Der 1.1. ist nur ein Datum. Und eine schöne Illusion, mit dem neuen Jahr beginne wieder etwas mit der Eins. Unbefleckt soll es sein. Einfach. Es wiederholen sich aber nur die Vorsätze. Die unerfüllten Hoffnungen stapeln sich auf Wiedervorlage. Sobald wir die Neujahrsansprache des Bundeskanzlers gehört haben, wissen wir definitiv, dass alte Befürchtungen nur neu aufgelegt werden. Wir ertränken unseren Frust mit altem Wein aus alten Schläuchen.
I.
Was wir uns wünschen? Hauptsache gesund bleiben. Selbst dieser banalste aller Wünsche klingt heute schal und fast sarkastisch. Weil diese Hauptsache zur Tyrannei gemacht worden ist. Das unbedingt gesund bleiben vernagelt die Gehirne der eigenen Familie, der besten Freunde. Man muss nur zweimal niesen. Ein beunruhigtes „schon getestet?“ ist die Antwort. Ein „Steck uns bloß nicht an!“ unvermeidlich. „Bleib vorsichtshalber besser zuhause.“ Die Hysterie ist allgegenwärtig. Das C-Wort muss gar nicht fallen. Es ist allgegenwärtig. Es ist die Pest der Angst, die uns zu Krüppeln macht.
II.
Wir wissen zwar, dass sich nicht einfach alles genauso wiederholt. Anfang 22 können wir jedoch als sicher annehmen, dass die diensthabenden Hohlköpfe aus 21 nichts gelernt haben. Dass Panikmacher weiter Konjunktur haben, Schreihälse weiter mit Orden behängt werden. Ein Teil von Ihnen kann nicht aus Erfahrung lernen, ein anderer Teil will es nicht. Das haben Neurotiker so an sich. Allenfalls ziehen sie falsche Schlüsse, weil ja auch auch ihre Ängste mit den wahren Gefahren nichts zu tun haben. Sie legen es darauf an, die Bevölkerung in Angststarre zu halten. So allerdings, das ist die wahre Gefahr, wird aus Angst Depression. Doch wer wollte schon am 1.1. depressiv sein?
III.
Es ist abzusehen: Die Deutschen werden sich selbst am längsten mit „Maßnahmen“ peinigen – noch lange, nachdem die Pandemie vorüber gezogen ist. Und danach werden sie sich immer noch nicht ins Gesicht sehen wollen, im Nächsten vor allem eine Infektionsquelle erkennen, sich regelmäßig Impfstoffe in den Körper rammen lassen. Die Frage ist nicht mehr, wie man sich fühlt, sondern zu welcher Risikogruppe man zählt. Wir sind nicht glücklich damit – aber achtsam. Glück hat man sich früher einmal gewünscht. Glück kann man haben oder auch nicht. Deshalb ist Glück zu verbieten. Wir wollen Gewissheit. Und Gewissheit gibt es nur, wenn jedes Risiko polizeilich verboten ist. Die Risikogesellschaft hat das Risiko zusammen mit der Freiheit des Landes verwiesen. Achtsamkeit ist der Zentralbegriff der neuen Moral. Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Sie spricht aus uns heraus. Wir sind alle zu Ordnungshütern bestimmt und hüten die Ordnung in uns selbst. Achtsamkeit ist der Schlagstock der Moral, der jeden zweiten Gedanken niederknüppelt, ehe er überhaupt ausgesprochen wird. Ein glückliches Leben ist das nicht.
IV.
Von den falschen Ängsten zu den realen Gefahren zu wechseln, wäre eine Lösung. Vielleicht geschieht es ganz von allein. Ein Blackout wäre automatisch ein Lockdown, von dem die Lauterbachs dieser Welt nur träumen könnten. „Spaß“ beiseite. Ehe sie ihre Heizung nicht mehr bezahlen können, weil Energie unerschwinglich wird, und man vielleicht noch auf Essen verzichtet, weil schon die Inflation alles auffrisst, pfeifen die Leute auf die nächste Hysterie. Was nützt das schönste Klima, wenn man nicht mehr frei ist. Oder wie wäre es mit einem veritablen Krieg: Putin dreht in der Ukraine durch, Xi in Taiwan. Dann wäre das Virus aus Wuhan nur ein Lüftchen gewesen.
V.
Wir wollen die wahre Apokalypse nicht an die Wand malen. Es sind schon die falschen Menetekel zu viel gewesen. Das ist das eigentliche Unglück: Weil alles von Angst besetzt ist, ist auch alles so schwerfällig, mühsam, unübersichtlich und aufwendig geworden. Die Lust am Leben wird systematisch vergällt. Die Leichtigkeit des Seins ist zerstört. Reisen. Kaufen. Kultur genießen oder Sport: Alles maßlos kompliziert. Bei der geringsten Lebensäußerung sind wir von Prozeduren, Regularien, Kontrollen und Anweisungen gefesselt und in einem Labyrinth aus Fallstricken gefangen. Das wird mit dem Virus nicht vorbei sein. Der Bürger wird weiter zu Tode versichert. Ins Irreale verplant. Zum Verbraucher erniedrigt. Von allem verbraucht er zu viel. Verbraucher darf man deshalb nicht frei herum laufen lassen. Der härteste Knüppel der Tugendkoalition ist die Bürokratie. Mit der angedrohten Digitalisierung wird die Komplettüberwachung total sein.
VI.
So ist Hoffen an diesem 1.1. nichts weiter als Träumen. Ich habe eine ganz schlichten Traum. Mein Leben ist plötzlich wieder leicht und unkompliziert. Einfach nur leben! Das wünschen wir uns.