Tichys Einblick
Bürgerliche Liberalität gefragt

Werte Kritiker, auf ein Wort

Werte Leser, die meine Zeilen zu Trump nicht mögen: Der Mainstream irrt nicht deshalb, weil er Mainstream ist - und umgekehrt. Nicht jede Position ist schon allein deshalb richtig, weil sie gegen den Mainstream schwimmt.

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Wer die Diskursschwäche der deutschen Gesellschaft beklagt, sollte sich nicht wundern, wenn er sie selbst zu spüren bekommt. Ich habe es mir selbst zuzuschreiben. Kritik an Trump geht gar nicht. Jedenfalls nicht bei manchen Lesern von Tichys Einblick, die sich über meinen Artikel ereifern (die mir ganz oder teilweise zustimmen, sind die wenigeren). Es gibt also auch „rechten“ Konformitätsdruck. Wer den ebenso ablehnt wie den Konsensdruck der vermeintlichen Mitte, wird schnell spüren, was er davon hat.

Wer glaubt, die Unfähigkeit zum demokratischen Disput sei allein der „linksgrünrot vermerkelten Mitte“ zuzuschreiben, lügt sich in die Tasche. Meinen Frontalkritikern sei gesagt: Der Mainstream irrt nicht immer und nicht nur schon deshalb, weil er Mainstream ist – und umgekehrt. Nicht jede Position außerhalb des Mainstreams ist schon allein deshalb richtig, weil sie gegen den Mainstream schwimmt. In der Auseinandersetzung um Trump ist das sehr schön zu beobachten.

Was auffällt: Die meisten, die meine Kritik an Trump zurückweisen, sind noch nicht einmal Willens zu lesen. Mein wichtigstes Argument gegen Trumps Amtsführung ist, dass er der Sache schadet, um die es geht: Freiheit, Wohlstand, Sicherheit. Wegen Trump ist seriöse Kritik am Islam und an ungebremster Migration schlechter möglich, weil Trump diese Kritik durch sein Handeln diskreditiert. Er hat Abertausende rechtschaffener, unbescholtener Bürger diskriminiert, Recht gebrochen, Lügen in die Welt gesetzt. Das ist nicht konservativ, noch nicht einmal populistisch. Es ist gefährlicher Bullshit, der dummerweise bei vielen, die schon aufgewacht waren, wieder Sehnsucht nach der unverändert fragwürdigen Rationalität des Establishments weckt. Abgesehen davon schürt Trump jenen Hass gegen die USA und den Westen, auf dem Terror wächst.

Es gibt nicht nur Beifall von der falschen Seite, es gibt auch das Bashing der Blindwütigen. Sie reagieren nur reflexartig, so wie es ein Kommentator meines Artikels ausdrückte: Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde. Ja, wenn die Welt so einfach wäre. Genau dies ist das Problem: Sich die Welt einfacher zu wünschen, als sie sein kann, ist das eigentliche Motiv der Trumpianer und Anti-Trumpianer jenseits wie diesseits des Atlantiks.

Die Mainstreamverächter sind nicht automatisch konservativ. Sie sind oft das Gegenteil. Konservativ und reaktionär sind für mich das schiere Gegenteil. Der Konservative weiß mit der Komplexität der Welt umzugehen. Er bekämpft sie nicht sinnlos. Sein Skeptizismus schließt die Natur des Menschen ein. Was der Debatte um meinen Artikel fehlt, ist eine Grundhaltung bürgerlicher Liberalität.

Roland Tichy hat recht, wenn er sagt, manche, die sich total ausgegrenzt fühlen (wollen), setzen auf Trump als den letzten Retter. Und umgekehrt: für die „Gutmeinenden“ ist gegen Trump die Scheidelinie zwischen Gut und Böse. Trump macht sie nahezu glücklich, ist doch mit ihm endlich klar: dort ist das Reich der Finsternis, und hier werden die Kräfte des Lichts mobilisiert.Trump ist eine Projektionsfläche. Er macht „linke“ Politik und wird von „links“ kritisiert. Absurd. Das müssen wir analysieren. Warum es gar kein Trump-Bild mehr gibt, sondern die Leute es sich selber malen. Projektion eben.

Das ist richtig und wichtig. Und ich werde weiter polemisieren, nach Lust und Laune, und nicht nach irgendwelchen Erwartungen Dritter. Darauf können Sie sich verlassen.

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