Tichys Einblick
Lützerath

Neubauer gegen Neubaur. Der Schwelbrand an Bord der Grünen

Im Braunkohletagebau kennt man das Phänomen, das Kohlebrand genannt wird. Kohle entzündet sich auf natürliche Weise selbst, wenn sie mit Sauerstoff in Berührung kommt. So ist es jetzt bei den Grünen. In spontaner Berührung mit dem Sauerstoff der Wirklichkeit kokelt die eigene Ideologie.

Die Grüne Mona Neubaur ist stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen und Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie. Die Grüne Luisa-Marie Neubauer ist die bekannteste Klima-Aktivistin und das deutsche Gesicht von Fridays for Future. In Lützerath stehen sie einander unversöhnlich gegenüber – auf beiden Seiten einer bizarren Front mitten durchs grüne Lager.

I.

Es ist ein vorhersehbares Dilemma. Ideologie prallt auf Wirklichkeit. Sobald die Grünen an der Regierung sind, zwingen Sachzwänge sie zu Kompromissen. Neubaur und Habeck haben mit der RWE den Deal im Braunkohlerevier ausgehandelt. Der ebenfalls grüne Polizeipräsident Aachens, Dirk Weinspach, muss grüne Aktivisten aus dem Weg räumen, die um Lützerath die theatralische Konfrontation suchen, nicht frei von Brutalität.

II.

Die militante Szene ist nicht mit Argumenten der Realpolitik zu befrieden. Und Realpolitik ist nicht mit irren Doktrinen wie „Energiewende mittels Kohle“ zu begründen. Das Dilemma ist nicht aufzulösen, so lange sich nicht der Knoten in den Gehirnen löst, womit nicht mehr zu rechnen ist. Denn Habeck & Co sind Fundis und Realos in Personalunion, in ständigem Widerspruch auch mit sich selbst. Erstaunlich, dass diese Zerrissenheit nicht dazu führt, dass die Grünen von der Wirklichkeit zerrissen werden. Realpolitik ist nicht teilbar. Es gibt sie nur ganz oder gar nicht. Das können die Grünen nicht begreifen.

III.

Wohin das führt? Ähnliche Konflikte sind aus der Geschichte bekannt. Bundeskanzler Helmut Schmidt hielt Anfang der Achtzigerjahre eisern am Nato-Doppelbeschluss fest. Sollte die Sowjetunion ihre auf Westeuropa gerichteten SS-20-Raketen nicht abrüsten, drohte die Nato damit, nukleare Mittelstreckenraketen (Pershing II) in Europa zu stationieren. Die Friedensbewegung lief dagegen Sturm. Auch dies führte zur Gründung der Grünen (1980), zerriss das noch überwiegend in der SPD versammelte linke Lager und führte letztlich zum Sturz des Kanzlers (1982). Die sich weiter verschärfende Energiekrise hat durchaus das Potential, die zur Staatspartei aufgestiegenen Grünen zu sprengen.

IV.

Die Grünen haben sich das Dilemma selbst zuzuschreiben. Aktivistin Neubauer: Der Abbau der Braunkohle sei „nicht nötig“. Das stimmt. Aber man kann nicht beides zugleich, aus der Kohle und aus der Kernkraft aussteigen. Der Irrsinn hat Methode. Weil die Grünen partout darauf bestehen, dass Kernergie Teufelswerk sei, muss weiter Kohle verstromt werden. Schadenfreude über die Falle, die sich die Grünen selbst gestellt haben, ist nicht angebracht. Weil die grüne Regierungskaste auf gar keinen Fall den Konflikt mit der militanten Basis eskalieren lassen will, hält sie umso unerbittlicher daran fest, dass im Frühjahr endgültig Schluss sein muss mit der Kernkraft. So gebiert ein Widersinn den nächsten. Es herrscht immer zuerst Dunkelflaute in den Köpfen, ehe das Licht im ganzen Land ausgeht.

V.

Im Braunkohletagebau kennt man das Phänomen, das Kohlebrand genannt wird. Kohle entzündet sich auf natürliche Weise selbst, wenn sie mit Sauerstoff in Berührung kommt. So ist es jetzt bei den Grünen. In spontaner Berührung mit dem Sauerstoff der Wirklichkeit kokelt die eigene Ideologie. So ein Brand ist schwer zu löschen. Helfen können nur die Bagger, die im Tagebau den ideologischen Flöz der grünen Gesinnung rechtzeitig abräumen.

VI.

Es besteht allerdings die Gefahr, dass das Geschehen außer Kontrolle gerät. Einiges spricht für die Theorie, dass der Untergang der Titanic auf den Schwelbrand in einem ihrer Kohlebunker zurückzuführen ist. Das ist keine Verschwörungstheorie. Der Schwelbrand an Bord der Titanic wurde vor Abfahrt von der Hafenfeuerwehr in Southampton dokumentiert. Er könnte den Kapitän veranlasst haben, trotz der Eisberge schneller zu fahren als geboten. Auf diese Weise wollte er dafür sorgen, dass mehr Kohle als üblich in die Kessel geschaufelt wurde, um schneller an die untere Schicht der glimmenden Kohle heranzukommen. Es war die übliche Vorgehensweise. Ein Risiko überlagert das andere, eine Krise die nächste. Welche aktuelle Krise ist der Brand im Bunker, welche der Eisberg? Welche ist noch beherrschbar? Welchen Eisberg werden die Grünen rammen? Und werden nur sie sinken – oder wir alle?


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