Seit Jahrzehnten hat sich in unserer Politik eine Doppelmoral manifestiert, die kaum noch zu ertragen ist. Daher muss man der Grünen-Vorsitzenden fast dankbar sein, dass sie ihre Version der Doppelmoral so klar und deutlich an den Tag gelegt hat, als sie sich über den angeblichen Rassismus der Kölner Polizei durch die Verwendung der Abkürzung „Nafri“ (Nordafrikanische Intensivtäter) empörte. Spätestens seit diesem Zeitpunkt hat der moralische Zeigefinger, der in Deutschland nur zu gerne erhoben wurde, um seinen Gegenüber mundtot zu machen, einen Teil seiner Wirkung verloren.
Ein Blick zurück zeigt, wie absurd diese Doppelmoral inzwischen ist. So ist es seit 1994, höchstrichterlich bescheinigt, kein Problem, die Aussage „Soldaten sind Mörder“ zu rufen oder als Aufkleber, Sticker etc. zu verwenden. 2015 urteilten die Gerichte, dass allgemeine Beleidigungen gegenüber der Polizei nicht strafbar sind, dadurch waren Aufkleber wie „FCK CPS“ oder die Verunglimpfung „Bulle“ legitimiert. Und erst im letzten Jahr urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass der Ausruf ACAB „All Cops Are Bastards“ (Alle Polizisten sind Bastarde) von der Meinungsfreiheit gedeckt und nur als Beleidigung zu verstehen ist, wenn man damit einen Polizisten direkt anspricht. Gleichzeitig wird man aber mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft, wenn man dabei erwischt wird, wie man auf Sylt eine Strandburg baut. Das kann eine Strafe mit einem Bußgeld von bis zu 1.000 Euro nach sich ziehen. Auch für eine falsch befüllte Mülltonne können im schlimmsten Fall bis zu 50.000 Euro Strafe fällig werden, da kennt unsere Obrigkeit kein Pardon.
Wenn es aber darum geht, wirkliche Probleme klar zu benennen oder Tätergruppen mit Abkürzungen zu versehen, dann wird man sehr schnell zu einer moralisch fragwürdigen Person in Teilen der deutschen Politik und Medienlandschaft. Geht es aber darum, unsere Soldaten und unsere Polizisten vor Anfeindungen zu schützen, dann wird unser Rechtsstaat plötzlich zaghaft und kleinlaut. Es ist diese Art von Doppelmoral, die auch zur Erosion des Vertrauens in unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie geführt hat.
Auch im Fall des islamistischen Terrors fällt immer wieder auf, das mit zweierlei Maß gemessen wird. Ein schönes Beispiel hierfür ist der Landesinnenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger. Sein Bundesland ist schon lange beliebte Heimstätte und Sammelbecken für islamistische Extremisten, denn dort scheint es fast unmöglich, dass Radikalislamisten für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Vor dem Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags erklärte Herr Jäger, dass man den IS-Terroristen Anis Amri aufgrund eines ausreichenden Anfangsverdachts nicht festsetzen konnte. Dabei hatte Anis Amri die Behörden nicht nur mit seinen 14 Identitäten belogen, sondern auch zu Unrecht Sozialhilfe kassiert, war gegen die Auflagen zwischen Berlin und NRW immer wieder hin- und hergefahren, hatte feste Kontakte in die IS-Szene, betonte mehrfach seine Bereitschaft zu Selbstmordanschlägen und suchte im Internet nach Anleitungen zum Bombenbau. Das alles habe für einen Anfangsverdacht nicht gereicht. Kommt aber jemand auf die Idee, seine GEZ-Gebühr nicht zahlen zu wollen, dann droht ihm direkt eine Gefängnisstrafe.
Solange wir weiterhin so dramatisch falsch mit zweierlei Maß messen, werden wir weitere Nägel in den Sarg von Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit treiben. Dann wachen wir auf und stellen fest, dass wir in einer gelenkten Demokratie oder unter einem Autokraten leben, und Andersdenkende, Schwule und Lesben, Mitbürger mit ausländischen Wurzeln (wie ich sie habe) und jüdische Mitbürger (die Judenfeindlichkeit nimmt auch heute schon in Deutschland teils dramatische Ausmaße an) für ihre Ansichten und Lebensweisen verfolgt und drangsaliert werden dürfen.