Tichys Einblick
Recht durchsetzen

IS-Rückkehrer dürfen in Deutschland und in Europa nicht Fuß fassen

Der IS mag zwar militärisch und politisch besiegt sein – seine Ideologie ist es jedoch bei Weitem nicht. Sie lebt in den Köpfen der ehemaligen Kämpfer und aller Dschihadisten weiter.

Der IS ist weitestgehend besiegt, sein Kalifat in langem, kräfteraubendem Kampf zu Boden gerungen und die Gefangenen des IS befreit. Also alles Friede, Freude, Eierkuchen? Mitnichten: Deutsche IS-Auswanderer sitzen in kurdischer Haft und müssen gemäß geltendem Recht nach Deutschland zurückgeholt werden. Aber wie weiter? Darüber ist eine große gesellschaftliche Debatte entbrannt – zu Recht.

Elektronische Fußfesseln für Gefährder
IS-Rückkehrer ohne deutsche Staatsbürgerschaft konsequent an der Einreise hindern
Ich habe schon einmal meine Bedenken und meine Besorgnis über die IS-Rückkehrer kundgetan. Aus Kreisen der Bundesregierung wurde ja bekannt, dass gegen 21 deutsche Kämpfer des Islamischen Staats Haftbefehle in der Bundesrepublik vorlägen. Diese Dschihadisten würden also bei einer Wiedereinreise oder Rückholung aus kurdischer Gefangenschaft unmittelbar inhaftiert. 19 dieser 21 Personen gelten nach Angaben der deutschen Sicherheitsbehörden sogar als „islamistische Gefährder“. In Syrien befinden sich laut Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden 66 deutsche Staatsbürger, die dem IS-Kalifat angehört haben, in Haft.

Vor der Gefahr, die von diesen Rückkehrern ausgehen wird, habe ich bereits seit langem gewarnt. Der IS mag zwar militärisch und politisch besiegt sein – seine Ideologie ist es jedoch bei Weitem nicht. Sie lebt in den Köpfen der ehemaligen Kämpfer und aller Dschihadisten weiter. Der Hass, die Aggression gegen „Kuffar“ (Ungläubige) und die pure Mordlust wurde den Kämpfern eingetrichtert und haust in den Tiefen ihrer Psyche. Die niederträchtigen Ideologien und Ideale des IS wurde allen eingeimpft, die für den IS tätig waren – egal ob als Kämpfer oder Kriegs-Strategen, als Propaganda-Filmer oder Frauen zur Beglückung der Kämpfer. Auch Rückkehrerinnen stellen eine keineswegs zu unterschätzende Bedrohung für unsere Sicherheit dar. Gerade diese Tatsache und Wahrheit muss uns allen klar sein.

Ich bin daher erfreut, dass sich aus Berlin nun vernehmen lässt, dass alle Handlungen im Zusammenhang mit dem IS, also auch nicht-bewaffnete Aktivitäten, als Kampfhandlungen eingestuft und entsprechend in Deutschland unter Strafe gestellt werden können, da hierfür bereits ein Straftatbestand im Strafgesetzbuch besteht. Weiter steht gemäß § 219a StGB auch die bloße Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung unter Strafe und kann mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren geahndet werden.

Freiheit braucht Sicherheit
Berliner Politik darf nicht weiter die innere Sicherheit vertrödeln
Nichts desto trotz muss ich beklagen, dass die Schaffung klarer Verhältnisse verschlafen wurde – insbesondere auf Verantwortung der sozialdemokratischen Justizministerin in Berlin, Katarina Barley, hin: Über Monate soll sie, wie bekannt, einen entsprechenden Gesetzentwurf blockiert und ausgebremst haben. So ist wertvolle Zeit verloren gegangen, denn Straftaten, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begangen wurden, können aufgrund unserer feinen rechtsstaatlichen Regeln nicht juristisch belangt werden.

Bitte liebe Leserinnen und Leser, verstehen Sie mich nicht falsch: Ich lobe mir unseren Rechtsstaat – schließlich ist es eben diese Ordnung, die ich zu verteidigen suche und die wir alle kompromisslos verteidigen müssen. Dennoch plädiere ich dringend dafür schnellstmöglich weitere juristische Mittel zu schaffen, die gegen IS-Rückkehrer angewandt werden können. Den Vorschlag der Bundesregierung, IS-Rückkehrern mit doppelter Staatsbürgerschaft den Verlust dieser anzudrohen und entsprechend auch herbeizuführen, halte ich für berechtigt.

Unsere Gesellschaft muss keine Massenmörder und selbsternannte Gotteskrieger, die unsere Freiheiten gefährden, in ihrer Mitte akzeptieren. Zugleich möchte ich aber klarmachen, dass wir zu diesem Zweck nicht unsere eigenen Werte verraten dürfen. So dürfen wir keinen Staatsbürger in die Staatenlosigkeit entlassen – auch für Terroristen und Massenmörder, Salafisten und Dschihadisten gilt das Grundgesetz, dass den Entzug der Staatsangehörigkeit in Artikel 16 GG verbietet, nicht aber deren Verlust. Ich fordere die verantwortliche Justizministerin in Berlin auf, dem Bundeskabinett zügigst einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, der endlich Rechtssicherheit im Verfahren mit Rückkehrern, auch für zukünftige Fälle, schafft.

Frauen als IS-Kämpfer
Neue Bedrohung: Dschihad der IS-Kämpferinnen in Deutschland
Auf unsere Justiz kommen mit den IS-Rückkehrern große Herausforderungen zu: Welche Tatbestände können tatsächlich nachgewiesen werden? Wie kann mit rechtsstaatlichen Mitteln auf die islamistische Bedrohung reagiert werden? Welche Strafmaße können errungen werden? Geben wir unseren Richterinnen und Richtern das bestmögliche Rüstzeug an die Hand, Recht zu sprechen und unsere Demokratie vor ihren Feinden zu bewahren.

Wir dürfen nicht blind oder taub sein. Die Gefahr, die von IS-Rückkehrern ausgeht, ist real und alles andere als gering. Wir sind daher auch als gesamte demokratische und freiheitsliebende Gesellschaft gefordert, dem Hass die Demokratie, der mörderischen Verblendung die Freiheit und der Rechtslosigkeit der IS-Schergen den Rechtsstaat entgegenzusetzen. Unsere Demokratie ist stark genug diese Herausforderungen zu bewältigen, wenn wir es nur wollen: Nicht mit lauten Schreien und stumpfen Parolen, aber mit klarer, fester und beharrlicher Stimme, die Aufmerksamkeit gefolgt von konkreten Handlungen fordert.

Es gilt, was schon Jean-Paul Sartre wusste: Wir sind zur Freiheit verdammt. Das gilt insbesondere, wenn wir erkennen müssen, dass unsere Freiheit auch für Demokratiefeinde und Dschihadisten gilt. Zugleich sind wir aber auch zur Freiheit gerufen. Ich wiederhole mich gerne: Das Grundgesetz beispielsweise gibt jedem Deutschen das Recht zum Widerstand gegen alle, die eine Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung beabsichtigen (Art. 20 Abs. 4 GG). Diese Möglichkeit ist also unser gutes Recht im Rechtsstaat, der wir Gott sei Dank sind. Dieser Rechtsstaat darf keine Schwäche zeigen – insbesondere nicht gegenüber denen, die uns schwächen wollen.

Freiheiten brauchen Sicherheiten, juristische Sicherheit auf der einen Seite, ebenso wie Sicherheit durch zivilgesellschaftliches Engagement für die Freiheit und Rückhalt für den Rechtsstaat auf der anderen Seite. Zu diesem juristisch-gesellschaftlichen Zweiklang rufe ich alle Politikerinnen und Politiker, ebenso wie alle Bürgerinnen und Bürger auf. Geben wir IS-Rückkehrern keine Möglichkeit hier in Deutschland und in Europa Fuß zu fassen und ihre verderbliche Ideologie weiter zu verbreiten.

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