Die Mitte versammelt sich hinter Parolen der Bauern. „Sie säen nicht, sie ackern nicht, aber sie wissen alles besser.“ Diese Feststellung betrifft den gesamten Mittelstand. Allmählich, so sieht es aus, lernen die Deutschen dazu. Wie die Gelbwesten in Frankreich, gehen nicht nur die Landwirte gegen die politische Klasse auf die Barrikaden. Die Aktionswoche der Bauern war ein Fanal.
I.
Die Ampelkoalition müsse ihre Wohltaten nur in leichter Sprache besser erklären, und schon werde alles gut. Diese Ansicht, etwa aus dem Munde des Bundespräsidenten, erklärt nur die elitäre Abgehobenheit der noch immer Mächtigen. Der rapide Vertrauensschwund in der Bevölkerung kann nicht mehr wegerklärt werden. Die Gescheiterten wollen nicht begreifen, dass es in einer Demokratie nur einen Weg aus der Vertrauenskrise gibt: Neuwahlen. Sofort, nicht erst, wenn das Ritual es vorschreibt. Der Versuch, die Verweigerung des Neuanfangs mit dem „Kampf gegen Rechts“ zu begründen, ist vergeblich. Auch ein Verbot der „AfD“ brächte keine Rettung. Ein immer größerer Teil der Bevölkerung sieht in der AfD weniger eine sinnvolle Alternative als eine wirkungsvolle Möglichkeit zum Protest gegen die Kaputtregierer. Es hat schon seinen Grund, dass sich Unionspolitiker auf den Bauerndemos nicht gerade nach vorn drängen. Sie bekämen das „Hau-Ab!“ ebenso zu hören wie Lindner und Özdemir.
II.
Auch der Versuch, den Grund des Aufruhrs auf die pekuniären Interessen der Landwirtschaft zu reduzieren, muss misslingen. Bauern, Wirte, Spediteure, Handwerker streiken gegen die sinnlose Regulierungsflut. Ihr Protest kommt nicht verkniffen daher, sondern mit erkennbarer Lust. Ein Schlüsselerlebnis ist für die meisten zu sehen, wie der Druck wirkt, wie verschreckt und hilflos die Regierung reagiert. Jahrelang hatte sie den Missmut mit Geld zu dämpfen versucht. Diese Möglichkeit brach weg, das ist der Grund der verschärften Konfrontation. Die alte Geschäftsgrundlage zwischen Bürgern und Staat zerbrach. Deshalb kann der Versuch, mit zusätzlichen Steuern für alle („Tierwohlabgabe“ ) – und damit noch mehr Bürokratie – den Zorn zu dämpfen, nur scheitern.
III.
Mit einem einfachen Koalitionswechsel ist es nicht mehr getan. Es muss schon ein gehöriger Politikwechsel sein. Und wenn es wirklich so sein sollte, dass die Demokratie wegen der Landtagswahlen im Osten in Gefahr ist, dann sollten die Gefährdeten die Konsequenzen ziehen und im Bund wählen lassen, ehe sie im Herbst von den Ergebnissen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen in Panik versetzt werden.
IV.
Auf Ordnungsliebe und Gehorsam der Deutschen ist nicht mehr unbedingt Verlass. Zu groß ist der Vertrauensverlust. Das ist die Lektion, die Politiker gerade lernen. Und die rechtschaffenen Deutschen entdecken, dass Widerstand eine bürgerliche Tugend sein kann. Deshalb werden sie nicht so schnell wieder „vernünftig“, wie die Regierenden hoffen. Die These meines jüngsten Buchs „Mehr Anarchie, die Herrschaften!“ wurde nun bestätigt. Die Deutschen murren und mucken auf, ähnlich wie die Gelbwesten in Frankreich. Es wäre kein weiterer deutscher Sonderweg. Der Versuch, demonstrierende Bürger als „rechte“ Staatsverächter und AfD-Anhänger zu diskreditieren, hat in den Covid-Jahren noch halbwegs geklappt. Inzwischen schlägt er fehl. Die Zahl und die Breite derjenigen, die sich nicht mehr alles gefallen lassen, ist unübersehbar geworden.
V.
Ohne den Druck der Straße, ohne den freiheitlichen Geist der Anarchie wird sich nichts ändern. Er ist die einzige wirkungsvolle Waffe der Bürgerlichen gegen politische Korrektheit und Wokeness, der Normalen gegen das Abnormale. Bürgerlichkeit und anarchischer Widerspruchsgeist gehören zusammen. Anders lässt sich der zivilisatorische Fortschritt nicht bewahren. Die Duldsamkeit, mit der die Deutschen bisher ihrem Niedergang entgegensahen, ist aufgebraucht. Die Demokratie ist nicht in Gefahr, wie die Mächtigen behaupten, sie wird nur gerade ertüchtigt. Die Zeit, in der Freiheit nur als betreute Freiheit möglich war, ist vorbei. Zu Bruch geht dabei nicht der innere Frieden, sondern allenfalls der Frieden zwischen bevormundeten Bürgern und bevormundenden Parteien. Auf die systemische Gewalt des grünen Staates gibt es nur eine bürgerliche Antwort: die Rebellion. Der Zorn der muss sich entladen. Das ist keine Delegitimierung des Staates, sondern der erste Schritt zu seiner Relegitimierung.