Tichys Einblick
Corona-Psychologie

Die Pandemiker – eine Typologie

Nach ihren Reaktionen auf die Virus-Gefahr und die Politik lassen sich sechs Typen in der panisch-pandemischen Massengesellschaft ausmachen.

Fassungsloses Kopfschütteln über die panisch-pandemische Massengesellschaft. Was ist da los? Kommen uns wirklich Millionen Geisterfahrer entgegen? Ganz so einfach ist es nicht. Wir gehen dem Befinden der Bevölkerung deshalb psychologisch auf den Grund. Hier meine kleine Typologie.

Wie bei allen persönlichkeitspsychologischen Typologien kommen auch die sechs pandemischen Stile selten in reiner Ausprägung, sondern meist in individueller Mischung vor, wobei jedoch jeweils stets ein Stil hervorsticht.

I.

Der Abtaucher. Er würde am liebsten in den Winterschlaf fallen, unsichtbar sein, verschwinden – bloß wohin? Er hat resigniert, denn Widerstand erscheint ihm zwecklos. Er weiß, es läuft falsch, aber er weiß es auch nicht besser. Er weiß nur, dass er besser nichts mehr wissen will. Wer nicht hören will, muss auch nichts fühlen. Also schweigt er. Er will sich das Leben nicht schwerer machen, als es ist, und es sich nicht auch noch mit Freunden, Kollegen, Nachbarn, Famlienangehörigen verderben. Zum Zürnen geht er in den Keller. Vielleicht findet er dort noch ein brauchbares Fläschchen Bordeaux zur Betäubung. Davon hält er mehr als von transzendentalen Fluchten. Seiner Ermattung setzt er nichts entgegen, hat sich sogar schon dabei ertappt, aus lauter Langeweile Bares für Rares zu gucken – immer noch besser als das heute-journal. So flach atmen wie möglich, ist seine Überlebensmethode. Die Maske dient ihm weniger als Schutz, denn als Versteck vor Panik und Präpotenz der anderen. Es ist sinnlos, denkt er, gegen die vermeintliche Mehrheit aufzubegehren. Dabei ahnt er, dass seinesgleichen die Mehrheit ist.

II.

Der Leidenssüchtige. Er sieht selbst in Scheiße noch etwas Heiliges. Deshalb verwechselt er Katastrophe mit Katharsis. Ja, bitte noch härter! Wir haben es nicht besser verdient. Er leidet und er leidet persönlich gern, weil er sich einbildet, damit der Menschheit Leiden zu ersparen. Am liebsten trüge er die Maske auch noch im Bett. In seiner Nähe erträgt er niemanden mehr, bloß noch das eigene Gewissen. Ich verzichte, also bin ich. Nur in Isolation sind wir eine starke Gemeinschaft. Aus dieser Perversion hält er Kasteiung für Moral, und glaubt fest daran, dass nur Moral die Seuche besiegen kann. Deshalb erklärt er die Selbstgeißelung zur Therapie, den Stillstand zu Fortschritt, während er den Fortschritt mit Rückschritt verwechselt, ob bei Corona oder beim Klima. Der Sadomasopandemiker rottet alles Begehren in sich aus. – außer eben die Lust am Leiden. Banaler formuliert: Ohne Schmerz kriegt er keinen hoch.

III.

Der Anmaßer. Vor ihm ist niemand sicher, weil er sich selbst überall unsicher fühlt. Er ist der größte Angsthase. Seine Angst bekommt er nur in den Griff, indem er sie in Aggression umwandelt. Er will Andersdenkende bestrafen. Deshalb attackiert er jeden, der sich dem totalen Kontrollzwang – seinem Leitbild – entzieht. Kraft gibt ihm, dass er sich als Hilfsorgan der Obrigkeit fühlt. Also weist er unentwegt zurecht, zeigt an, misst nach, achtet auf alle Unachtsamen, von denen er sich bedroht fühlt. Im Grunde fühlt er sich benachteiligt und ständig von Mitmenschen bedroht, die sich so etwas Überflüssiges wie Freiheit herausnehmen. Jetzt sind die anderen für ihn nur noch Seuchenverbreiter, Schädlinge. Die Pandemie nimmt ihm endlich einmal sein Unterlegenheitsgefühl. Er steht auf der Seite der Macht, also obenauf. Seinetwegen kann die Seuche ewig dauern.

IV.

Der Schutzsucher. Er ist so verunsichert, dass er seinem eigenen Kopf nicht mehr vertraut. Also verliert er ihn. Er kann und will den eigenen Verstand nicht gebrauchen. Ihn hat die Pandemie in die perfekte Panik versetzt. Also kann und will er nur noch tun, was andere an seiner Stelle für richtig und vernünftig halten. Das will er möglichst alternativlos haben. Penibel befolgt er alles, was ihm vorgeschrieben oder auch nur empfohlen wird. Freilich beruhigt ihn dies nicht. Im Gegenteil, er kann an gar nichts anderes mehr denken als an die Katastrophe. Er hockt in einem geistigen Luftschutzbunker, zittert vor dem nächsten Einschlag, den ihm die Medien täglich liefern, und betet den schmerzhaften Rosenkranz. Heilige Mutti Angela, bitt für uns! Für ihn ist „Mutti“ keine Verunglimpfung, sondern wahre Empfindung.

V.

Der Wahn-Sinnige. Er gehört einer kleinen Minderheit an, die aber viel Lärm erzeugt – oder besser: auf sich zieht. Angst kann zu sehr verschiedenen Fluchtreflexen führen. Angst wird auch überflüssig, wenn es gar keine Bedrohung gibt. Auch die Macht der Mehrheit – sie ersetzt mühelos die Angst vor der Pandemie. Der Wahn-Sinnige sieht sich von finsteren Mächten umzingelt. Der Erreger ist für ihn eine Erfindung. Er leugnet die Wucht der Pandemie ebenso wie den Wert der Impfung. So absurd kann gar keine Verschwörungstheorie sein, dass sie ihm nicht willkommen wäre. Sie hellt die Stimmung auf wie magic mushrooms. Bloß nicht aufwachen!

VI.

Der Ignorant. Er hält sich wohl oder übel an alle Auflagen – solange er unbedingt muss. Er ignoriert sie, soweit es gefahrlos möglich ist. Natürlich sitzt er mit mehr als einer haushaltsfremden Person am Tisch. Man kann ihn nicht für blöd verkaufen. Er will bloß keinen Ärger bekommen, es ist alles schon bescheuert genug. Er weiß, wie willkürlich und wirkungslos viele sogenannte Maßnahmen sind. Sie sollen ablenken von Angst und Hilflosigkeit der regierenden Versager. Er leugnet das Virus nicht, hält nur den Coronapopulismus für bedrohlicher als Corona selbst. Das aber heißt: Der eigentliche Feind ist die eigene Regierung. Er fühlt sich von ihr nicht repräsentiert. Der Freiheitsentzug ist bitter, nur leider auch nicht zu ändern, mangels ausreichend Vernunft im Lande. Auch darunter leidet er mehr als unter dem Virus. Sein Motto: Cogito ergo dubito. Ich denke, also zweifle ich.

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