Am 10. November, also am letzten Samstag, schloss die CIIE (China International Import Exhibition) in Shanghai. 400.000 registrierte Messebesucher aus über 100 Ländern, 300.000m2 Ausstellungsfläche, 2.800 Aussteller aus der ganzen Welt. Dazu der Komplettumbau der Messeumgebung, in der ich selbst wohne. Verschwunden alle letzten Straßenhändler, verschwunden alle kleinen Geschäfte entlang der Straße, verschwunden alle Schmuddelecken. Das meiste davon musste neuen Straßen und Großparkplätzen, 17 an der Zahl, Platz machen. Was man nicht abriss, wurde mit einer Mauer versiegelt. Wer dort ein Geschäft führte, kam gerade noch rechtzeitig heraus. Wer Glück hatte, durfte hinter neuer Fassade neu eröffnen. Zehntausende von Polizisten in verschiedenen Schichten sorgten dafür, dass eine der größten Infrastrukturmaßnahmen in Shanghai nach dem Ende der Expo 2010 reibungslos lief, jeder an roten Ampeln stehenblieb, E-Scooter-Fahrer in die richtige Fahrtrichtung fuhren. Doch die wirkliche Leistung für die Supermesse schafften wie immer kleine Frauen und Männer mit gelben Helmen und in hellblauen oder orangenen Arbeitsanzügen. Früher trugen sie nur einen Abrisshammer in sehnigen, starken Händen, heute bedienen sie einen Maschinenpark. Ihre Aufgabe ist die gleiche geblieben: Das Land zu verändern – ohne innezuhalten.
Der chinesische Staat mit seinen Menschen kann alles erreichen, was er sich als Ziel gesetzt hat. Das ist die Botschaft, das chinesische Glaubensbekenntnis – Chinas Gegenstück zum „American Creed“, dem Glaubensbekenntnis der Amerikaner zu „Freiheit und Liberalismus“. Seit Trump ein arg in Mitleidenschaft gezogenes Glaubensbekenntnis. Wir Deutschen, die wir an nichts glauben und eigentlich nur an allem zweifeln, können uns da nur die Augen reiben: „Yu Gong kann Berge versetzen“ war eine der Lieblingsgeschichten des Großen Vorsitzenden Mao Zedong (1893-1976). Sie ist die erste Geschichte, die Chinas Führer Xi Jinping seinen Landsleuten in seinem Lesebuch „Xi Jinping erzählt Geschichten“ vorträgt. Ja Onkel Xi erzählt seinem Volk Geschichten, jeden Tag und immer wieder. Darin unterscheidet er sich von vielen deutschen Politikern, die keine Geschichten mehr zu erzählen haben oder diese Kunst niemals beherrschten.
Weniger wachsen – mehr Geld ausgeben
Globaler E-Commerce via Taobao (Alibaba) und Jingdong (jd.com) macht vielen Menschen hierzulande die Welt mit immer mehr Produkten konsumierfähig. Die Importmesse sollte zeigen, was die Welt so zu bieten hat. Eine gewaltige Demo-Show des Möglichen, bei der die Deutschen mal wieder den dicksten Deal eingefahren haben: Die Taurus 30, eine riesige Fräsmaschine der Coburger Firma Waldrich war das schwergewichtigste Ausstellungsstück auf der Messe und konnte an eine chinesische Firma verkauft werden. Dagegen wirkte der weitreichendste Deal, abgeschlossen mit einem Firmenkonsortium aus Kenia, das Blumen und Pflanzen nach China exportiert, wenig spektakulär. Doch es signalisiert einen Trend: China will mehr Grün und Kenia soll es liefern. Ein afrikanisches Land macht den größten Abschluss. Ein Ergebnis mit Symbolkraft. Dazu später noch mehr.
Deutschland ist noch gut vertreten
Mit 170 beteiligten Unternehmen war Deutschland auf der Messe stark vertreten – trotz beständiger Klagen (darin sind wir Deutschen ja notorisch gut) über die mangelnde Fairness beim „Marktzugang“ in China, wollte doch keiner der wichtigen deutschen Unternehmer auf Präsenz in Shanghai verzichten. Stattdessen Lobeshymnen aus deutschen Mündern: Bosch-Vertreter schmeichelten Xi, dass er sich für Fairness beim Kampfthema „Schutz des geistigen Eigentums“ immer besser engagiere. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann beschwor schon am Abend des 8. Januar im Deutschen Generalkonsulat seine mitgereiste Entourage, doch „mit China zu wachsen“. Ohne China läuft der Laden, den wir Wirtschaft nennen, einfach nicht. Politiker und Wirtschaftsvertreter applaudieren beim Berge versetzen. Denn daran wollen, daran müssen sie teilhaben.
Belt-and-Road-Initiative 2018: China schaltet das Weltgetriebe – Europas Bedeutung schrumpft
Die wichtigste Story dieser Tage ist, dass China kompromisslos daran arbeitet, den höchsten Berg der Welt zu versetzen. Der heißt nun „Globalisierung made by China“. Xi Jinping nannte das Unternehmen „eine innovative und alles einschließende Weltwirtschaft aufbauen.“ Der Motor zu diesem Konzept ist „Die Belt-and-Road-Initiative“, uns besser bekannt als „Die Neue Seidenstraße“ – eine geopolitische Maßnahme, die als Instrument dazu dient, den Traum der „Globalisierung chinesischer Prägung“ zu betreiben.
Noch ist „unser“ Europa nicht verschwunden – allein schon Deutschlands wegen nicht – doch es schrumpft. Der Prozess ist in vollem Gange. Schaue ich aus dem Fenster vor meinem Schreibtisch, dort, wo ich diese Zeilen schreibe, sehe ich unter vielen Chinesen, wenigen Europäern, mehr und mehr Inder, Pakistani und Afrikaner in der immer internationaleren Wohngemeinschaft. Auch das ein Trend unserer Tage in China.
Erläuterungen zum Beitragsbild:
Das Kleeblatt links unten ist die Messehalle von Shanghai (2 km von der Wohnung des Autors entfernt). Der Panda war das CIIE-Maskottchen. Die Schriftzeichen lauten wörtlich:
„Die neue Ära Xi Jinpings – Gedanken zum Sozialismus chinesischer Prägung.“
Oben rechts in kleinen schwarzen Schriftzeichen: die 12 sozialistischen Grundwerte, die China heute leiten: „Wohlstand“, „Demokratie“, „Zivilisiertheit“, „Harmonie“, „Freiheit“, „Gleichheit“, „Gerechtigkeit“, „Herrschaft des Gesetzes“, „Patriotismus“, „Leidenschaft“, „Aufrichtigkeit“ und „Freundschaft“.
Mehr vom Autor: Marcus Hernig, Die Renaissance der Seidenstraße. Der Weg des chinesischen Drachens ins Herz Europas. Edition Tichys Einblick – FinanzBuch Verlag, 256 Seiten, 22,99 €.
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