„Ich halte es in diesem Scheißland nicht mehr aus.“ Man könnte auch die Wand anbrüllen. Aber da sitzt Selma auf dem Sofa, die Frau, mit der ich am liebsten streite.
„Stell dich nicht so an“, antwortet sie. „Wir waren gerade zwei Wochen in Italien. Sei froh, dass das überhaupt möglich war. Und mach jetzt kein Theater, nur weil du wieder zuhause bist.“
„Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein unfreundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“
„Kommt mir bekannt vor. Seit wann bedienst du dich bei der?“
„Ich bediene mich nicht bei der. Ich bin bedient.“
„Gib es auf! Wir müssen Merkel ertragen wie die Amerikaner Trump. Man nennt es Demokratie.“
„Trump kann höchstens einmal wiedergewählt werden. Man nennt es Demokratie.“
„Sie geht freiwillig.“
„Muss ich ihr dafür auch noch dankbar sein?“
„Die meisten deiner Mitbürgerinnen und Mitbürger sind es.“
„Dafür?“
„Für alles. Und was denn für Notsituationen? Uns geht es verhältnismäßig blendend. Oder interessieren Dich neuerdings die Geflüchteten in Griechenland?“
„Für mich sind es immer noch Flüchtlinge.“
„Man sagt das nicht mehr.“
„Ich rede wie ich will.“
„Du bist aus Prinzip gegen alles, was allgemein akzeptiert wird. Macht es dir Spaß, dauernd anzuecken?“
„Sage ich doch. Ich muss hier raus.“
„Wohin denn?“
„Zum Beispiel nach Österreich.“
„Wien ist Risikogebiet.“
„Daran kann man sehen, wie alle durchdrehen. Niemand stirbt, der sich in Wien ein paar Tage lang vom Drosten-Söder-Deutschland erholt.“
„Die Infektionszahlen steigen nun einmal deutlich an.“
„Aber entscheidend ist allein die Zahl der schwer Erkrankten. Das sagt der Virologe Streeck, dem aber kaum jemand zuhört, während des Virologen Drostens Panikmache in Stein gemeißelt wird. Herbst und Winter werden grausam. Die Deutschen verbieten sich selbst das Leben. Die Pleitewelle wird wie ein Tsunami über sie schlagen. Dazu kommen die Schuldenkrise, die Klimakrise. Dann noch die Zuwanderung. Das sind schon keine Notsituationen mehr, es ist ein einziges Desaster.“
„Übertreib mal nicht! Zugegeben, es sind Herausforderungen. Aber wir schaffen das. Wir haben immer alles geschafft. Wir retten Menschenleben, das Klima und Europa dazu. Deutschland geht voran. Wer, wenn nicht wir?“
„Genau! Den Deutschen sind alle Krisen willkommen. Das ist ihre wahre Willkommenskultur. Die einzige Kultur, die sie noch haben. In der Krise erst kommen sie ganz zu sich. Die richtige Kultur machen sie gerade mit Hingabe kaputt.“
„Du bist unausstehlich.“
„Bin ich unausstehlich, weil ich darüber verzweifle, dass ein autoritärer Angeber wie Söder Kanzler werden könnte? Da wäre ich im Zweifel für Merkel.“
„Siehst du!“
„Jetzt lässt er in München nicht einmal wie versprochen zehn Prozent Zuschauer ins Olympiastadion.“
„Ich wusste gar nicht, dass dir der Fußball am Herzen liegt. Es ist eben zu gefährlich.“
„Ich bin erstens kein Fußballfan. Zweitens hat Söder das so nicht begründet. Er hat gesagt: Zehn Prozent Zuschauer seien `das falsche Signal´. Damit hat er sich verraten. Es geht ihm allein um das Hochhalten der Hysterie. Im Panikmodus regiert es sich gut. Das haben die Söders von den Klimahysterikern gelernt. Kommt auch noch gut an beim deutschen Wähler. Fehlen nur noch die Waldbrände! Eine Krise, die wir auch noch dringend brauchen.“
„Es wird bald kälter werden, du wirst schon sehen!“
„Jetzt zitierst du Trump!“
„Es passt dir trotzdem nicht, weil dir gar nichts mehr passt. Am Ende beklagst du dich noch über das schöne Wetter.“
„Nein, nur über die neue Fußgängerzone vor unserer Haustür.“
„Warum denn das?“
„Weil es keine Fußgängerzone ist, sondern eine Fahrradrennstrecke. Doppelt so gefährlich wie vorher die Autos. Es geht nur darum, den Autofahrern die Luft abzudrehen.“
„Darüber regst du dich ernsthaft auch noch auf? Die Friedrichstraße ist doch wirklich kein Thema. Berliner Kleinscheiß, mehr nicht. Rot-grün-rote Sandkastenspiele.“
„Passt aber ins Bild. Jetzt wird klar, weshalb Berlin unbedingt Hauptstadt werden musste. damit das ganze Land versifft. Die Autoindustrie wird systematisch gekillt. An vorderster Front: Merkel-Freundin von der Leyen. Europa verschärft die Klimaauflagen schon wieder radikal.“
„Und entfacht eine ungeheuere wirtschaftliche Dynamik.“
„Wer kümmert sich um die Arbeitslosen?“
„Was zählen ein paar Existenzen, wenn es ums Klima geht.“
„Was zählen ein paar Coronatote, wenn es ums Leben geht.“ Jetzt schreie ich doch noch die Wand an. Auch wenn es nichts nützt. Abgesehen davon, dass Selma fluchtartig den Raum verlässt.