Auch wer nicht an die Auferstehung von den Toten glauben kann: Dieser Gedanke fasziniert jeden. Ostern ist eine Feier des Siegs über den Tod, also ein Fest des Lebens. Ganz säkular formuliert: Wer den Tod überwindet, besiegt die Natur. Denn alles, was die Natur hervorbringt, ist sterblich. Seit jeher versteht auch der Mensch das Töten, es ist seine Natur, denn er ist – homo homini lupus (Hobbes) – ein Raubtier.
I.
Ostern steht für die Überwindung des Todes – oder doch wenigstens der Todesangst, der dunklen Seiten der menschlichen Natur. Es ist nur spirituell möglich, bedarf einer Kraft jenseits der tierischen Triebhaftigkeit. Man mag sie Gott nennen. Oder Seele. Oder Moral. Oder einfach nur Vernunft. Der Mensch ist nicht nur schlecht. Er besitzt die Fähigkeit, sich selbst zu befreien, auch vom Bösen. Der Mensch ist in der Lage, sich zu zivilisieren.
II.
Das ist Ostern – ein Fest des Lichts. Der zivilisierte Mensch zähmte das Feuer, schaffte es, sich von den dunklen Abgründen seiner Natur zu emanzipieren. Das gelingt bis heute nicht immer, nicht überall und bei weitem nicht allen Exemplaren der Gattung homo sapiens. Der Mensch hat sich zum Zwecke der Zivilisierung einiges einfallen lassen: Wissenschaft, Technik – und Gesellschaft. Die Organisation von Gesellschaft nennen wir Staat. Vater Staat soll Mutter Natur zähmen. Das ist die Idee.
III.
Angesichts des gegenwärtigen Zustands der hiesigen Gesellschaft fällt auf, dass sie das verlernt hat. Vater Staat hat aufgehört, Mutter Natur zu zivilisieren. Im Gegenteil, Vater Staat hat sich Mutter Natur unterworfen. Der Staat war einmal eine Kraft, die den Staatsbürger vor den Gefahren der Natur (auch der menschlichen Natur) schützte. Heute benutzt der Staat Mutter Natur dazu, die Bürger zu unterwerfen. Er erklärt die „menschengemachte Klimakatastrophe“ als Frevel an Mutter Natur. Das ist die Logik des gegenwärtigen Kulturkampfs. Das Ostern der grünen Religion ist in ein atavistisches, primitives Stadium der Menschheit zurückgefallen.
IV.
Ostern ist ein Fest der Fruchtbarkeit. Ohne Sinnenlust ist Blühen sinnlos. Die Staatsführung dagegen macht Lustfeindlichkeit zum Prinzip. Die grünen Fundamentalisten verargen dem Bürger alles, wozu er Lust hat: Reisen, wohin er mag, essen, was ihm schmeckt, sagen, was er denkt, und leben, wie es ihm gefällt. Die neuen Moralapostelinnen halten Freiheit für Verschwendung und setzen der Lebenslust Wokeness entgegen. Es ist die Tyrannei der Gefühlsduselei über die Vernunft.
V.
Wenn Historiker, falls es sie dann noch gibt, in hundert Jahren auf das zurückschauen werden, was einmal „Westen“ oder „Abendland“ genannt worden war, werden sie eine puritanische Epoche beschreiben. Die Ur-Puritaner unter Oliver Cromwell im England des 17. Jahrhunderts verfolgten in ihrem Glaubenseifer ja auch schon gutes Essen. Davon hat sich die englische Küche bis heute nicht richtig erholt. Die grünen Puritaner heute haben es auch darauf angelegt. Das Ostermahl ist ihnen ohnehin fremd, weil nicht vegetarisch. Sie lieben nur lebende Lämmer, am liebsten schweigend, dumm und folgsam.
VI.
Wer den Tod überwinden will, darf ihn nicht fürchten. Auch das ist die Idee des christlichen Osterfests. Auf heute übertragen: Angst vor Krieg, verhindert Krieg nicht. Selbstabschrecker Scholz hisst vor Putin die weiße Fahne, die er sich gerade in Rom vom Papst hat überreichen lassen, der offenbar Ostern anders interpretiert als sein Chef. Der ließ sich nicht einschüchtern, als er noch ein Mensch war. Sein Triumph über den Tod war die Osterbotschaft an alle Menschen auf Erden.
VII.
So fällt heute ein Schatten auf das, was Ostern bedeutet. Ein Fest der Aufklärung sollte Ostern sein. Aufklärung – nur ein anderes Wort für die Auferstehung des Menschen aus selbstverschuldeter Unmündigkeit. Kant sagte: Befreiung. Aber was ist Auferstehung im Kern ihrer Bedeutung anderes als Befreiung von einer Kultur der Unwissenheit, der Dunkelheit, einer Kultur des Todes.