Servus, Tichy! Die New York Times hat sich zu Hillary Clinton verhalten wie die Apotheken-Umschau zur Pharmaindustrie. Jetzt ruft das Blatt Angela Merkel zum Bollwerk des Abendlands aus, zur „letzten Verteidigerin des freien Westens“. Angesichts der jüngsten Treffsicherheit der Qualitätszeitung sollten bei der CDU die Alarmglocken schrillen. Dann empfiehlt, als wär´s ein Fluch, auch noch Obama: Er würde Merkel wählen. Hat er nicht gerade erst Hillary …?
I.
Die Hymnen an die deutsche Kanzlerin sind in ihrer Übertreibung so peinlich wie grotesk. Der Atem der Geschichte, der sie zu streifen scheint, ist nichts als saurer Mundgeruch. Frau Merkel dient als Kopfweh-Pille gegen die amerikanische Katerstimmung. Das animiert ihre deutschen Hilfssanitäter, das Mittel in Überdosis selbst zu schlucken. Norbert Röttgen, nicht zufällig im amerikanischen Sender CNN: Frau Merkel sei „ein Eckpfeiler des politischen Konzepts des Westens.“ Deshalb werde sie als „Global Player“ handeln und als Kanzlerkandidatin zum vierten Mal antreten.
II.
An Gründen dafür, nibelungentreu mit Frau Merkel in den Untergang zu ziehen, hat es CDU und CSU schon bisher nicht gefehlt. Dieser Grund aber ist neu. Trumps Sieg soll dafür herhalten. Die Kanzlerin wird zur Führerin des Westens i. V. ernannt, weil der dafür eigentlich vorgesehene US-Präsident blöderweise der Falsche ist. Was für eine Überschätzung der Merkelschen Regierungskunst und was für eine Anmaßung! Als könnte die „mächtigste Frau der Welt“ die „mächtigsten Männer“ – Trump, Putin – zur Vernunft bringen. Sie müsse, schreibt die NYT, nun Russland bei dem Versuch stoppen, „die Flamme des Populismus“ weltweit zu stärken. „Noch nie zuvor hing so viel von Deutschland ab“.
III.
Ginge es noch mit rechten Dingen zu, würden solche Sätze der grandios gescheiterten Welterklärer als eine Art Satire verstanden. Gab nicht Frau Merkels Politik Trumps Wahlkampf einen Extraschuss Energie? Ist die Dauer-Kanzlerin nicht längst Doping für die AfD? Aber die hiesigen Hofschranzen und überseeischen Hilfstruppen meinen es ernst. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als ihre Wortmeldungen als Realsatire zu lesen, einer Halluzination entsprungen, die in schierer Verzweiflung wurzelt. Die Herrin der Horizonte aber ist nackt.
IV.
Auf welche ihrer Verdienste berufen sich die Weisen der East Coast? Was hat sie alles geschafft? In aller Kürze: Die neue Weltenlenkerin hat die Europäische Union in die tiefste Krise ihrer Geschichte geführt. Nicht ganz allein, das schafft nicht einmal sie, doch hat sie entscheidenden Anteil. Mit dem dümmstmöglichen Satz – „scheitert der Euro, scheitert Europa“ – hat sie verhindert, den schwersten Konstruktionsfehler zu korrigieren. Die Eurokrise ist vertagt, doch nicht entschärft. Frau Merkel hat keinen Reformprozess in der EU zustande gebracht, sondern Misstrauen gegenüber Deutschland geweckt. Die Mehrheit der europäischen Bürger hat das Vertrauen in ein Vereintes Europa verloren. Auch im Brexit wirkt ihr Werk. Der Nationalismus blüht, nicht zuletzt dank Frau Merkels teutonischer Starrköpfigkeit. In wirtschaftlich fetten Jahren hat die Merkel-Regierung nichts unternommen, um für magere Zeiten vorzusorgen. Der Staat spart nur dank der Nullzinspolitik die Kosten der Überschuldung. Die Rechnung begleichen die Bürger mit ihren Ersparnissen. Deutschland versinkt nach wie vor in Bürokratie. Die Energiepolitik ist eine teure Blamage und eine Illusion obendrein. Die Migrations- und Flüchtlingspolitik bleibt ein Desaster. Frau Merkel macht kaum Anstalten, illegale Einwanderer los zu werden.
Der demokratisch gewählte Despot Erdogan tanzt ihr auf der Nase herum. Die Welt ist in jeder Hinsicht unsicherer geworden. Immer mehr Deutsche plagt das Gefühl, es werde ihnen die vertraute Republik unter dem Hintern weggezogen. Sie glauben, der Islam gehöre nicht bloß zu Deutschland, sondern Deutschland bald auch dem Islam. (Eine islamophobe Übertreibung, Tichy, wir streichen sie besser.) Und wissen wir wirklich, wohin Frau Merkel dieses Deutschland führen will? Falls sie es weiß, vernünftig erklären kann sie es nicht.
V.
Ein anderer hätte es nicht besser hinbekommen, antworten Frau Merkels Wähler. Sie sei eben alternativlos in schwierigen Zeiten. Dazu kommt: Der deutsche Untertan beurteilt von jeher nicht die tatsächliche Leistung seiner Oberhäupter, sondern bewundert die Macht. Wie einer seine Widersacher ausschaltet, wie er Debatten beendet, ehe sie begonnen haben, wie er das Schachbrett mit den eigenen Figuren beherrscht und sie souverän zieht, wie lange sich einer an der Macht hält. All dies gilt in dieser Republik als Ausweis von Führungsfähigkeit. Gut, messen wir sie daran. Sie hatte gerade ihren Präsidentschaftskandidaten zu ernennen. Eine leichtere Übung, sollte man meinen. Dennoch zu schwer für Frau Merkel. Zum dritten Mal in Folge hat sie dabei versagt, und am Ende den Bewerber der Konkurrenz abgenickt. Wir staunen über so viel Unvermögen. Sollte „Global Player“ Merkel nicht erst ihre eigene Firma führen, ehe sie die Welt managt?
VI.
Noch einmal zurück zu den Elogen Obamas und der NYT. „Wir können uns glücklich schätzen, dass Deutschland von Merkel regiert wird. Denn wenn es jemanden gibt, der jetzt Verantwortung übernimmt und das Richtige für Europa tut, dann sie.“ Angela Merkel habe „im Umgang mit mächtigen Männern Begabung bewiesen“. Ja, so muss es wohl gewesen sein, Tichy! Wir haben es nur nicht verstanden. Statt dessen glauben wir, dass aus Trumps Wahlsieg eine ganz andere Konsequenz zu ziehen wäre: Frau Merkel tritt nicht mehr an.