Die CSU will ARD und ZDF zusammenlegen. Ist der Vorschlag „rechtspopulistisch“? Die Anstalten verweigern die Debatte. Unverzichtbar bleibt öffentlich-rechtlicher Rundfunk mitten im Wandel dieser Republik, unanfechtbar ist er nicht. Eine grundlegende Reform des Systems ist unvermeidlich. Aber die Debatte läuft in die falsche Richtung. Geredet wird, als sei alles nur ein Problem der Betriebswirtschaft. In Wahrheit geht es um die Qualität des demokratischen Diskurses.
I.
Achteinhalb Milliarden Euro Zwangsgebühren kassieren die Anstalten pro Jahr dafür, dass sie nicht im Wettbewerb mit den Kommerzsendern stehen, sich ganz auf ihren gesellschaftlichen Auftrag konzentrieren können. Wenn sie es nur täten! In Wahrheit regieren bei ARD und ZDF allein die Einschaltquoten. Die Angst vor schlechten Quoten ist die schärfste Schere, die in den Köpfen der Fernsehmacher klappert, schärfer noch als ihre Unterwürfigkeit gegenüber den herrschenden Parteien. Die Folge: Immer mehr Programme – doch zugleich immer weniger Vielfalt. Krimis, Fußball, Talk ohne Ende – kaum noch hochklassige, aufregende Informations- und Bildungsangebote. Es steht vieles auf der Karte dieses Restaurants, vieles zwischen Currywurst und Schnitzel. Zuviel und zu wenig zugleich. Überwürzte Industriepampe, vollgepumpt mit Geschmacksverstärkern. Kantinenfraß. Aber so gut wie nichts für Feinschmecker. Zählt nur noch die Masse? Ja, weil nur noch die Quote zählt. Ein Klima der Mutlosigkeit macht sich breit. Die Anstalten halten sich an den Mainstream in Geschmacksfragen, so wie sie sich an den Mainstream der politischen Meinungen halten. Statt Kreativität herrscht Gefallsucht. Die Popularität von ein paar Satire-Formaten belegt nur, wie öde das journalistische Angebot inzwischen geworden ist.
II.
Würden sie sich auf das beschränken, was „Grundversorgung“ heißt, bräuchte man in der Tat nicht zwanzig öffentlich-rechtliche Fernsehkanäle und ein Vielfaches an Radiowellen. Grundversorgung aber bedeutet mehr als Championsleague mit Pausenjournal, mehr als mit politischen Akteuren plaudernde Unterhaltungsfuzzis (Lanz & Co.), mehr als ein einziges halbstündiges Kulturmagazin pro Woche zu nachtschlafener Zeit in den Hauptprogrammen. Gottlob gibt es wenigstens noch das Erste und das Zweite.
III.
Der CSU kann man wie allen anderen Parteien auch nicht den Vorwurf ersparen, in den Aufsichtsgremien nichts gegen den zunehmenden Quotenwahn unternommen zu haben. Dem Banalitätenzirkus hat diese Partei doch applaudiert. Die Seichtigkeitsspirale ist auch der Pflichtvergessenheit derjenigen zu verdanken, die jetzt ARD und ZDF ans Leder wollen. Über lammfrohes Regierungsfernsehen etwa im Bayerischen Rundfunk hat sich die CSU jahrzehntelang nicht beschwert. Auch ihr kam es entgegen, dass die öffentlich-rechtlichen Programme in Konvergenz zum privaten Verblödungsfernsehen entpolitisiert wurden. Alles wurde zu Unterhaltung, auch Nachrichten, Dokumentationen, Talkshows. Der Ruf nach kritischerem, wacherem, offenerem Journalismus wird erst laut, seit die CSU nicht mehr mit Merkel kann und will. Und seitdem sich unter deren Ägide der Mainstream nach links verschob. Der frühere Erfolg dieser Kanzlerin bestand in nichts anderem als in der Betäubung der öffentlichen Debatten. Amüsiert euch, ich kümmere mich um den Rest. Erst jetzt, da Merkels Politik Europa, das Land und die Unionsparteien spaltet, kommt die CSU darauf, dass Gefühlshuberei kritische Analyse nicht ersetzen kann, und die mediale Versimpelung der hochkomplexen Welt nicht mehr gerecht wird.
IV.
Die Verkrustung des politischen Systems, die zunehmende Konvergenz der etablierten Parteien zwischen Linke und CDU, spiegelt sich also im Zustand der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Es sind insgesamt Krisensymptome dieser Demokratie. Harmoniesucht, moralisierende Besserwisserei, Visionsarmut, Diskursschwäche, Wagenburgmentalität. Letztlich sind auch die öffentlich-rechtlichen Sender mit dafür verantwortlich, dass am rechten Rand eine Partei stark geworden ist, die mit ihrem Lügenpressegeschrei Wähler anzieht.
V.
Mit einer bloßen Fusion von ARD und ZDF wäre es deshalb nicht getan. Wir brauchen nicht weniger, sondern ein besseres Programm. Wir sollten nicht zuerst fragen, was überflüssig ist, sondern, was notwendig. Diese Debatte hat noch gar nicht begonnen. Wer das Wort „Fusion“, locker-flockig in die Wahlkampfrunde wirft, muss sagen, was für ein Fernsehen er will. Natürlich verschleudern ARD und ZDF Geld. Sie sind überbürokratisiert und überreglementiert und unendlich müde, ängstlich und selbstgefällig geworden. Statt aber den Laden zu strangulieren, sollten die, die ihn bewegen können und wollen, ermuntert und befreit werden. Es gäbe Vorbilder. Deutschlandfunk und Deutschlandradio: Warum hat das Gebühren-Fernsehen unter den vielen Kanälen nicht einen von vergleichbarer Qualität?
VI.
Wenn denn öffentlich-rechtlicher Rundfunk von eminenter Bedeutung ist für den Diskursraum, den wir Demokratie nennen, dann sollte er aus Steuermitteln finanziert werden, ebenso wie Hochschulen, Theater und Museen. Wissenschaft und Kunst sind trotzdem unabhängig, und auch das Fernsehen wäre es. Unabhängiger jedenfalls als heute; denn mit den Zwangsgebühren begründen die Anstalten die Ödnis, sich überwiegend am Massengeschmack zu orientieren statt am gesellschaftlichen Auftrag. ARD und ZDF könnten sich unter dem Dach einer Stiftung neu finden. Ihnen nur die Mittel zu nehmen, hieße das Bad mit dem Kind auszuschütten. Mehr kritischer Journalismus, mehr Kultur, mehr Bildung ist nicht mit weniger Geld zu machen. Die Mittel umzuschichten wäre notwendig. Weniger für Sportrechte, weniger für Unterhaltungsramsch und Serienödnis, weniger für Verwaltung. Ist die Qualitäts-Diskussion endlich eröffnet? Notwendig wäre sie. Aber ich fürchte, daran sind die Parteien – siehe oben – gar nicht interessiert.