Tichys Einblick
CDU-Parteitag

In Treue fest zu sich selbst: Hauptsache Regierungspartei

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, ist zwar kein Parteitagsmotto, hätte aber beim Bundesparteitag auch hinter Friedrich Merz an der Wand stehen können.

Nichts ist in der CDU größer als das Bedürfnis, endlich (nach nur drei Jahren) wieder an die Regierung zu kommen. Tatsächlich ist die Politik der Ampel-Koalition so desaströs, dass den Unionsparteien die Kanzlerschaft in den Schoß zu fallen scheint. Nach derzeitigem Stand. Die Union kann es nur noch selbst versieben. Widersacher aus dem eigenen Lager sind für Friedrich Merz die größte, ja die einzige Gefahr. Und sie sind zugleich die letzte Hoffnung für Olaf Scholz, der sich als „Friedenskanzler“ ein Wunder erhofft. Bei allem Realitätssinn: So viel Masochismus traut derzeit niemand weder Wüst noch Söder zu.

I.

Deshalb wäre es sinnlos, sich an Friedrich Merz abzuarbeiten. Das inoffizielle Parteitagsmotto (Wasch mir den Pelz…) ist quasi alternativlos. Wollte sich Merz an Merkel und ihrer bis heute aktiven Gefolgschaft abarbeiten, würden allenfalls die anderen Parteien davon profitieren. Das Versäumnis ist nicht aufzuholen, die richtige Zeit dafür verstrichen. Deshalb verzichtet die CDU auf Erinnerungskultur. Tempi passati. Die CDU ist nicht in der Lage, die sechzehn Merkel-Regierungsjahre als verlorene Jahre, geschweige denn als historische Schuld gegenüber dieser Republik zu begreifen. „Augen geradeaus!“ lautet der neue Befehl. Niemand schaut zurück. Politik ist nichts, was weiter reicht als bis zum nächsten Wahlkampf.

II.

Auch das neue Parteiprogramm ist ein Versuch, die Merkel-Jahre sang- und klanglos abzuheften. Es lässt viele, vor allem konservative Wünsche offen, ist aber ohnehin kein Regierungsprogramm. Manch notwendige Festlegung wird vermieden – etwa ein klares Bekenntnis zur Atomkraft heute (nicht nur zu deren Zukunft). Der Pelz ist farblich verwaschen, aber nicht gewaschen. Weil sie den absehbaren Erfolg nicht gefährden will, bleibt die CDU diffus und damit offen für künftige Koalitionspartner.

III.

Friedrich Merz weiß um seine Image-Schwächen, besonders bei Frauen. Die lassen sich ja auch nur mit dem Unterschied zu Merkel erklären. Vor allem, so banal tickt der Zeitgeist, mit dem biologischen. Soll er etwa seine Geschlechtsidentität gemäß dem neuem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) umdeklarieren? Was wäre denn eine Friederike Merz noch wert, wenn sie jedes Wort auf die Goldwaage legen würde. Seit dem Berliner Parteitag spricht er/sie/es wie ein/e Regierungschef:*_in, nicht wie ein Oppositionsführer. Hat da etwa jemand Führung bei ihm bestellt? Nein. Regieren ist bestellt. Der Unterschied zwischen Führen und Regieren ist nicht nur bei Scholz das zentrale Problem.

IV.

Es stellt sich die Frage, warum es die CDU nicht schafft, auf über vierzig Prozent zu kommen und nur bei etwa 30 Prozent bleibt? Die innerparteilichen Gegner von Merz wollen die Latte höher legen. Damit er sie reißen muss. Wenn es denn so einfach wäre. Es gibt keinen Weg zurück zur pluralistischen, mit unterscheidbaren Flügeln schlagenden Volkspartei. Die Parteienlandschaft hat sich unumkehrbar gewandelt und weiter ausdifferenziert. Die politische Kultur – auch das ein Erbe der Merkel-Zeit – ist von der unheilbaren Krankheit des Konformismus erfasst, und dieser Prozess (in der Thermodynamik Entropie genannt) ist noch nicht zu Ende. Der einzige tiefe Kontrast, der einzige echte Gegner ist die AfD. Deshalb das auch wahltaktisch notwendige Zusammenarbeitsverbot. Alles andere wäre ein Geschenk an die Parteien der Ampel. Zumindest in den ostdeutschen Ländern wird die CDU froh sein, dass in Sahra Wagenknecht womöglich eine alternative Alternative zur Wahl steht. Denn die Kleinparteien, die sich derzeit zwischen Union und AfD schieben, haben keine realistische Chance auf einen Einzug in den Bundestag.

V.

Merz entgegen kommt der Wechsel der Großwetterlage. In ganz Europa deutet alles auf einen konservativen Swing back hin. Der Green Deal wird gerade Stück für Stück rückabgewickelt. Ursula von der Leyen zur Spitzenkandidatin zu machen, war zwar ein unverzeihlicher Fehler, doch ist die einstige Musterschülerin Merkels nie etwas anderes gewesen als eine egomanische Opportunistin (ihrer einstigen Herrin darin nicht unähnlich). Das kommt Merz entgegen. Ein Konflikt weniger – und der Pelz bleibt trocken.

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