wenn notwendig müssen wir hierfür zusätzliches Steuergeld aufwenden, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Dazu rufe ich alle Verantwortlichen, alle Politikerinnen und Politiker, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen auf. Zeigen wir gemeinsam, dass Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit keine Relikte längst vergangener Tage sind, sondern die Fundamente unsere Gesellschaft und dass wir diese verteidigen werden. Koste es was es wolle. Auch hier im wahrsten Sinne des Wortes.
Wir stehen an der Schwelle zum neuen Jahr. Nutzen wir dieses neue Jahr als Jahr, in dem wir uns auf unsere Werte und unsere Ziele besinnen. Blicken wir auf den Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält und uns stark macht: Das sind unsere Werte und die Menschen, die diesen Werten ein Gesicht geben und ihnen täglich Inhalt verleihen: Im sozialen Ehrenamt, als Lehrer oder Rettungskräfte! Sicherheit und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen auch im kommenden Jahr die Maxime unseres Handelns sein, denn auch das kommende Jahr wird diese Werte, wird unsere Einheit und Brüderlichkeit auf die Probe stellen.
Ich wünsche uns allen, dass wir dafür bereit sind. Dass wir uns nicht unterkriegen lassen, sondern mutig vorweggehen. In Europa und weltweit. Halten wir unsere Werte hoch, zeigen wir der Welt, dass sie uns stark machen und wir bereit sind, diese Werte zu verteidigen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes neues Jahr, Gottes reichen Segen und viel Glück und Erfolg in allem, was Sie sich vornehmen.