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Apokalypse Now – oder die Liebe zum Untergang

Der Film „Apokalypse Now – oder die Liebe zum Untergang“ spielt im Jahr 2052. Die Deutschen haben etwas geschafft, was in der Weltgeschichte ohne Beispiel ist: Sie haben sich gründlich transformiert. In ihren Industriebrachen bauen die Übriggebliebenen Bio-Gemüse an. Zum Glück ist es wärmer geworden.

Ein Katastrophenfilm, der in der Zukunft spielt, erregt Aufsehen. Hollywood blickt neidvoll auf Berlin. Die deutsche Produktion gilt als haushoher Favorit für den Oscar. Die begeisterte internationale Kritik rühmt nicht zuletzt die unschlagbare Komik des Films gepaart mit frappierendem Realismus. Es ist nicht der erste Katastrophenfilm aus deutscher Produktion, doch zweifellos der erste mit Humor.

I.

Der Film „Apokalypse Now – oder die Liebe zum Untergang“ spielt im Jahr 2052. Die Deutschen haben etwas geschafft, was in der Weltgeschichte ohne Beispiel ist. Sie haben sich gründlich transformiert. In ihren Industriebrachen bauen die Übriggebliebenen Bio-Gemüse an. Die großen Städte haben sie weitgehend aufgegeben. Die Lebenserwartung ist stark gesunken. Auch die Geburtenrate tendiert mittlerweile gegen Null. Verantwortung für die Welt kostet ihren Preis. Dass Heterosexualität nur noch heimlich praktiziert wird, stärkt den bevölkerungspolitischen Durchbruch. Ja, es ist ein Durchbruch: Verzweiflung ist nirgends zu beobachten. Das Grundeinkommen für alle wird in Naturalien ausgegeben und in Gutscheinen: Kartoffeln, Kaltbäder, Kultur. Von den friedliebenden Deutschen wird keine Gefahr mehr für das Weltklima ausgehen. Kein Land hat mehr dafür geleistet als Deutschland. Zum Glück ist es trotzdem wärmer geworden. Weniger Leute erfrieren. Allerdings ist es noch immer ein halbes Jahr lang saukalt in fucking old Germany.

II.

In Rückblenden wird gezeigt, wie es hatte so weit kommen können. Eine Zivilisation gibt sich selbst aus freien Stücken auf: Das ist die neue, faszinierende Idee dieses Films. Es gab immer schon den Aufstieg und Fall, ja gelegentlich sogar das gänzliche Verlöschen von Hochkulturen. Doch waren dafür immer nachvollziehbare Gründe ausschlaggebend. Die Deutschen dagegen erobern sich ohne Fremdeinwirkung gewissermaßen selbst. Wie gesagt: Es ist nur ein Spielfilm, zu dem nun auch eine Endlos-Serie fürs öffentlich-rechtliche TV entstehen wird. Sie soll zur moralischen Stärkung auch in den Schulen eingesetzt werden.

III.

Doch kein Film ohne Konfliktstoff. Nomadisierende Clans ziehen mit Ochsenkarren durchs Land, fischen und jagen Wild, was strengstens verboten ist. Die Ochsen verstoßen gegen die in Deutschland gültigen universalen Tierrechte. Die Grenzen sind dicht. Geschlossen von außen. Armutsflüchtlinge aus Deutschland werden überall abgewiesen. Germanische Horden überwinden aber immer wieder den Limes. Bei ausgedehnten Raubzügen machen sie Beute und schleppen Mortadella, Salami und Prosciutto tonnenweise ins Land, wo Fleischwaren einer strengen Prohibition unterliegen. Hauptexportgut der Deutschen sind handgestrickte Wollwaren aus biologischer Schafzucht und Bußprediger. Sie ziehen durch ganz Europa, wo sie als Märtyrer meist böse enden.

IV.

Wie meist, bedient sich also auch dieser Zukunftsfilm der Mythen aus ferner Vergangenheit. Wie heißt es so schön: Ohne Herkunft keine Zukunft. In der nächsten Staffel, „Apokalypse Now II“ soll die neue Völkerwanderung thematisiert werden. Immer mehr Deutsche beneiden die Nachbarn für ihre Zivilisation. So etwas hätten sie auch gern. Deshalb lassen sie Investoren ins Land, dienen sich den Besatzern an, die beheizte Häuser, Strom, Automobile und eine funktionierende Verwaltung versprechen. Es kommt zum Clash of Civilisation. Der neue deutsche Präsident beruft sich ausdrücklich auf das Erbe des alten Europa. Er – die Hauptfigur – erinnert entfernt an Herrmann den Cherusker, der als Arminius bei den Römern Karriere machte, ehe er das Imperium herausforderte. „Das mit der Zivilisation können wir selbst“, ruft Frank-Walter im Film unter dem tosenden Beifall seiner Volksgenossen. Happy Ending – oder nur die nächste Zeitschleife? Wir sind gespannt.

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