Tichys Einblick
Ein schwarzer Freitag der deutschen Demokratie

Ehe für niemand! Zensur für jeden! Merkel für sich!

Schulz muss sich fragen lassen, wieso ihm jetzt erst einfällt, dass die gemeinsame Kanzlerin der Demokratie schadet. Tut sie seit langem. Nun hat sie im Handstreich eine weitere Grundmauer des Unions-Konservativismus flach gelegt.

Innerhalb weniger Minuten, ohne auch nur den Versuch halbwegs ernsthafter Debatten, zerschlug der Bundestag zwei Grundpfeiler unseres Gemeinwesens.

I.

Dieser letzte Tag der Legislaturperiode ist eine bleibende Schande für das Parlament. Er hinterlässt kaum wieder gut zu machenden Schaden für die Demokratie. Wenigstens beim Schämen sollten sich die Abgeordneten ihrem Gewissen unterwerfen – sollte es noch auffindbar sein.

II.

Die de facto parteilose, gesinnungslose, sprachlose, stillose, anstandslose und in ihrer machtversessenen Trickserei schamlose Kanzlerin hat sich so ruchlos wie nie zuvor offenbart. Und kein Aufstand fegt wenigstens durch die Parteien, die sich von ihr so gründlich zum Narren halten lassen, weil M Macht und Posten verspricht. Die CDU hat an diesem Freitag gleich zwei Buchstaben in ihrem Namen verblassen lassen. Das C und das D.

III.

Fangen wir mit dem D an. Dass Zensur nicht stattfinde, ist einer der Witze in jenem älteren Text, mit dessen herausgerissenen Blättern sich die Kanzlerin gern die Nase schnäuzt. Das Grundgesetz ist ihr so egal wie alles andere. Dass sie ihren wild gewordenen „Justizminister“ sein „Netzdurchsetzungsgesetz“ (was für ein verräterisches Wort) unwidersprochen durchsetzen lässt, ist eine bodenlose Missachtung der Meinungsfreiheit. Offenbar ist die nicht so gravierend im „Wertesystem“ der DDR-gestählten Kanzlerin, dass es sich dafür lohnte, Richtlinienkompetenz in Anspruch zu nehmen. Der Rechtsstaat gilt nun im Netz nur noch sehr eingeschränkt. Denn der Staat lässt Zensur nicht nur zu, er privatisiert sie auch noch. Zensur quasi für jeden. Das hat es noch nicht gegeben.

IV.

M´s Entscheidungen kommen scheinbar ohne Entscheidung aus. Sie trete dem Unausweichlichen nur einfach nicht länger in den Weg, schreiben die Merkelologen und bewundern sie für diese Kühnheit. Genau das ist einer ihrer infamen Tricks. Durch und durch verlogen ihr verfitzter Satzknoten, der damit beginnt: „Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen…“ und mit „… als jetzt durch Mehrheitsbeschluss irgendwas durchzupauken“ endet. Zu nichts anderem als zum Durchpauken hat sie die Sache geführt. Dafür die SPD verantwortlich zu machen, ist absurd. M hat genau gewusst, was sie zum Ausdruck brachte. Selbst wenn sie das Gesagte unsäglich verknotet, weiß sie genau, was der gebrochene Wortwulst bewirken soll. Sie und niemand sonst hat das Scheunentor geöffnet, durch das Rot-Rot-Grün mit Pauken und Trompeten stürmen durfte. An Falschheit nicht zu überbieten ist, dass sie, der das alles zu verdanken ist, selbst mit Nein stimmte.

V.

Gewissenlos, alternativlos, diskussionslos von „Gewissensentscheidung“ zu sprechen, ist obszön. Die Kanzlerin hat über die Köpfe der für ihr Gewissen vermeintlich selbst verantwortlichen Abgeordneten hinweg nämlich beschieden, dass es auf deren Gewissen gar nicht mehr ankommt. Statt eine offenen Debatte in den dafür zuständigen Parlamentsgremien zu führen, stellte die Kanzlerin im Brigitte-Kaffeekränzchen die nur ihrem Gewissen verantwortlichen Abgeordneten ex cathedra vor vollendete Tatsachen. Wahrlich ein Anschlag auf die Demokratie, und bekanntlich nicht ihr erster. Wäre Fraktionschef Kauder nicht bloß Merkels Hausmeister, wäre er sofort zurückgetreten. Es hat aus seinem M-Bewunderungsverein noch nicht einmal jemand seinen Rücktritt gefordert.  Es fehlt inzwischen jede Selbstachtung.

VI.

Warum sollte die „Ehe für alle“ eine Gewissensentscheidung sein? Im Prinzip geht es den säkularen Staat nichts an, wer mit wem aus welchen sexuellen oder anderen Gründen in welcher Beziehung lebt. Es gibt kein staatliches Sakrament der Ehe. Aber darum geht es gar nicht. Die staatliche Ehe ist ein enormes materielles Privileg. Die Erteilung von Privilegien aber kann keine Gewissensentscheidung sein. Das Interesse des Staates muss allein an der Reproduktion von Staatsbürgern liegen. Noch hat die Natur dafür Mann und Frau vorgesehen. Wenn der Staat nicht mehr bereit ist, dies anzuerkennen, entfällt die Grundlage für den besonderen „Schutz“ der Ehe.

Es wäre also ehrlicher, die Privilegien allein an die Geburt von Nachwuchs zu knüpfen. Wenn schon die traditionelle Ehe staatlicherseits bedeutungslos wird, dann bitte eine gründliche und systematische Reform. Dass ausgerechnet die Befürworter alternativer Lebensentwürfe so vehement um die sch***bürgerliche Ehe kämpfen, beweist doch, dass es ihnen nur um Privilegien geht. Die „Ehe für alle“ ist nicht besser, als es die „Ehe für niemanden“ wäre. Unter den herrschenden Umständen bin ich entschieden für weniger Staat. Der kümmert sich bitte nur noch um die Kinder, nicht länger um Lebenspartnerschaften. Das wäre eine wirklich liberale Position. Die „Ehe für alle“ ist nur ein verlogenes Produkt des Zeitgeistes.

VII.

Aber das wird von dieser kinderlosen Kanzlerin so wenig bedacht wie von ihrem liebsten Bettvorleger. Auch Seehofer hat sich bekanntlich als standhafter Verteidiger des christlichen Familienbilds persönliche Verdienste erworben. Ist ja auch egal, wenn es allein ums Machtkalkül geht.

Gewiss: Martin Schulz meinte etwas anderes, als er Merkel jüngst einen „Anschlag auf die Demokratie“ vorwarf. Er sprach von der asymmetrischen Demobilisierung, die Merkel betreibt. Mit der Entkernung ihrer Partei betreibt sie das Konzept auch in den eigenen Reihen seit Jahren erfolgreich. Umso mehr muss sich Schulz fragen lassen, wieso ihm jetzt erst einfällt, dass die gemeinsame Kanzlerin der Demokratie schadet. Sie schadet ihr seit langem. Deprimierend ist ja nicht bloß diese schäbige Kanzler-Darstellerin, sondern dass sich die Mehrheit der Gesellschaft von ihr blenden lässt, und im Parlament niemand revoltiert (bis auf einen einzelnen, übrigens schwulen SPD-Abgeordneten). Es gibt kaum noch Gespür für Anstand im Hohen Haus.

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