Fake-News, Alternative Facts und gezielte Desinformation – Diese Gefahren werden von den unbegrenzt scheinenden Möglichkeiten des Internets befeuert. Die Verbreitung von „Fake-News“ kann mittlerweile innerhalb von wenigen Sekunden erfolgen: Ein Tweet, ein Foto, ein Post – schnell geteilt über die sozialen Netzwerke, innerhalb von wenigen Sekunden abrufbar auf der ganzen Welt. Die Veröffentlichung von Nachrichten unterliegt einer unfassbaren Dynamik, die wir selbst oft gar nicht mehr wahrnehmen – oder vielleicht auch gar nicht wahrnehmen wollen.
Bei dieser rauschenden Geschwindigkeit, mit der sich das Nachrichtenkarussell heute dreht, fällt es besonders leicht, gezielte Desinformationen in den wahren Informationsdschungel einzuschleusen und so Meinungsmache für eine bestimmte Sache zu machen. Ob die Falschmeldung als solche enttarnt wird, scheint dabei oft zweitrangig zu sein, wenn sie nur vorher genug Menschen erreicht, die sich empören, aufwiegeln – und die Meldung weiter teilen.
Das Kind ist damit sprichwörtlich bereits in den Brunnen gefallen, denn auch wenn Fake-News als solche enttarnt werden, haben sie bis dahin ihren Zweck meist erfüllt: Sie haben Angst gemacht, Hass geschürt oder Anlass zur Empörung geliefert – und diese bleibt, auch nach der Enttarnung der Falschmeldungen.
Jüngst zeigt ein Fall in Erfurt, wie die Stimmungsmache mit Fake-News funktioniert: Auf der Plattform Facebook wird ein Bild hochgeladen, auf dem ein blutüberströmter Mann mit verstümmelten Armen ohne Hände in einem Hausflur zu sehen ist. Dazu schreibt der Urheber des Posts: „Merkels neue Kinder hacken Deutschen beide Hände ab… Und nix in Nachrichten oder sonst was, wird alles tot geschwiegen! Würd Zeit das man was dagegen tut.. Es kann jeden Treffen auch euch Gutmenschen und Bahnhofsklatscher!!!!“
Die Thüringer Polizei stellt schnell klar: Hier handelt es sich um gezielte Desinformation, die mit dem Ziel gestreut würde, „die öffentliche Meinung gegenüber Migranten negativ zu beeinflussen“. Laut den Angaben der Behörde sei das Bild bereits mehrere Tage zuvor nach Streitigkeiten zwischen einer Mutter mit ihrem erwachsenen Sohn entstanden. Dieser habe sich im Zuge der körperlichen Auseinandersetzung an einer Glastür stark verletzt, wodurch die Blutungen hervorgerufen wurden und er sich in den Hausflur zurückzog.
Hier wurde er, wie auf dem Foto zu sehen, von einem Unbeteiligten versorgt. Die Hände habe man auf dem Foto nachträglich heraus retuschiert, um eine drastischere Wirkung zu erzielen. Bewusst habe der Urheber dann die Meldung in einen falschen Kontext gerückt, um sie für seine Zwecke zu missbrauchen. Die Polizei stellte außerdem klar, dass es sich bei dem vermeintlichen Opfer, nicht um das Opfer, sondern den Aggressor der Auseinandersetzung handle und gegen ihn wegen wiederholter Gewaltausübung gegenüber seiner Mutter ermittelt würde.
Dieser Fall zeigt, wie schamlos die Macht der (sozialen) Medien missbraucht wird, um politische Stimmungsmache zu betreiben. Dass hierfür bewusst Nachrichten gefakt und Bilder fingiert werden, ist eine unfassbare Abscheulichkeit.
Der Rechtsstaat ist hier gefordert, die Grenzen der Freiheit im World Wide Web aufzuzeigen. Das Netz kann und darf eben kein rechtsfreier Raum sein, in dem jeder behaupten, posten und streamen kann, was er will. Das Internet kann eine Plattform sein, über die Menschen miteinander in Kontakt treten, sich austauschen und gerne auch kontroverse Diskussionen austragen können. Klar ist aber, dass es hierbei fair zugehen muss.
Es kann nicht sein, dass die Möglichkeiten des Netzes missbraucht werden, um hier falsche Nachrichten zu verbreiten und so Stimmung gegen einzelne gesellschaftliche oder politische Gruppen zu machen, zu hetzen oder Ängste zu schüren.
Ich fordere daher, dass allen, die im Internet bewusst und vorsätzlich Fake-News oder „alternative facts“ verbreiten, nachgegangen wird. Hier müssen strafrechtliche Konsequenzen folgen, denn nur so kann unterbunden werden, dass diese Menschen auch zukünftig durch ihre auf einem Lügenkonstrukt basierende Meinungsmache Unsicherheiten und Ressentiments schüren. Die Freiheit dieser Menschen muss an dem Punkt enden, an dem sie die Freiheit des Internets missbrauchen, um so die Freiheit aller einzuschränken.
Das Netz muss ein offener und lebendiger Ort des Austausches bleiben, denn nur so kann es integraler Bestandteil unserer Demokratie sein. Wenn wir es schaffen, dass wir das Internet als Plattform für einen faktenbasierten Meinungsaustausch begreifen und als solche zu nutzen lernen, dann kann das World Wide Web integraler Bestandteil unseres demokratischen Gemeinwesens sein, weil es dem Internet vielleicht besser als jeder anderen Institution gelingt, Menschen miteinander zu verbinden, verschiedenste Meinungen, Kulturen und Positionen zu einem Austausch anzuregen.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen Journalisten und Redakteuren bedanken, die sich von Berufswegen einer offenen, unvoreingenommenen und faktenbasierten Berichterstattung verschrieben sehen. Euch will ich sagen: Ihr verteidigt Tag für Tag durch eure ehrliche und gute Arbeit die Freiheit und die Demokratie. Dafür gebührt euch Respekt und Anerkennung. Ich wünsche allen, die sich um Informationsfreiheit und einen unvoreingenommenen Dialog bemühen, viel Kraft und Erfolg für ihr Tun.
Unsere Demokratie setzt jedoch auch auf den mündigen Bürger. Daher gilt an uns alle der Appell, uns nicht zu schnell, etwa von einem Tweet oder einem Post, in eine Richtung lenken zu lassen. Zur Informationsfreiheit gehört auch, dass wir selbst unsere Informationen prüfen, indem wir verschiedene Quellen zu Rate ziehen, die Seriosität jeder einzelnen Quelle für uns bewerten und ihre Meldung dazu in Relation setzen können. Der Kampf gegen Fake-News ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, mit der wir Demokratie und Freiheit verteidigen. Hierfür fordere ich ein entschiedeneres Durchgreifen der Behörden und den Einsatz der Zivilbevölkerung, um die Urheber von Fake-News in die Schranken zu weisen.