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Da braut sich etwas zusammen – der EU-Wetterbericht

Der Wahlkampf zum EU-Parlament ist ein Lehrstück dafür, wie Wahlkämpfe nicht sein sollten. Hier die denkbar größte Weiterso-Fraktion, dort die bösen Populisten. Nirgendwo eine Lösung des fundamentalen Widerspruchs: Erweitern und zugleich Zentralisieren passen nicht zusammen. Kein Wettstreit neuer Ideen, sondern nur die Akklamation alter Bekenntnisse. Dabei wird diese Wahl in Deutschland vor allem als Nebenschauplatz des innenpolitischen Machtkampfs zum Ende der Ära Merkel wahrgenommen.

I.

Merkels Klimapolitik ist absurd. Einerseits teilt die Pastorentochter die religiöse Inbrunst der Klimahysteriker, andererseits geht es auf ihre Kappe, dass Deutschland zwar die höchsten Strompreise schafft, aber nicht nennenswert weniger Kohlendioxyd-Ausstoß. Besonders heuchlerisch ist, dass sie sich nun Macrons Versprechen anschließt. Ein kohlendioxydneutrales Europa bis 2050 ist möglich, wenn man auf Kernenergie setzt wie Frankreich. Hält Merkel die Bevölkerung für so beschränkt, diesen kleinen, aber entscheidenden Unterschied zu übersehen? Das Versagen der deutschen Klimapolitik ist ohne die Verteufelung der Kernenergie nicht zu erklären. Realitätsverweigerung plus Staatsversagen in Personalunion.

II.

Die Person heißt Merkel. Sie missbraucht die Klimadebatte für ihre persönliches Machtspiel. Es geht so: Der Spitzenkandidat der Unionsparteien bei der Europawahl heißt Manfred Weber und ist – man kann es jeden Abend im Fernsehen bestaunen – eine Pfeife. Eine beflissene Floskelschleuder, ein farbloser Funktionärsdarsteller, der sich von seinem weltgewandten sozialdemokratischen Konkurrenten Frans Timmermans inhaltlich nur in Nuancen unterscheidet und dadurch, dass der Holländer der deutschen Sprache entschieden mehr abgewinnen kann als der Niederbayer. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass er nicht Kommissionspräsident wird, unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht. Merkel ist das gerade recht. Sie wird sich, den wohlfeilen jüngsten Beteuerungen zum Trotz, eben notfalls selbst in eine neue Amtspflicht nehmen lassen. Deshalb steht sie nicht mit ganzer Kraft hinter dem CSU-Mann und natürlich auch nicht hinter Bundesbankpräsident Jens Weidmann als Kandidaten für die Chefposition der Zentralbank. Es wäre für die geschröpften Deutschen die bei weitem wichtigere Personalie. Was nützt eine Rats- oder Komissionspräsidentin, die seit jeher deutsche Interessen leugnet und für die notwendige Reform der EU noch nie ein Konzept vorzuweisen hatte. Sie wäre die Frühstückspräsidentin der Brüsseler Berufszentralisten. Weber war von Anfang an nur Platzhalter. Am Ende wird seine mangelnde Eignung Vorwand sein, weshalb Merkel unbedingt nach Brüssel muss.

III.

Erst einmal lässt sich mittels CSU-Mann Weber Söder ruhig stellen, wenn es um das Ende der Großen Koalition und damit der Kanzlerschaft Merkels geht. Es ist der zweite Teil des Machtspiels. Merkel soll nicht in Berlin stürzen, sondern im höheren Interesse aus Berlin hinaus befördert werden. Deshalb schweigt auch AKK. Sie will nicht am Kanzlerstuhl sägen. Es reicht ihr schon, dass Merkel nicht mehr die Richtlinien der deutschen Politik bestimmt.

IV.

Merkel will längst nur noch die Richtlinien der europäischen Politik bestimmen und versucht ihr einen deutschen Sonderweg nach dem anderen aufzuzwingen. Nicht ohne Erfolg, auch wenn mancher Sonderweg so verheerend ist wie die Schwächung der deutschen Automobilindustrie. Anders gesagt: Die deutschen Sonderwege, die auf Merkels Konto gehen, schaden meistens Deutschland. Historiker könnten diese im Privatleben Sadomasochismus genannte Methode später einmal als Nationalmoralismus bezeichnen. Merkel erzielt damit seit Jahren Wirkung. Ihre Öffnet-die-Tür-Politik treibt gerade die Briten aus der Union.

V.

Allerdings verrät ihre Strategie einen weiteren Widerspruch. Wer die Europawahl so ignoriert wie Merkel, demonstriert, wie gleichgültig ihr das EU-Parlament ist. Die Niederlage soll AKK auf ihre Kappe nehmen. Demokratie in der EU interessiert Merkel ohnehin nicht. So offenbart Merkels Nichtrolle im Wahlkampf eine tiefere Wahrheit: Das System Merkel ist wie geschaffen für die Herrschaft der Räte a lá Brüssel.

VI.

Niemand hat der EU mehr geschadet als Merkel. Mit ihr würde ein Bock zum Gärtner in einem Garten, in dem nicht mehr viel wächst. Erst hat sie ihre Partei zerstört, dann ihr Land schwer beschädigt, nun arbeitet sie am Zerfall der Europäischen Union. Wahrhaft eine historische Glanzleistung.


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