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Jamaica: Warum wir noch immer voller Hoffnung sind

Die Vorverhandlungen haben sich festgefressen. Es gibt keinen Konsens. Es gibt kein Vertrauen zwischen den Verhandlungsparteien. Alle haben Lust auf Zukunft. Bloß auf keine Zukunft, auf die sie gemeinsam Lust hätten. Das lässt wirklich hoffen.

Es gibt gute Nachrichten aus Jamaica. Vierblättrige Glücks-Kleeblätter wollen dort nicht wachsen.

I.

Die Verhandlungen darüber, ob dreieinhalb Parteien über eine Koalition verhandeln wollen, finden auf zwei Ebenen statt. Im früheren Reichstagspräsidentenpalais und danach in den Medien. Frau Merkel moderiert im grünen Jackett und sprach angeblich ein „Machtwort“. Es sollen nur noch gute Nachrichten an die Öffentlichkeit gehen. Gute Nachrichten: Konsensmeldungen. Das zahlende Publikum soll regierungsamtlich für dumm gehalten werden. Es soll nicht erfahren, wer was mit seinem Geld vorhat.

II.

Die Lindners und Kubickis lassen sich ihre Talkshowauftritte nicht verbieten. Brauchen sie wie die Luft zum Atmen. Im Reichstagspräsidentenpalais werden sie schwach. Wollen sie doch endlich machen. Was auch immer, bloß machen. Draußen spielen sie die Helden des Widerstands. Eine seltsame Doppelstrategie. In den Medien legen sie die Latte für eine Koalition immer höher, während drinnen das Umfallen immer wahrscheinlicher wird. Die Talkshowauftritte sollen Standhaftigkeit vortäuschen, damit das Umfallen dann wie eine Rettungstat aussieht.

III.

Lindner ging sogar zu Lanz. Das ist der Entertainer, der im ZDF als Klugschleimer auftreten und politische Gespräche führen darf. Lindner graust es vor gar nichts, wenn er Reklame machen kann. Für sein Buch (Lanz: „Muss man lesen!“) und für die Wasserstandsmeldungen aus der Kleeblattfarm. Klimatisch, behauptet Lindner, werde die Koalition zu 85 Prozent gelingen. Sachlich zu 85 Prozent misslingen. Soll das Betriebsklima die notwendige Sachpolitik ersetzen? Gelogen ist es außerdem. Ein arktischer Kälteeinbruch von der grünen Küste Schleswig-Holsteins ist gemeldet worden.

IV.

Der ganze Irrsinn ist am Soli zu sehen. Schon der typisch deutsche Moral-Begriff ist ein Oxymoron, von Beginn an ein Widerspruch in sich. Solidarität und Staatsmacht – zwangsvereint. Der Aufbau Ost ist erledigt. Der Soli ist Ausbeutung. Der Soli ist Diebstahl. Der Soli ist Rechtsbruch. Er müsste seit Jahren schon abgeschafft sein. In den Taschen der Bürger wäre das Geld am besten aufgehoben, nirgendwo sonst. Doch nun will man uns den teilweisen Verzicht auf Unrecht als Geschenk verkaufen.

V.

Die FDP brüstet sich dessen schon jetzt. Hält es für ihr Verdienst, wenn der Soli vielleicht doch jetzt schon möglicherweise allmählich schrittweise irgendwann verschwindet. Und das in einer Zeit, in der der Staat aus dem Vollen schöpft, die Steuereinnahmen von Rekord zu Rekord steigen – und die heimlichen Steuereinnahmen durch Progression Jahr für Jahr unverschämter werden. In der jeder halbwegs normal verdienende Arbeitnehmer als „Spitzenverdiener“geschröpft wird. Das soll ein „Erfolg“ der Liberalen sein? Wenn er es denn wäre! Die grünen Sozialisten machen nicht mit. Und die schwarzen Sozialisten tun so, als seien sie auf diesem Ohr schwerhörig.

VI.

Ihr ist das alles egal. Merkel kennt keine rote Linien, keine gelben, keine grünen, keine schwarzen. Sie schaut bloß zu. Hauptsache es kommt etwas zustande, was sie Kanzlerin sein lässt. Die zugleich dümmste und beste Frage von Lanz an Lindner begann im besten Sportreporterslang. Wieviel Angst haben Sie vor Angela Merkel? Lindner gab darauf keine Antwort. Er erzählte nur eine Anekdote. Nach den Koalitionsverhandlungen vor acht Jahren sagte Merkel zu Lindner und anderen jungen, aufbruchsfreudigen Abgeordneten: Ich werde schon dafür sorgen, dass ihr das Haus nicht abfackelt. Sie hatte angekündigt, jeden Neuanfang (und die FDP) zu ersticken.

VII.

Lindner aber hat höchsten Respekt vor Frau Merkel. Er wanzt sich jetzt öffentlich an sie heran. Doppelstrategisch. Wäre er in der Opposition, sagt er, würde er jetzt als erstes einen Untersuchungsausschuss beantragen, der Merkels Grenzöffnung verurteilt. In der Regierung genügt ihm eine „Änderung“ der Migrationspolitik. So gibt man Verantwortung an der Regierungsgarderobe ab.

VIII.

Lindner verrät sich: Die Gespräche, sagt er, dürften nicht geführt werden, wenn es das Ziel wäre, sie mit einem Showeffekt platzen zu lassen. Dürfen sie also nicht platzen? Oder nur nicht mit einem Showeffekt? Wie dann? Erst nach zwei Jahren Regierungsgewürge?

IX.

Klimapolitik, Migration. Die Vorverhandlungen haben sich festgefressen. Es gibt kein Konsenspapier. Nicht einmal das. Und es gibt kein Vertrauen zwischen den Verhandlungsparteien. Alle haben Lust auf Zukunft. Bloß können sie sich keine Zukunft vorstellen, auf die sie gemeinsam Lust hätten. Das lässt wirklich hoffen.

X.

Hoffen auf einen Oppositionspolitiker Christian Lindner.

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