Morgen, Kinder, wird’s nichts geben. Was auch immer bei den Wahlen zum EU-Parlament herauskommt, das Notwendige ist es nicht.
I.
Notwendig wäre: Die Europäische Union müsste die eingeschliffenen Entscheidungswege und Denkautomatismen sprengen, die letztendlich die Erosion der europäischen Einheit befördern, obwohl sie das Gegenteil beabsichtigen. Mit dem angesichts der geopolitischen Weltlage existentiell notwendigen Miteinander der Staaten und Völker sind die Institutionen der EU im gegenwärtigen Zustand überfordert. Das Miteinander ist kein Selbstzweck, die Institutionen sind es mittlerweile leider schon. Notwendig wäre die Konzentration auf das, was wirklich gemeinsam gemacht werden muss: Sicherung der Grenzen vor unkontrollierbaren Migrationswellen, Schutz der kulturellen Werte des Abendlands, Widerstandsfähigkeit gegenüber den Anfeindungen derer, die im Namen des „globalen Südens“ alles kurz und klein hauen wollen, was den Geist Europa ausmacht. Die neuen Rassisten sitzen nicht in Europa. Und im Inneren hieße es: Freie Märkte, Förderung des technologischen Fortschritts. Statt dessen herrscht exzessive Regulierungswut.
II.
Der seit Jahrzehnten größte Fehler der EU ist der Irrglaube, der Zusammenschluss könnte vertieft werden und die Gemeinschaft zugleich erweitert. Dieser fundamentale Fehler wird bisher mit ideologischer Blindheit ignoriert. Das Wunschdenken nährt Illusionen. Der EU kommt der Realitätssinn abhanden. Das Versprechen der EU-Mitgliedschaft hat Erdogan mitnichten daran gehindert, sein Land zu islamisieren und Europa zu entfremden. Die Türkei gehört nicht zu Europa, auch wenn es die USA aus Eigeninteresse noch immer behaupten. Und das gilt ebenso für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion von der Ukraine bis Georgien. Die EU-Mitgliedschaft ist kein Preis für gelungene Demokratisierung, kein Bonus für „westliches“ Denken, und es wäre auch keine sicherheitspolitische Garantie gegenüber Russland. Die Entwicklung in diesen Länder mag den EU-Mitgliedern sympathisch sein, aber sie ihre Aufnahme würde die Gemeinschaft überfordern. Es ist immer dasselbe: Das Primat der Politik schlägt die ökonomische Vernunft. So war es ja auch bei der Einführung des Euro als Gemeinschaftswährung. Wirtschaftlicher Pragmatismus müsste Kernkompetenz der EU sein – nicht jenes Gemisch aus Sehnsüchten, Hoffnungen und Phantasien, das die Gehirne jener Politiker vernebelt, die von einem demokratischen Imperium namens EU träumen.
III.
Die EU ist keine Demokratie. Dieses Defizit lässt sich in Sonntagsreden und Talkshows nicht beschönigen. Schlimmer als die Kommission und ihr Apparat unter heilloser Führung der letzten deutschen Merkelanerin ist der Europäische Rat, die Zusammenrottung der Regierungen, die keinem europäischen Souverän verantwortlich sind, sondern allein nationalen Interessen, und die deshalb ebenfalls nur im jeweils eigenen Land demokratisch legitimiert sind. Sie sind es auch nicht durch das Europäische Parlament, das keine Macht über die Räte ausübt und nicht einmal Gesetze machen kann. Das EU-Parlament, das nun gewählt wird, ist, trotz zunehmenden politischen Gewichts, noch immer vor allem ein extrem aufwendiges Symbol für eine EU, die es (noch) gar nicht gibt und darüber hinwegtäuschen soll, dass dieses Staatengeflecht keine Union ist, ja noch nicht einmal über eine europäische Öffentlichkeit, geschweige denn über ein Staatsvolk verfügt.
IV.
Unter der Prämisse der real existierenden EU wäre viel mehr bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit möglich, wenn nicht immer bei allem alle mitreden und mitmachen müssten. Der bürokratische Popanz der Institutionen und der Scheinriese des Parlaments täuschen über das fehlende Fundament der EU hinweg. Monströse Prozeduren schaffen nicht Gemeinschaft, sondern täuschen sie nur vor. Hoffnung, dass sich dies ändert, weicht wachsender Skepsis. Ein Drohen mit Austritt widerspricht jeder praktischen Vernunft. Kredit bei den Bürgern der EU zurück gewinnen kann nur eine glaubwürdige und entschiedene Reformdebatte.