Tichys Einblick
Panik nach bewährtem Rezept

Was man früher Sommer nannte …

Dass ein echter Sommer eine echte Katastrophe ist, hätten die Deutschen vielleicht gar nicht mitbekommen, hätte man ihnen nicht eindringlich mitgeteilt, dass es ihnen persönlich ans Leder ging.

Es waren zu Beginn dieser Woche die vielleicht zwei schönsten Tage des Jahres, herrlich warm, fast mediterran. Wären alle Sommer zuverlässig länger so, müsste die Karawane nicht nach Italien/Griechenland/Spanien „in die Ferien“ fahren. Aber etwas Schreckliches schien geschehen. Die Straßen fast leer, sogar Biergärten gähnten in der Mittagsbrise. Hatte der Kapitän des Teams Vorsicht schon wieder eine Ausgangssperre verhängt? Diesmal wegen mörderischer Außentemperaturen? Aber das hätte ich doch mitbekommen! Nein, darum musste sich Markus Söder diesmal nicht auch noch kümmern. Das Volk hatte sich schon selbst entfernt.

I.

Wieder wurde die Panik nach bewährtem Rezept geschürt. Zuerst gingen die Rauchmelder stets leicht entflammbarer Wissenschaftler los. Genau wie bei Corona. Nur, dass die Virologen von Klimaforschern ersetzt wurden. Kühlere Köpfe kamen nicht vor. Dann gab der lodernde Bundesgesundheitsminister Feueralarm: Dieser Sommer ist lebensgefährlich. Die Meteorologen der Wetterberichte schlossen sich voll entbrannt an. Niemand nahm mehr das Wort Wärme in den Mund, ja selbst Hitze ging nur noch als Gluthitze durch. Systematisch wurden die Bilder der Waldbrände damit assoziiert, die damit nichts zu tun hatten. Und zwei hochsommerliche Tage in Folge waren selbstverständlich eine Hitzewelle. Eine Welle folgt bekanntlich unerbittlich der nächsten. Wie bei Corona. Das muss so sein, schon um die Bevölkerung auf unvermeidliche Maßnahmen einzustellen.

II.

In diesen Chor konnten Fernsehmoderatoren und Kommentatoren nur einstimmen. Man muss das verstehen. Es gab ja sonst nichts. Kein Gas, keine funktionierende Bahn, kein normaler Flugverkehr, keine einsatzfähige Bundeswehr, keine Handwerker, keine Kernenergie, keine Opposition, keine vernünftige Regierung: Also bitte, wo nichts ist, kann auch über nichts berichtet werden – außer eben über die Hölle da draußen.

Von den tödlichen Folgen dessen, was nun nicht mehr Sommer heißen durfte, sondern nur noch Klimakatastrophe, lebten die Nachrichtensendungen (zum Glück sind die Talkshows in Sommerfrische). Temperaturen konnten nur mit dem Zusatz bekannt gegeben werden, nun habe der Klimawandel auch uns endlich erfasst. Das endlich blieb zwar meist unausgesprochen, stand aber unübersehbar in den geröteten Gesichtern der politisch korrekt Besorgten. Notfallmediziner gaben Tipps. Der Bürger wurde als unmündiger Idiot belehrt. Man erklärte ihm, dass Schwitzen leider unvermeidlich sei und er daran schuld. Unter freiem Himmel breite sich quasi eine Todeszone aus.

III.

Dass ein echter Sommer eine echte Katastrophe ist, hätten die Deutschen vielleicht gar nicht mitbekommen, hätte man ihnen nicht eindringlich mitgeteilt, dass es ihnen persönlich ans Leben ging. Das Volk ist zwar nicht blöd, aber wenigstens leicht zu ängstigen. Allein diesem Zweck diente das Geschrei über die Risiken sommerlicher Temperaturen. Empfehlung: Rollos runter, die Wasserleitung leer saufen bis, ja, bis zur nächsten fest gebuchten Katastrophe. Auch das Wasser muss bekanntlich bald rationiert werden.

IV.

Mittags kurz vor zwölf bestieg ich wie immer unbehelmt und überhaupt unbedeckt das Fahrrad. Mir war bewusst, dass ich schon altersbedingt zur Mehrfachhochrisikogruppe zähle und deshalb damit rechnen musste, dehydriert vom Sattel zu kippen. Es handelte sich um einen gnadenlosen Selbstversuch. In flottem Tempo, was sonst nie geht, weil Radwege von Lastenrädern verstopft sind, durchquerte ich ohne Pause München, von der Menterschweige ganz im Süden bis zum Aumeister ganz im Norden. Der Tag war so schön, dass mir das Wort Hitze nicht einmal in den Sinn kam. Ja, es ist insgesamt wärmer geworden. Einer der wenigen Gründe, weshalb man es in unseren Breiten unter Irren noch aushält. Ich saugte die Wärme auf wie ein Schwamm, als könnte ich sie speichern für die Tage, an denen wir für den Frieden und die Blödheit unserer Kanzler*Innen frieren. Nein, in Wahrheit frieren wir für das Klima. Aber erst braten wir wegen des Klimas. Es ist weniger die Realität als eine schöne Metapher: Wir Sünder stecken hienieden schon in der Hölle. Die „Hitzewellen“ besitzen eine quasi religiöse Dynamik. Jedenfalls sind die Deutschen das einzige Volk, das gleichzeitig befürchtet, zu verbrennen und zu erfrieren. Auf der Rückfahrt ließ ich mir etwas mehr Zeit. Hirschau, Chinesischer Turm, Flaucher: ein Biergarten am anderen. Zugegeben: Nach dem zweiten Bier geriet ich etwas ins Schwitzen. Nirgend eine Katastrophe? Doch! Auf dem Viktualienmarkt waren die Schwammerl knapp wegen der trockenen Tage.

V.

Für die einzige Überhitzung in meinem Kopf sorgte der Zorn darüber, wie schamlos in diesem hysterischen Land sogar der Sommer politisch missbraucht wird. Eines ist wohl sonnenklar: Ein kollektiver Hitzschlag hat dieses Volk hart getroffen.

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