Tichys Einblick
Herles fällt auf

Über die Wollust der Macht

Je länger die Schwampelei sich und uns quält, desto leichter ist das Ergebnis der nächsten Wahl vorherzusagen, wann auch immer sie sein wird. Sie wird zugunsten der Oppositionsparteien ausgehen.

Ob die Berliner Groteske weiter geht oder nicht, spielt keine Rolle. Denn den Parteien fehlt die Kraft zur Einsicht, dass sie nicht zusammen kommen sollten. Das Ergebnis, wie immer es ausfällt, ist das Armutszeugnis einer erschöpften, deformierten, ausgelaugten Demokratie.

I.

In der Luft liegt der Verwesungsgeruch fauler Kompromisse. Doch die Spitzen der Parteien baden noch immer in der Mandelmilch der Zuversicht. Sie riecht bloß ein wenig nach Blausäure.

II.

Die einzige Gemeinsamkeit, die bisher auffällt, liegt im Gebrauch des Wortes Optimismus. Wenn es auch jeweils anders klingt. Zwischen sturmfestem Sarkasmus (Kubicki), weinerlicher Schicksalsergebenheit (Seehofer), blöder Verblendung (Merkels Vasallen) und grüner Weltfremdheit wechselt der Tonfall.

III.

Es fallen nur Töne. Sonst fällt nichts. Nicht einmal ein Einfall.

IV.

Das Wort Optimismus ist nur ein anderer Ausdruck für Verzweiflung.

V.

Wer nicht an Wunder glaubt, sollte so optimistisch sein und aufs Scheitern hoffen. Es wäre der einzige annehmbare Ausgang des Verfahrens.

VI.

Nicht die Unfähigkeit zum Koalieren ist zu beklagen, sondern die Anmaßung zum Besten des Landes zu handeln.

VII.

Das Beste für das Land wäre ein Ende der Merkelschen Kanzlerschaft. Ihre Kanzlerschaft ist jedoch das einzige, das wirklich an diesem Bündnis hängt.

VIII.

Glaubt noch jemand, sie interessiere sich für das auszuhandelnde Papier? Weder die „Euro-Rettung“, noch die „Energiewende“, noch der Willkommenswahn standen in irgend einem Koalitionsvertrag.

IX.

Sie braucht solche Papiere nur zusammengeknüllt als Knebel für Abgeordnete, die sich noch eigene Gedanken herausnehmen.

X.

So kommt es, dass die mit Abstand größte Partei der vier die bei weitem geringste Rolle spielt.

XI.

Die „Liberalen“, denen wir leider die Anführungszeichen nicht mehr ersparen können (wie damals bei „DDR“), hätten sich bleibende Verdienste erwerben und den Sturz Merkels erzwingen können.

XII.

Gehört es zum „liberalen“ Sein, aus Schaden nicht klug zu werden?

XIII.

Folgten die „Liberalen“ wirklich liberalen Grundsätzen, passte das Programm auf einen Bierdeckel. Darauf stünde ein einziger Satz: Auch wir sind für soziale Gerechtigkeit, also für eine gerechtere Verteilung des Erwirtschafteten zwischen Bürger und Staat.

XIV.

Der Medien-Mainstream quatscht den Unsinn nach, Neuwahlen seien unzumutbar. Das verrät nur das Misstrauen gegenüber und die Missachtung des Souveräns. Wenn es darum geht, den Bürger zu bevormunden, ist die Journaille auf der falschen Seite. Darin liegt ein guter Teil der Tragik der deutschen Demokratie. Seit jeher!

XV.

Merkel zu verabschieden, ist ohne Neuwahlen nicht möglich.

XVI.

Je länger die Schwampelei sich und uns quält, desto leichter ist das Ergebnis der nächsten Wahl vorherzusagen, wann auch immer sie sein wird. Sie wird zugunsten der Oppositionsparteien ausgehen. Also auch der AfD. Umgekehrt heißt das: Je schneller der Unsinn endet, desto kleiner der Schaden für die Beteiligen. Außer für Merkel.

XVII.

Dass die Regierungsaspiranten die „Alternativlosigkeit“ ihrer Stümperei mit Furcht vor der AfD begründen, ist also ein schlechter Witz. Die AfD kann in aller Ruhe der öffentlichen Verstümmelung des Mitte-Lagers zusehen. Es ist das einzig Sehenswerte.

XVIII.

Wo die Mitte ist, ist nichts. Außer Merkel.

XIX.

Wo Merkel ist, ist nicht einmal mehr die Mitte.

XX.

Die künftige Koalition: Drei Schwänze wackeln mit einem Hund. Dafür fehlt der Kopf. Darf man das Missgeburt nennen?

XXI.

Wir sehen wahrscheinlich zum ersten mal eine Koalition, die zu Ende ist, ehe sie überhaupt begonnen hat. Sie kommt komatös zur Welt. Alles, was jetzt folgt, ist Paliativmedizin auf Kosten der Bürger. Die Abtreibung der unerwünschten Schwangerschaft wäre für alle Beteiligten erträglicher.

XXII.

Noch besser wäre ihre Verhütung gewesen. Doch es siegte die Wollust der Macht.

Die mobile Version verlassen