Man stelle sich vor, Zeugen Jehovas säßen ständig in Talkshows, im Parlament würde unentwegt der Wachturm zitiert, in der Qualitätspresse erschienen Interviews mit führenden „Endzeit-Experten“, die für seriöse Wissenschaftler gehalten und deren Institute vom Staat finanziert werden. Es wäre zum Brüllen komisch, doch es handelt sich nicht um Zeugen Jehovas, sondern um Klimaforscher. Und der Weltuntergangssekte folgen Regierungen und Millionen Wähler.
I.
Die Geschichte erinnert an das Mittelalter. Die Europäer glaubten damals noch an den Satan, an die Hölle und hielten die Pest für ein göttliches Strafgericht. Heute wird das etwas wissenschaftlicher formuliert: Die Apokalyptik steht in hohem Ansehen.
II.
Apokalyptik ist keine Wissenschaft, sondern ein soziologisches Phänomen von instabilen, dekadenten Gesellschaften, deren Existenz nicht unbedingt bedroht ist, die sich aber bedroht fühlen. Das ist das Einfallstor der Apokalyptiker. Aus einer erst nur apolitischen, religiösen wird so eine politische Bewegung. Wenn ihr der überforderte, verängstigte Bürger nicht folgt, grenzt er sich selbst aus. Apokalypse now. Wikipedia: „Diese Bewegung ist vor allem durch ein negatives Weltbild geprägt.“ Es kann „von Weltflucht bis zu aktivistischer Weltveränderung, von Pazifismus bis zu Terrorismus führen“. Damit ist nicht zu spaßen. „Der Apokalyptiker erhebt den Anspruch, die Funktionsweise der Welt schlechthin erkannt zu haben.“
III.
Weltuntergangspropheten halten die Gesellschaft für selbstzerstörerisch. In Wahrheit zerstören die Apokalyptiker die Gesellschaft. Bedrohlich wird es, wenn die Subkultur der Apokalyptiker den Kulturkampf gewinnt, der Gesellschaft ihr Weltbild aufzwingt und damit selbst zur Mehrheitsgesellschaft wird. Apokalyptiker laden ihr Weltbild moralisch auf. „Gerade dieser ethische Anspruch treibt die Apokalyptiker aus der Gesellschaft heraus.“ Vor 700 Jahren war es noch so. Heute ist es umgekehrt.
IV.
Die Davos-Society applaudierte jetzt dem Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgeforschung, das längst hätte umgetauft werden müssen in Potsdam-Institut für Apokalypse. Johan Rockström beschwor den Weltuntergang mit Hilfe angeblicher wissenschaftlicher Beweise. In der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius sieht er eine „physikalische Größe“, kein politisches Ziel. Das biophysikalische System der Welt sei im Kippen. Sechzehn miteinander verbundene „Kipppunkte“ – vom Grönlandeis bis zu den Korallenriffen – markieren für ihn eine „planetarische Krise“ und stellen die Zukunft der Menschheit bereits jetzt in Frage. Von einem Anstieg des Meeresspiegels um 10 Meter ist die Rede: pure Panik vor der großen Sintflut. Die Apokalypse dient einem einzigen Zweck, nicht der Rettung der Welt, sondern der Gehirnwäsche der Menschheit, die sich mit der „großen Transformation“ abfinden soll. „Wissenschaft“ maßt sich an, politische Ziele zu formulieren. So war das bei Covid – beim Klima ist alles noch viel radikaler.
V.
Der UN-Klimarat sieht es anders, sieht keinerlei Evidenz der „Kipppunkte“. Das Max-Planck-Institut für Meteorologie bezweifelt überhaupt deren Existenz. Aber seine Direktoren und die vielen anderen den Fakten und der Vernunft verpflichteten Forscher sprechen nicht in Davos. Stattdessen schwadroniert der frühere US-Vizepräsident Al Gore, der den Klimawandel zum lukrativen Geschäftsmodell erkoren hat, von „kochenden Ozeanen“ und vergleicht den Treibhauseffekt mit der Explosion von Millionen Atombomben.
VI.
Die Welt kann nicht von Apokalyptikern gerettet werden, und auch nicht von Kapitalisten, die aus dem apokalyptischen Antikapitalismus Kapital schlagen. Es würde schon genügen, die Welt vor den Apokalyptikern zu retten. Die Zukunft der Menschheit wird, so viel steht fest, von Milliarden armer Leuten in Asien, Südamerika und Afrika entschieden. Die scheren sich nicht um Klimawandel, weil sie arm sind. Wer die Welt retten will, muss sie aus der Armut befreien. Aber das ist kein so schicker und schlichter Gedanke wie die Theorie der „Kipppunkte“.