Tichys Einblick
Herles fällt auf

Ein Kanzler aus der Union

Unter CDU-Mitgliedern steht das Klima bereits nicht mehr ganz oben auf der Liste der Sorgen. Das wird von der Funktionärskaste der Immer-noch-Merkel-Partei ignoriert. Vor einem „schwarzen“ Kanzler müssen sich allenfalls die Schwarzen fürchten.

Nach heutigem Stand sieht es ganz danach aus, als werde der nächste Bundeskanzler aus den Reihen der Unionsparteien kommen. Vorausgesetzt, die CSU überspringt die bundesweite Fünf-Prozent-Hürde oder das neue Wahlrecht ist verfassungswidrig. Mit beidem ist zu rechnen. Und Scholz hat schon jetzt verspielt.

I.

Falls Markus Söder im Herbst die Landtagswahlen in Bayern überzeugend gewinnt – nach mageren 37,2 Prozent 2018 liegt die Latte bei deutlich über 40 Prozent –, kann ihn niemand und nichts daran hindern, erneut um die Kanzlerkandidatur zu intrigieren, schon gar nicht sein Geschwätz von heute. Es wird ihm nicht schwer fallen, den stromlinienförmigen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zu beschädigen. Falls Söder für die Union antritt, rechnet er fest mit der Vergesslichkeit der Wähler. Als Anführer des Teams Vorschrift erwies er sich in bitteren Covid-Zeiten als fanatischer Feind der Freiheit. Als Umweltminister drohte er mit Rücktritt, so sehr lag ihm der Ausstieg aus der Atomenergie am Herzen. Aus welchen Gründen auch immer – auch um sich von seinem Erzwidersacher Seehofer abzusetzen – hechelte er Merkel hinterher. Söders Opportunismus ist unschlagbar. Im Zweifel umarmt er nicht nur wieder Bäume, sondern sogar Ricarda Lang, ein Kunststück, mit dem er in der Berliner Manege Beifall ernten könnte. Kurzum: Mit Söder ist zu rechnen – obwohl sogar Merz als der vergleichsweise Verlässlichere erscheinen mag.

II.

Die CDU wiederum ist eine Partei, die sich nie als Programmpartei verstand, sondern als Kanzlerpartei. Unter der unseligen Herrschaft Merkels war weder ein Programm noch überhaupt ein liberal-konservatives Profil zu erkennen. Maßstäbe – ausschließlich rot-grün orientiert – setzte allein die Vorsitzende. Das versucht die CDU mit Fleiß (in der bayerischen Doppelbedeutung des Ausdrucks: emsig und absichtlich) zu vertuschen. Dem dient das Anfang nächsten Jahres zu beschließende Partei-Programm. Es soll die CDU aus der Verlegenheit befreien, sich offen von Merkel distanzieren zu müssen, was bis heute nicht geschieht. Sie wird sich in Zukunft immer nur auf ihr neues Programm berufen – eine Art posttraumatisches Therapiepapier.

III.

Friedrich Merz wird sich um das Parteiprogramm so wenig scheren wie seine Vorgänger. Er will so bequem regieren wie nur möglich. Kein CDU-Programm kann ihn daran hindern, den Forderungen der Grünen – seinen mutmaßlichen Koalitionspartnern – entgegenzukommen. Die Grünen werden sich erfolgreich dagegen wehren, dass ein Unionskanzler, ob er Merz heißt oder Söder, die schlimmsten Entscheidungen der Ampel revidiert: den Terror in den Heizungskellern, die Deindustrialisierung, die Wohnungsnot, den Atomausstieg und all die anderen Energiewendeidiotien, geschweige denn die Asylpolitik. Auch in Brüssel wäre ein vollkommen anderes Auftreten der deutschen Konservativen nötig. Dort stehen sie unter der Fuchtel der Merkel-Gesellin von der Leyen. Manfred Weber von der CSU macht so zaghafte wie vergebliche Anstalten, sich von ihrer Politik zu distanzieren. Wer auch immer in Berlin ans Ruder kommen wird – für den notwendigen Kurswechsel besteht nur geringe Hoffnung. Es fehlt jetzt schon das Vertrauen, dass unter einem Unionskanzler die Weichen wirklich neu gestellt werden. Obwohl zu allem anderen nichts dringender wäre als eine geistig-moralische Wende im Freiheit und Wohlstand zerstörenden Kulturkampf der grün verseuchten politischen Klasse.

IV.

Die Wahl in Bremen hat gezeigt, dass der Schmusekurs der CDU nichts bringt. Die Hoffnung nährt sich paradoxerweise allein aus der Befürchtung, der grün-rote Wohlfahrtsausschuss werde bis zur Bundestagswahl in Berlin noch so viel zusätzliches Unheil anrichten, dass die Grünen doch noch eine so deutliche Quittung kassieren, dass es für Schwarz-Grün nicht reicht. Dann bekäme erneut die FDP als dritte Partei eine unverdiente Chance, dann unter für sie günstigeren Bedingungen. Merz und Söder ist zwar nicht über den Weg zu trauen, aber der Habeck-Sekte werden sie nicht ganz so zuvorkommend begegnen wie Scholz. Bleibt als Alternative nur das Berliner Modell eines Bündnisses mit einer desaströsen, überwiegend mit sich selbst beschäftigten SPD. Scholz hat dann fertig. Vizekanzler: Pistorius. Rosige Aussichten sind das alles nicht.

V.

Die Ampel wird bis Herbst 2025 vermutlich halten. Aber es kann bis dahin noch viel geschehen, was die Welt nachhaltig erschüttert und die Klimapolitik von Platz eins der wichtigsten Menschheitsprobleme verdrängt. Putin und Xi sind unberechenbarer als das Wetter. Unter CDU-Mitgliedern steht das Klima bereits nicht mehr ganz oben auf der Liste der Sorgen. Das wird von der Funktionärskaste der Immer-noch-Merkel-Partei ignoriert. Vor einem „schwarzen“ Kanzler müssen sich allenfalls die Schwarzen fürchten.

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