Wer mich kennt, der weiß, dass ich eine Frohnatur bin. Ich bin ein Mensch, der immer das Positive sehen möchte und für den es nie zu spät ist, Hoffnung zu haben, dass sich doch noch alles zum Guten wendet. Nicht selten wird mir daher nachgesagt, ein unverbesserlicher Optimist oder gar ein Träumer zu sein. Zugleich verstehe ich mich aber auch als wachsamen Mahner, als Rauchmelder, der versucht, Gefahren frühzeitig zu erkennen und davor zu warnen.
Vielleicht kommt daher meine große Faszination für die Feuerwehr und ihren Einsatz: Frauen und Männer, die mutig und selbstlos einschreiten, sich in Gefahr begeben, um anderen das Leben zu retten. Im Herzen bin ich also ein Feuerwehrmann, der dort helfen will, wo meine Hilfe nötig ist. Mal als mahnende Stimme, mal als „Anpacker“, mal als Vordenker. Ich weiß, dass es all diese Eigenschaften braucht, für unser Land. Und ich weiß, dass ein fröhliches Gemüt und ein unerschütterlicher Optimismus dem keinesfalls im Wege stehen, sondern vielmehr die Kraft liefern können, zu kritisieren, anzupacken und neu anzufangen.
Das liegt bei weitem nicht nur an der Corona-Krise, die das Nachrichtengeschehen seit Februar nahezu ununterbrochen vollständig und auf allen Kanälen bestimmt. Dieses Jahr hatte viele Höhen und Tiefen, auf die wir nun zum Jahresende zurückblicken. Und ebenso ermöglicht uns diese Zeit Ausblicke, auf das, was kommen kann, und erinnert uns, dass wir es selbst in der Hand haben, die Zukunft unserer Gesellschaft, unserer Demokratie und unseres Zusammenlebens zu gestalten. Und, sehen Sie es mir nach, werte Leserinnen und Leser, dass ich mir trotz aller berechtigten Kritik, aller Schwierigkeiten und Herausforderungen, den Optimismus doch nicht nehmen lasse.
Gute Nachrichten aus Taiwan
Eine wunderbare und erfreuliche Nachricht kommt zu Beginn des Jahres aus Taiwan. Der kleine Inselstaat im Pazifik gilt als Gegenpol zur Großmacht China, als Garant der Demokratie und als unbändiger Zwerg, den die chinesische Führung nur allzu gern wieder unter ihren Fittichen hätte. Als Vorsitzender des Freundeskreises Hessen-Taiwan e.V. pflege ich zahlreiche Kontakte zu Regierungsvertretern und Bürgern in Taiwan und fühle mich dem Land sehr verbunden. Umso erfreulicher war es, als Mitte Januar die amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen von der regierenden Demokratischen Progressiven Partei (DPP) mit einer überwältigenden Mehrheit von rund 57,1 Prozent aller Stimmen in ihrem Amt bestätigt wurde.
Damit hat Taiwan einmal mehr klargemacht, dass man sich die hart erkämpften demokratischen Privilegien nicht nehmen lassen, sich unter keinen Umständen den Drohungen der chinesischen Führung beugen würde. Ein starkes Signal für Freiheit und Demokratie mit Vorbildcharakter für unser Land: Wir täten gut daran, häufiger nach Taiwan zu schauen, die Demokratiebegeisterung und den Durst nach Freiheit, der auf der „grünen Insel“ überall gegenwärtig ist, auch bei uns wieder neu zu entfachen.
In Hongkong ist das gelungen: Taiwan hat die dortige Demokratiebewegung inspiriert und den Menschen Zuversicht geschenkt, weiter gegen die chinesische Obrigkeit zu kämpfen und sich nicht unterkriegen zu lassen, die demokratischen Privilegien der Sonderverwaltungszone nicht aufzugeben.
Schreckensmeldung aus Hanau
Gerade einmal fünf Minuten fährt man von Mühlheim am Main, der nördlichsten meiner vier Wahlkreisstädte, nach Hanau. Umso betroffener und fassungsloser machten mich die Anschläge, die sich am Abend des 19. Februar in der Brüder-Grimm-Stadt ereigneten.
Unweigerlich ruft die Hanauer Gewalttat Erinnerungen an den ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke hervor. Schmerzlich wird uns einmal mehr bewusst, dass Rassismus und Rechtsextremismus noch entschlossener bekämpft werden müssen. Mehr noch: Wir müssen uns entschieden gegen alle Formen des Extremismus stellen, wir müssen mit aller Kraft gegen alle Feinde der Freiheit kämpfen. Das bedeutet zweifelsohne einen entschiedenen Kampf gegen Rechtsextremismus, wie er an vielen Stellen mit zahlreichen Projekten schon geführt wird – gerade und ganz besonders auch in Hessen. Das bedeutet aber auch, einen Kampf gegen Linksextremisten, Islamisten, Salafisten und Fundamentalisten.
In den Tagen nach dem Anschlag erleben wir zweierlei Phänomene, die fast charakteristisch für dieses Jahr scheinen: Auf der einen Seite eine Polarisierung, eine Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses und schwere verbale Attacken auf Journalisten und Politiker, die mahnen, sich nicht spalten zu lassen, sich nicht in Schuldzuweisungen zu verrennen und keine Form des Extremismus, auch nicht den Linksextremismus, zu unterschätzen. Wir erleben auf der anderen Seite aber auch, wie die Menschen vereint in ihrer Trauer und ihrer Wut zusammenrücken, wie sie zusammenstehen, um dem Hass der Extremisten etwas entgegenzusetzen.
Was uns Hanau, übrigens ebenso wie Taiwan, lehrt: Nicht aufhören für Demokratie und Freiheit zu kämpfen. Andersartigkeiten aushalten. Die Offenheit und Freiheit des Diskurses bewahren. Auf keinem Auge blind sein. Einer eindimensionalen, einengenden und voreingenommenen Betrachtungsweise der Dinge eine klare Absage erteilen. Und schließlich: Verschiedenheit und Vielfältigkeit in bester demokratischer Manier auch als Chance zu begreifen.
Covid-19 – Die erste Welle
Im Frühjahr kommt das Corona-Virus auch in Europa und Deutschland an. Etwa mit Beginn der christlichen Fastenzeit vor dem Osterfest setzt auch eine andere, deutlich längere Zeit der Einschränkung und des Verzichtes ein.
Sorge bereitet im März und April vor allem der Blick zu unseren europäischen Nachbarn. Italien und Spanien kämpfen ganz besonders schwer mit dem Corona-Virus und wissen sich nur mit harten Maßnahmen zu helfen. Die Mortalitätsrate schnellt in die Höhe, Krankenhäuser und Pflegeheime kommen schnell an ihre Grenzen: Mediziner müssen in Windeseile Entscheidungen treffen, die man keinem Menschen zutrauen will: Wer darf leben? Wer muss sterben? Für wen haben wir ein Beatmungsgerät und eine Behandlungsmöglichkeit? Und wem bleibt diese verwehrt?
Während in vielen Staaten der Kampf um das blanke Überleben tobt und das Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps steht, ergreift auch Deutschland Maßnahmen im Kampf gegen das Virus. Schul- und Ladenschließungen, Reduzierungen im Öffentlichen Nahverkehr und die Pflicht zum Tragen von Mund-Nasenbedeckungen sind fortan unsere Begleiter.
Während einige resignieren und drohen, die Hoffnung zu verlieren, kurbelt das Virus andernorts die Kreativität an. Es entstehen neue Ideen und Initiativen, einander zu helfen, gemeinsam durch die Krise zu kommen und neue Wege des Zusammenlebens zu finden. Einkaufshilfen werden aus dem Boden gestampft, Apotheken- und Fahrdienste organisiert, Begegnungen von Pflegeheimbewohnern mit ihren Liebsten per Videokonferenzen ermöglicht.
Ein zweiter, positiver und bemerkenswerter Effekt: Der Respekt wächst. Viele Berufsgruppen, die tagtäglich als „Engel des Alltags“ herausragendes leisten, rücken in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit: Ärzte, Kranken- und Altenpfleger, Polizisten, Feuerwehrleute, Apotheker, Verkäufer in Supermärkten und Bäckereien, Kinderbetreuer, Lehrer, Bus- und Bahnfahrer, Mandatsträger und Regierungen – sie alle erfahren jetzt eine große Aufmerksamkeit und eine überwältigende Dankbarkeit. Ich erinnere mich gern und auch stolz an die Bilder des Frühjahrs: Applaus von den Balkonen für diejenigen, die dafür sorgen, dass unser Gemeinwesen auch in Zeiten der Corona-Krise nicht in die Knie geht.
Eines zeichnet sich aber schon jetzt ab, was uns noch lange beschäftigen wird: Es braucht Durchhaltevermögen, alle müssen mitziehen, um das Virus zu besiegen. Und ganz besonders bedarf es den Schutz vulnerabler Gruppen, das bedeutet vor allem vorerkrankter und alter Menschen.
Feuerwehr im Fadenkreuz
In der Nacht vom 28. auf den 29. Mai 2020 erreichen mich unfassbare Nachrichten: In Dietzenbach, einer Stadt meines Wahlkreises, werden Feuerwehrleute bei einem Einsatz angegriffen und mit Steinen beworfen. Wie sich später herausstellt, wurde in der Großwohnanlage Rosenpark, einem Hochhaus-Komplex des Spessartviertels, vorsätzlich ein Feuer gelegt, um die ehrenamtlichen Rettungskräfte in die Falle zu locken. Von einem Parkdeck aus bewerfen bis zu 50 unbekannte Täter, Augenzeugenberichten zufolge vornehmlich Jugendliche, die angerückten Rettungskräfte und ihre Fahrzeuge mit Steinen. Auch Molotow-Cocktails sollen vorbereitet worden sein. Über zwei Stunden dauert die Attacke. Wie durch ein Wunder wurde keine Einsatzkraft verletzt, es entstand jedoch ein Sachschaden von über 150.000 Euro.
Klar ist für mich, dass es sich hier um die Aktion einiger schwarzer Schafe handelt, die dem Ansehen eines gesamten Wohnquartiers schaden. Die Motivfrage ist keine Frage von Bildungsferne, die dem Starkenburgring früher häufig vorgeworfen wurde, sondern eine Frage der Gesinnung. Bei den Angreifern herrscht eine Gesinnung vor, die weder Respekt noch Anstand kennt, die unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat zuwiderläuft. Schonungslos wird uns vor Augen geführt, wozu Teile unserer Gesellschaft fähig sind. Fassungslos bleibt die überwältigende Mehrheit zurück, verurteilt die Täter, fordert härtere Strafen. Und dennoch bleibt die Attacke von Dietzenbach bedauerlicherweise nicht der einzige Angriff auf Rettungskräfte in diesem Jahr.
Gewaltnächte von Stuttgart und Frankfurt
Die Polizei, die Freund und Helfer sein, für Sicherheit sorgen und die Durchsetzung von Recht und Gesetz garantieren soll, gerät in diesem Jahr gleich mehrfach ins Zentrum des öffentlichen Interesses.
In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2020 wird die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart zum grausigen Schauplatz eines Verbrechens. Aus einer scheinbar harmlosen Polizeikontrolle eines 17-Jährigen entwickelte sich eine schier unfassbare Dynamik: Trotz gültiger Corona-Beschränkungen hatten sich mehrere hundert Menschen versammelt und große Teile der anwesenden „Partyszene“ solidarisierten sich schlagartig mit dem auf Drogenbesitz kontrollierten Jugendlichen gegen die Polizeibeamten.
Aus dieser Lage heraus zogen zahlreiche Gruppen Jugendlicher in Richtung Innenstadt, wo sie randalierten, Steine und Flaschen warfen, Fensterscheiben zerstörten und zahlreiche Geschäfte auf der bekannten Einkaufsmeile Königsstraße plünderten. Die Zerstörungswut richtete sich insbesondere auch gegen die Polizeibeamten. 37 Polizisten wurden verletzt, ein Dutzend Streifenwagen teilweise schwer beschädigt. Zum Höhepunkt waren bis zu 500 Personen auf der Täterseite in die Krawalle verwickelt. In der Nacht wurden vielfach Rufe wie „fuck the police“, „fuck the system“ oder „ACAB – All Cops are bastards“ laut.
Was mich besonders erschüttert hat, war nicht nur die Krawallnacht als solche, sondern vor allem das Echo, das diese gefunden hat. Zahlreiche Politiker versuchten die Krawallmacher und Randalierer in Schutz zu nehmen, ihre Taten zu relativieren. Deswegen, und das kann in meinen Augen nicht oft genug geschehen, muss wiederholt werden: Bei den Angriffen von Stuttgart ging es nicht um jugendlichen Leichtsinn oder um „Frust-Ablassen“. Was hier vorgefallen ist, war ein Akt blanker Anarchie und entfesselter, ruchloser Gewalt gegen unsere Staatsdiener. Wer versucht, diese Angriffe kleinzureden, wer gar beabsichtigt, die Treter, Steinewerfer und Pöbler des Stuttgarter Mobs in Schutz zu nehmen, oder gar öffentlich die Polizei als Schuldige darstellt, der macht sich an den zwölf verletzten Beamten ebenso schuldig wie die Angreifer selbst.
Es ist geradezu beschämend, wie im Nachgang versucht wurde, den Beamten eine Mitschuld anzudichten. Sie sind es, die die Opfer dieses Verbrechens wurden, weil sie sich tagtäglich für die Einhaltung der Gesetze stark machen, für die Sicherheit kämpfen und diese verteidigen.
Ich will nicht verharmlosen, dass es auch in der Polizei schwarze Schafe gibt. Gerade die in diesem Jahr aufgekommenen rechtsextremen Verdachtsfälle innerhalb der Polizei sind nicht hinnehmbar und beweisen auf traurige Art und Weise, das hiervor auch staatliche Organe nicht gefeit sind. Dennoch handelt es sich um einzelne schwarze Schafe. Die überwältigende Mehrheit der Polizisten steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes und setzt sich tagtäglich für dessen Verteidigung ein.
Nur wenige Wochen nach der Stuttgarter Krawallnacht wiederholen sich Angriffe auf Polizeibeamte in Frankfurt am Main. Abend für Abend versammeln sich auf dem Opernplatz feierwütige Partygänger, von Abstandhalten und Hygieneregeln keine Spur.
Die Polizeibeamten rufen Verstärkung hinzu. Auch diese wird schon bei der Anfahrt mit Flaschen und Steinen beworfen, wobei die Streifenwagen beschädigt werden. Erst mit zwei Polizeiketten gelingt es, den Platz zu räumen und 39 Tatverdächtige festzunehmen.
Keine 24 Stunden später befinden sich 31 Festgenommene wieder auf freiem Fuß, während Polizeipräsident Gerhard Bereswill bei einer Pressekonferenz von einem „Hagel von Flaschenwürfen“ berichtet. Ein pikantes Detail der Pressekonferenz am Sonntagmittag, über welches mehrere Medien übereinstimmend berichten: Anders als in Stuttgart spricht die Frankfurter Polizei erstmals davon, dass es sich bei den Festgenommenen und Flaschenwerfern vorwiegend um „Männer mit Migrationshintergrund“ handele.
Für mich ist es egal, ob es sich bei den Tätern um Deutsche oder Migranten handelt – unsere Justiz darf hier keinen Unterschied machen. Egal welchen Pass diese Täter besitzen, jetzt müssen wir klare Kante zeigen. Für einen Schmusekurs und „Der-wird-sich-schon-noch-ändern“-Strafen ist keine Zeit mehr.
Trotz all dieser Widrigkeiten, trotz aller Angriffe und Beleidigungen, verrichten die Polizeibeamten tagtäglich weiter ihren Dienst. Sie sorgen unter anderem für die Durchsetzung der Maskenpflicht, räumen in einem mühsamen Prozess den Dannenröder Forst von Besetzern, die sich mit waghalsigen Aktionen selbst in Lebensgefahr begeben, oder sorgen dafür, dass Verbrecher hinter Gitter kommen. Dafür verdienen die Beamten unsere Dankbarkeit, wohl ganz besonders in diesem schwierigen und außergewöhnlichen Jahr.