Zwischen etwas gut finden und gut sein ist oft ein gewaltiger Unterschied. Dafür liefern der gestrige Super Future Friday und schon die ganze Woche schlagende Beispiele.
I.
Seit null Uhr gehört Großbritannien nicht mehr zur EU. Man kann das natürlich gut finden, obwohl es nicht gut ist. Glatter Unsinn ist die Behauptung, der Austritt sei eine Chance für die EU (Wirtschaftsminister Altmaier). Es hat doch bisher nicht London überfällige Reformen verhindert, sondern Brüssel. Ohne den liberalen Geist der Briten wird sich der bürokratische Kollektivismus und Zentralismus des Kontinents nur noch ungezügelter ausbreiten. Allenfalls wird das künftige Steuerparadies London der Berliner Abzocke schwere Konkurrenz machen – aber den Steuerzahlern keinen Nutzen bringen.
II.
Zu jubeln haben auch die Brexiteers nichts, weil die Globalisierung und die chinesischen Hegemonialansprüche nun mal keinen Bogen um die Insel machen. Wenn es die EU nicht gäbe – wovon die Nationalisten diesseits und jenseits des Kanals träumen – müsste man sie erfinden. Nur anders. Die meisten Deutschen finden ja, ihr Land sei supereuropäisch. In Wahrheit hat Merkeldeutschland mehr zum Austritt der Briten beigetragen als Farage und Johnson zusammen. Es hat sich Camerons Bemühungen, den Zentralismus zu lockern, komplett widersetzt. Dafür hat sie dann in der „Flüchtlingspolitik“ supernationalistisch gegen EU-Regeln verstoßen. Und wenn die meisten Briten inzwischen interessanter finden, wie die Nummer Sechs der Thronfolge ihren Markenwert monetarisiert, ist das womöglich auch Ausdruck eines Demokratieverständnisses, das deutsche Wahlforscher asymmetrische Demobilisierung nennen. Gewöhnliche Leute sagen dazu Überdruss.
III.
Nicht zuletzt führen die von Brüssel unter maßgeblicher Mitwirkung von Berlin festgelegten Grenzwerte zum Desaster der deutschen Automobilindustrie. Berlin aber kuscht, statt die unsinnigen Regeln zu korrigieren. Unter Führung von VW rasen die Hersteller wie eine Herde irrer Lemminge auf die Batterieklippe zu. Wo soll der Strom dafür denn herkommen, wenn das Land aus Kohle und Kernenergie zugleich aussteigt – im Gegensatz zu fast allen anderen EU-Staaten? Wer bedenkt die ökologischen Folgen der Batteriewirtschaft? Und warum fördert Deutschland nicht mindestens so energisch die Entwicklung der zukunftsfähigeren, technologisch anspruchsvolleren und klimawirksameren Brennstoffzelle? Bosch geht als einziges Unternehmen einen eigenen Weg – für den Weltmarkt, der längst anders tickt.
IV.
Ausgerechnet Berlin will nun die IAA, das wichtigste Schaufenster der deutschen Schlüsselindustrie aufnehmen. Die sogenannte Hauptstadt und deren giftgrüne Regierung verteufelt den Individualverkehr wie keine andere und schikaniert die Autofahrer mit unsinnigen Behinderungen. Wer nimmt so etwas ernst? Antwort: Die deutsche Automobilindustrie. Sie zeigt sich opportunistisch bis zur Selbstzerstörung. Ob Angst und Unterwürfigkeit vor Fürstenthronen oder vor populären Stimmungen – es ist kein großer Unterschied.
V.
Fridays for Future wird nun eine Marke. Das Amt der EU für geistiges Eigentum soll sich darum kümmern. Bald gibts wahrscheinlich Greta als Puppe und Strickmützen mit integrierten Gretazöpfen und Nachhaltigkeitszertifikat. Aus einer pubertären Bewegung wird ein florierendes Geschäftsmodell. Ist es schon längst – aber nun auch offiziell. Sicher finden die meisten Deutschen das gut.
VI.
Sie standen ja auch früher schon auf blonde Zöpfe. Wie sagte gerade unser Bundespräses: „Die bösen Geister der Vergangenheit zeigen sich heute in neuem Gewand.“ Sie präsentierten ihr autoritäres Denken als Vision, als die bessere Antwort auf die offenen Fragen unserer Zeit. Recht hat er. Gewiss hat er das auf die Verstörten und Fanatisierten in Politik und Gesellschaft gemünzt, die gerade das Fundament der sozialen Marktwirtschaft abräumen, Deutschland die Zukunft rauben und das Land damit radikalisieren und spalten. Sicher hat er über die gesprochen, die unter dem Deckmantel der Klimaangst ihr autoritäres Denken zur alternativlosen Vision verklären. Nein, hat er nicht? Man kann das Richtige sagen und es zugleich verfehlen.