Tichys Einblick
Was ist ein Plan B?

Brexit: Plan B ist auch kein Plan

In den USA trägt eine „Pille danach“ die Handelsbezeichnung „Plan B“. Das trifft exakt den Zustand des Königreichs Großbritannien.

Frederick Florin/AFP/Getty Images

Im Brexit-Chaos ruft alle Welt nach einem Plan B. Was ist das eigentlich?

I.

In den USA trägt eine „Pille danach“ die Handelsbezeichnung „Plan B“. Das trifft exakt den Zustand des Königreichs Großbritannien. Ein bisschen schwanger geht so wenig wie ein bisschen Brexit, egal wie das Kind getauft wird. Plan B ist Abtreibung in einem sehr frühen Stadium.

II.

Ursprünglich ist „Plan B“ eine Erfindung des österreichischen Generalstabs vor dem Ersten Weltkrieg. Plan B wäre zum Einsatz gekommen, falls nur gegen Serbien und Montenegro Krieg geführt worden wäre. Das „B“ stand für Balkan. Plan B wäre ein überschaubarer Krieg gewesen, eine kalkulierbare Katastrophe. Es ist aber nicht passiert, dass er geschehen konnte. Warum nicht gleich Plan B?

III.

Plan B ist eine Alternative zum eigentlichen Plan. Da nicht bloß in Merkelland alternativlose Pläne die Politik bestimmen, ist nirgendwo in den Schubladen ein Plan B zu finden. Gesinnungstäter kommen ohne ihn aus. Erst, wenn ihnen die Gesinnung abhanden gekommen ist, fangen sie verzweifelt an, nach einem Plan B zu suchen.

IV.

Im Unterhaus ist der Plan B bisher nur die Blockade von Plan A der Regierung. Eine überwältigende Mehrheit gegen etwas, aber nicht für irgend etwas anderes. Das ist gegen jeden Verstand und gegen jede Lebenserfahrung. Wer Plan A sagt, muss auch Plan B sagen (Volksweisheit). Aber einen Plan B, der das Wort Plan verdient, hat das Unterhaus nicht.

V.

Die EU besitzt auch keinen Plan B. Die Ankündigung, man könne über jeden Plan B reden, ist kein Plan. Die vermeintlich entschlossene Haltung gegenüber Großbritannien lenkt von der eigenen Reformunfähigkeit ab. Die EU bräuchte einen Plan B für sich selbst .

VI.

Die Deutschen kennen seit Jahren nur immer denselben Plan B, zu dem sie greifen, wenn Plan A scheitert. Er lautet: Wir reparieren Fehler mit Geld. Wir stopfen die Spaltung mit Milliarden. Wir kaufen der Vernunft den besseren Plan B ab und entsorgen ihn. Wenn die fetten Jahre zu Ende gehen, also jetzt, gibt es keinen Plan B mehr.

VII.

Die Demokratie hat von Haus aus immer einen Plan B in petto. Man nennt ihn Opposition. Die real existierende Demokratie aber versagt in Großbritannien wie anderswo vor den Herausforderungen der Gegenwart. Premierministerin May hat als Regierungschefin abgewirtschaftet. Sie verdankt ihre Alternativlosigkeit einem Schattenpremier Corbyn, der seine Unfähigkeit schon beweist, bevor er überhaupt gewählt werden kann.

VIII.

Dieses Problem stellt sich nicht nur in Großbritannien. Die ehemalige Führungsmacht des Westens, die USA, steckt im selben Dilemma. Trump ist unsäglich. Noch unsäglicher sind die Demokraten. Dieser Zustand führt zur Spaltung. Spaltung bedeutet, dass sich die demokratische Gesellschaft weder auf einen Plan A noch auf einen Plan B einigen kann.

IX.

Wenn eine Regierung bleiben muss, weil niemand den Plan B haben will, der darin bestünde, sie abzuwählen, stellt sich schnell die Frage: Was wäre der Plan B zur Demokratie? Die bequemste Antwort lautet: Zur Demokratie gibt es keinen Plan B. Realistisch ist das leider nicht. In allen Diktaturen dieser Welt galt Demokratie als der große Plan B. B wie Befreiung. Diese Strahlkraft hat sie eingebüßt.


Die mobile Version verlassen