Tichys Einblick
Aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt

Sieben islamistische Anschläge seit dem Breitscheidplatz-Debakel verhindert

Die deutschen Sicherheitsbehörden haben die Gangart gegen den Islamismus verschärft. Ermittlungen werden schneller und intensiver geführt. Richtig so.

Ein LKW, der in eine Menschenmenge auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Fuße der Gedächtniskirche rast. Es gibt 11 Tote und 55 Verletzte. Der Attentäter: Anis Amri. Die deutschen Ermittlungsbehörden wurden offenbar von den marokkanischen Kollegen vor Amri gewarnt, haben ihn sogar zeitweise observiert – und konnten keine Anhaltspunkte für die Vorbereitung terroristischer Aktionen finden. Wie wir heute wissen, handelt es sich hierbei um einen fatalen Fehler. Seit jenem 19. Dezember 2016, an dem der post mortem als „Soldat des IS“ bezeichnete Amri einen Sattelzug auf den Weihnachtsmarkt steuerte, sitzen der Schock, die Trauer und die Fassungslosigkeit tief im Gedächtnis der Deutschen. Das Weihnachtsmarkt-Attentat hat auf schmerzliche Art und Weise gezeigt, dass radikale Islamisten, Salafisten, Fundamentalisten und Dschihadisten die Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik Deutschland bedrohen und massiv gefährden.

Ich habe schon lange vor dieser Gefahr gewarnt und bei jeder möglichen Gelegenheit darauf hingewiesen, dass die Bedrohung durch islamistisch gesinnte Fundamentalisten keine abstrakte Schwarzmalerei, sondern eine sehr reale Gefährdung unserer inneren Sicherheit darstellt. Warnungen, die sich leider bewahrheitet haben.

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Heute, knapp drei Jahre später, wissen wir es alle besser. Die Sicherheitsbehörden, allen voran der Verfassungsschutz, haben ihren Blick nochmals deutlich geweitet und nehmen das islamistische und dschihadistisch gesinnte Lager mit seinen deutschen Anhängern nun sehr viel genauer unter die Lupe. Die Anstrengungen, die salafistische Szene in Deutschland vermehrt zu beobachten, wurden massiv verstärkt. Die Sicherheitsbehörden gehen nun deutlich entschiedener und konsequenter gegen Salafisten und islamistische Fundamentalisten vor. Bereits bei einem begründeten Anfangsverdacht gegen Anhänger der islamistischen Lager in unserem Land ist die Gangart deutlich verschärft worden und die Ermittlungen in diesem Feld werden deutlich schneller und intensiver geführt, als es noch vor einigen Jahren der Fall war.

Für mich ist das die absolut und einzig richtige Vorgehensweise. Und eine erfolgreiche noch dazu: Wie BKA-Chef Münch kürzlich mitteilte, konnten durch diese neue Wachsamkeit sieben radikalislamistisch motivierte Anschläge seit dem Berliner Attentat verhindert werden. Dabei wurden vermutlich unzählige Leben gerettet und auf eine sehr vorbildliche Weise unser aller Freiheit und Sicherheit verteidigt. Der Chef des Bundeskriminalamts verspricht außerdem, ein Anschlag wie 2016 könne es in dieser Form in Deutschland nicht noch einmal geben. Um dies zu verhindern, habe man den Informationsaustausch zwischen den Bundesländern und internationalen Partnern nochmals intensiviert und verfolge zudem einen personenorientierten Ansatz, der jede einzelne bekannte Person mit einer individuellen Bewertung der Gefährlichkeit und der Bereitschaft zu terroristischen Aktionen in den Blick nimmt.

Dass durch diese Maßnahmen sieben radikalislamistische Anschläge verhindert werden konnten, ist für alle Sicherheitsbehörden ein großer und hart erarbeiteter Erfolg. Dafür möchte ich den stillen Helden, die Tag für Tag in unabdingbarer Anonymität und mit großer Entschlossenheit unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen, meinen allergrößten Dank aussprechen. Aus den Fehlern der Vergangenheit wurde eindeutig gelernt und die Ermittler haben viel Energie, Zeit und Ressourcen investiert, damit sich diese Fehler auf keinen Fall wiederholen können. Dafür verdienen sie unser aller Respekt und unsere tiefempfundene Dankbarkeit.

An dieser Stelle sei daher gesagt: Die Sicherheitsbehörden, die Polizei, der Verfassungsschutz und das BKA machen in Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnern einen hervorragenden Job in Sachen Terrorismusbekämpfung. Ich hoffe, dass sie auch weiterhin so entschieden und erfolgreich unsere Sicherheit verteidigen werden. Wir alle wissen: Freiheit braucht Sicherheit – die Ermittler und Polizeibeamten verteidigen unsere Sicherheit, damit die in der Verfassung garantierte Freiheit keine leere Floskel, sondern täglich neu Privileg und Mahnung zugleich bleibt.

Die Leistung der Behörden ist besonders beeindruckend, wenn wir uns der Tatsache bewusstwerden, dass sich die Zahl der islamistischen Gefährder seit 2013 auf aktuell 680 erhöht hat. Damit ist sie zwar niedriger als im vergangenen Jahr, in dem von weit über 750 islamistischen Gefährdern ausgegangen wurde, nichts desto trotz stellt jeder einzelne dieser Gefährder ein nur schwer kalkulierbares Risiko für unsere Sicherheit dar. Die Sicherheitsbehörden sind also auch weiterhin stark gefordert, die radikal-islamistische und salafistische Szene genauestens im Auge zu behalten, um weitere Anschläge zu verhindern.

Dass dies notwendig ist, haben wir zu Beginn des Monats in Frankreich erleben müssen. Mittlerweile ist sich die französische Generalstaatsanwaltschaft sicher, dass es sich bei dem Mann, der in der Pariser Polizeipräfektur vier Kollegen getötet und weitere verletzt hat, um einen Anhänger des radikalen Islamismus handelt. Die Bedrohung, die Europa durch den radikalen Islam erfährt, ist also keinesfalls gebannt und schwebt täglich weiter wie ein Damoklesschwert über unserem Kontinent.
Zudem ergibt sich aktuell eine neue, sehr bedrohliche Lage: Durch die – mittlerweile dank einer Feuerpause zumindest zwischenzeitlich eingestellten – Kämpfe zwischen den Kurden-Milizen und der Türkei in Nord-Syrien ist es offenbar einer noch unbekannten Anzahl von IS-Terroristen gelungen, aus den kurdischen Inhaftierungslagern zu entkommen. Dies hat das Auswärtige Amt bestätigt.

Für mich ist völlig klar, dass diese wohl mehrere dutzend entkommenen „Gotteskrieger“ eine immense Gefährdung für Europas Sicherheit bedeuten. Die entkommenen Islamisten sind zutiefst frustriert von der Niederlage des IS und beschämt von der Gefangenschaft bei den Kurden. Kurz gesagt: Sie dürsten nach Rache. Die Schuldigen sehen sie dabei im Westen, der es den Kurden erst möglich gemacht hat, den Siegeszug des Gottesstaates der Dschihadisten aufzuhalten.

Diese IS-Kämpfer werden also unweigerlich den Weg nach Europa einschlagen, jedoch nicht um hier als gemäßigte Muslime zu leben, sondern um die Freiheit unserer Gesellschaft aufs Neue massiv zu bedrohen. Auf diese neue Gefährdungslage müssen wir gefasst sein, denn die neue Bedrohung durch IS-Rückkehrer aus dem Dschihad, die in der kurdischen Haft vermutlich nichts von ihrem abscheulichen und menschenverachtenden Gedankengut eingebüßt haben, wird sehr bald in Europa ankommen.

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Ich hoffe, dass unsere Sicherheitsbehörden schnellstmöglich gute und effektive Maßnahmen, Mittel und Wege finden werden, dieser neuen Gefahr zu begegnen. In diesem Zusammenhang bin ich zutiefst erfreut über die jüngste Ankündigung unseres Außenministers Heiko Maas, der deutsche Gefährder nun schnellstmöglich zurückholen und vor Gericht stellen möchte. Für alle in der Haft verbliebenen Dschihadisten ist das die einzig richtige Möglichkeit.
Lassen Sie mich hier nur sagen: Es muss schnell, aber geordnet gehen. Für politische Sperenzien, wie die monatelange Blockade der SPD, das Staatsbürgerschaftsgesetz zu reformieren und so die Ausbürgerung von IS-Kriegern zu ermöglichen, haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen handeln und so auf die neue Gefährdungslage reagieren.

Sieben islamistische Terroranschläge konnten die Behörden in den letzten drei Jahren verhindern und sie haben dabei viel aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt – jetzt dürfen sie nicht nachlassen. Meine Warnungen gelten nach wie vor unangefochten: Die Freiheit und die Sicherheit unseres Landes stehen auch in Zukunft auf dem Spiel – und die Gefährdung ist unabhängig von der reinen Zahl der islamistischen Gefährder weiterhin immens. Es gilt also, wachsam zu bleiben und unsere Werte von Grund auf zu verteidigen, denn Wachsamkeit, frühestmögliche Intervention und eine auf freiheitlichen Werten basierende demokratische Grundhaltung sind die schärfsten Waffen, die wir gegen die Islamisten, IS-Schergen und Salafisten nutzen können – und nutzen müssen.

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