Tichys Einblick
Dilemma der Angst

Große Scheu vor der Rassismus-Keule

Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat treffend auf den Punkt gebracht: „Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg. Deshalb gehört zu ihr der Respekt vor der Meinung des anderen.“

Salafismus, Dschihadismus, Radikalislam und politischer oder religiöser Extremismus: Unsere Gesellschaft ist dann in Gefahr, wenn nicht genug Bürgerinnen und Bürger bereit sind, für sie einzutreten und sich den Bedrohungen unserer Freiheit von Innen und Außen mutig entgegenzustellen. Vielleicht aus Lustlosigkeit. Vielleicht aus Belanglosigkeit. Vielleicht aus Bequemlichkeit. Vielleicht aus einer „Sollen-mal-die-anderen-machen-Mentalität“. Wahrscheinlich aber auch aus Angst.

Man muss es sehen wollen!
Salafistische Einflüsse in Schulen nehmen zu – Teil 1
Ich glaube, dass das engagierte Eintreten für unsere Gesellschaft und ihre Werte oftmals an der Angst der Bürgerinnen und Bürger scheitert. Es ist eine Angst vor Ausgrenzung oder vor dem Unverständnis, auf welches das Handeln des einzelnen treffen könnte. Diese Angst, oder sei es auch nur ein leichtes Unbehagen, führt letztendlich in ein gesellschaftliches Dilemma, in dem wir uns unlängst befinden: Auf der einen Seite brauchen wir mutige und engagierte Bürger, die für ihre Überzeugungen und unseren Rechtstaat eintreten, auf der anderen Seite aber schieben wir häufig eine falsch verstandene Toleranz vor und verhindern damit nicht selten das engagierte Eintreten für unsere Gesellschaft.

Es gibt scheinbar Meinungen, die man öffentlich nicht vertreten darf oder Argumente, die man in einer ordentlichen Debatte nicht beziehungsweise nicht mehr nutzen darf. Der Dank dafür gebührt der „politischen Korrektheit“. Für mich, mit Verlaub, absoluter Schwachsinn. Natürlich dürfen wir in unseren Äußerungen und Argumentationen nicht ausfällig werden, bestimmte Personen oder Personengruppen oder am Ende gar historische Tatsachen, wie das Massenmorden der Nationalsozialisten, verleugnen.

Handeln
Ein wehrhafter Staat muss zum Schutz seiner Bürger Stärke zeigen
Das hat meiner Meinung nach aber auch kein echter Demokrat vor. Viel wichtiger ist es doch, dass die freie Meinungsäußerung Grundmerkmal unserer Demokratie ist. Es geht eben darum, seine Meinung Kund zu tun und für seine Überzeugung einzutreten, eben auch gegen Widersprüche und auch bei Gegenwind. Es liegt in der persönlichen Freiheit eines jeden einzelnen, seine Auffassung der Dinge zu vertreten und dafür einzustehen, gerne auch mit anderen zu streiten, um den richtigen Weg oder das richtige Maß. Denn das ist der Weg, in dem eine Demokratie ihre Entscheidungen fällen sollte: Friedlich, im gegenseitigen Respekt und in einem fairen Dialog.

Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat das treffend auf den Punkt gebracht: „Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg. Deshalb gehört zu ihr der Respekt vor der Meinung des anderen.“

Toleranz ist demzufolge also nicht, mit der eigenen Meinung zurückzustecken, sondern vielmehr diese – im gleichzeitigen Respekt der Meinung des anderen – offen und ehrlich und mit voller Leidenschaft zu vertreten. Darum geht es in meinen Augen in einer Demokratie, wie Deutschland eine ist. Wir dürfen keine Angst vor einer falsch verstandenen Toleranz haben und aus Rücksichtnahme auf diese falsche Toleranz unsere eigene Meinungsäußerung einschränken. Wir müssen nur so tolerant sein, anzuerkennen, dass es neben unserem Weg noch andere Wege gibt, die womöglich anders oder gar besser zum Ziel führen können. Es ist also nicht verkehrt, auch eine gewisse Flexibilität an den Tag zu legen, um sich nicht festzufahren und die eigene Meinung ständig zu erweitern und neu zu überprüfen.

Dokumentation: Kopftuchverbot
Ismail Tipi: Online-Petition für Kopftuchverbot bei Mädchen in Schulen
Nichts desto trotz beobachte ich, dass in vielen Teilen unserer Gesellschaft gerade die Angst vor einer falsch verstandenen Toleranz vorherrscht. Ich sehe es besonders schmerzlich beim Blick auf meine Onlinepetition für ein Kopftuchverbot bei jungen Mädchen unter 14 Jahren in allen deutschen Schulen. Während diese rechtsstaatlich einwandfreie und für unsere Gesellschaft sehr förderliche Petition bis jetzt gerade mal 13 Prozent (6.760) des notwendigen Quorums von 50.000 Unterschriften erreicht hat, hat die Gegenpetition der Scharia-Anhänger und der Salafisten mit weit über 112.000 Unterstützern bereits mehr als genug Unterschriften, um das Quorum zweifach zu erfüllen.

Hier spürt man deutlich die Angst vor der Rassimus-Keule. Die Fundamentalisten, Salafisten oder Scharia-Sympathisanten können mit wenigen Knopfdrücken und einem Aufruf in einer Moschee Menschenmassen mobilisieren, sich in großer Zahl und mit viel Engagement für eine rechtsstaatlich und auch nach muslimischen Recht mehr als fragwürdige Petition einzusetzen. Hier würden sich wohl die wenigsten trauen, offen und unverblümt zu sagen, dass es sich bei der Petition gegen das Kopftuchverbot um eine reine Propaganda und Stimmungsmache gegen unseren Rechtsstaat und unsere Religionsfreiheit handelt.

Rechtsstaatlichkeit wahren!
Scharia-Recht und Paralleljustiz dürfen sich in Deutschland nicht festsetzen
Merken Sie, wie hier die falsch verstandene Toleranz die Rassismus-Keule schwingt? Merken Sie, wie hier unsere Scheu missbraucht wird, um gegen unsere Überzeugungen zu agieren und gedeckt durch die Religionsfreiheit gegen den Rechtsstaat zu arbeiten? Ich kann mir regelrecht vorstellen, welche Freude es den radikal-extremistisch gesinnten Islamisten bereiten muss, zu sehen, wie unser Rechtsstaat versagt. Es muss ein Fest sein, zu sehen, wie unser Mut zur Freiheit auf dem Altar der falsch verstandenen Toleranz verglüht und nichts als einen kläglichen Haufen Asche übriglässt, der in der Hand der Demokratiegegner verstreut werden kann.

Ich warte auf den Aufschrei der Rechtschaffenden, der Demokraten, der Freiheitsliebenden. Wo bleibt dieser Aufschrei? Tagtäglich setzte ich mich für den Erfolg dieser Petition und damit für die Sicherung unseres Rechtsstaats ein. Ich hoffe stark, dass sich mir die freiheitsliebenden Demokraten anschließen und nicht aus Angst vor der Rassismus-Keule bereits sprichwörtlich die Biege gemacht haben. Es ist nicht das Ziel der Religionsfreiheit, den Rechtsstaat einzuschränken. Für unser Land gibt es klare Spielregeln, an die wir uns alle halten müssen. Dazu gehört auch die Regel, dass jeder seine Religion frei ausüben darf. Dies schließt allerdings nicht aus, dass ein allgemeines und nach rechtstaatlichen Maßstäben legitimes Gesetz, wehrlose minderjährige, junge Mädchen vor der Unterdrückung durch ein Kopftuch, durch ein mobiles Stoffgefängnis schützt.

Verweigerung des Handschlags
Salafistische Einflüsse in Schulen nehmen zu – Teil 3
„Zur Freiheit verurteilt“ nennt es Sartre. Die Freiheit kann wahrlich eine Bürde sein, wenn sie falsch aufgefasst wird. In Deutschland tendieren leider viele dazu, in einer „Multi-Kulti-Romantik“ die falschverstandene Freiheit überzubewerten. Dabei verfehlen sie den wahren Kern unserer Freiheit: Nämlich die Möglichkeiten, mit denen uns der Rechtsstaat ausgestattet hat, um unsere Freiheit zu verteidigen.

Wir müssen uns bewusst machen, dass das Grundgesetz vor dem Missbrauch unserer Freiheiten schützt. Artikel 18 unserer Verfassung regelt, dass die freiheitlichen Grundrechte nicht eingesetzt werden dürfen, um gegen unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu arbeiten. Andernfalls gelten die Grundrechte für die Gegner der Demokratie als verwirkt. Haben wir also keine Angst unsere Meinung im Rahmen der verfassungsmäßigen Regeln unseres Landes zu vertreten. Machen wir uns nicht zu Sklaven einer falschen Toleranz und schrecken wir nicht vor der Rassismus-Keule zurück. Es ist wichtig, eine klare Stellung zu beziehen, wenn Feinde unserer Freiheit eben diese als Deckmantel benutzen. Dazu rufe ich alle auf. Lassen Sie uns Flagge zeigen, für unsere Überzeugung, für die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie.


Ismail Tipi: Zur Online-Petition für ein Kopftuchverbot bei Mädchen in Schulen
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