Früher einmal waren Apokalyptiker auf schlechte Zeiten angewiesen. Heute haben sie es besser.
I.
Wer sich nicht zur Apokalypse bekennt, gilt als naiv oder verblendet, jedenfalls als nicht ganz normal. Ausdrückliche Warnung an Roland Tichy: Er hat neulich hier geschrieben, auch morgen noch gehe die Sonne auf. How dare you?
II.
Kurze Aufzählung der verheerendsten Bedrohungen der Menschheit. Kreuzen Sie bitte ihre Lieblingsapokalypse an. Mehrfachnennungen sind zulässig. Wer sagt denn, dass die Menschheit einer einzigen Ursache wegen zu Grunde geht? Es ist für jeden etwas dabei, für Rechte wie für Linke und für unentschiedene Angsthasen auch.
- Bisher unbekannte Bakterien und Viren. Womöglich Menschenwerk (Gentechnik!). Verlust von Antibiotika durch Missbrauch.
- Überbevölkerung. Die Ressourcen reichen nicht mehr.
- Und die Weißen werden einfach überrannt, weil sie als einzige freiwillig aussterben und dazu noch ihre Grenzen vernachlässigen.
- Angriff aus dem All. Wobei es gleichgültig ist, wie intelligent die Meteoriten sind, die unseren zarten Globus rammen.
- Atomraketen, die niemand mehr stoppen kann, weil sie zu schnell sind. Den dritten Weltkrieg gewinnt China. Dann ist Schluss mit lustig – vulgo: mit Freiheit.
- Kollaps der Nahrungsproduktion durch Aussterben der Bienen.
- Meine persönliche Lieblingsapokalypse: Verblödung der Menschheit durch künstliche Intelligenz. Niemand muss mehr Lesen und Schreiben können. Also kann´s bald auch niemand mehr. Siehe auch …
- … kapitalistische Dekadenz. Beliebteste Methode der kollektiven Selbstzerstörung – abgesehen vom Kommunismus.
- Beinahe hätte ich´s vergessen: Überhitzung.
III.
Sagen Sie also bitte nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Ein an mir gründlich zweifelnder Freund – ein hochrangiger Wissenschaftler – schrieb: „Um ehrlich zu sein, glaube ich: Der menschengemachte Klimawandel beschleunigt sich in diesen Jahren dramatisch und wird die Menschheit, wie wir sie jetzt noch kennen, in 20, spätestens 30 Jahren beenden. Das ist meine wenig erfreuliche Perspektive.“
Antwort: Das ist ein Glaubenssatz. Richtig daran: Die Menschheit wird spätestens in dreißig Jahren eine andere sein. Vor dreißig Jahren – vor dem Ende der bipolaren Weltordnung und vor Beginn der digitalen Globalisierung – ist sie auch eine andere gewesen.
IV.
Es fragt sich, was zuerst da war: Die Apokalypse oder der Glaube. Die größten Profiteure der Apokalypse sind jedenfalls die Kirchen. Als im 6.Jahrhundert die Durchschnittstemperatur in Europa binnen Kurzem um mehr als 2 Grad Celsius sank, weil die verschmutzte Atmosphäre das Sonnenlicht abhielt, starb in Folge von Missernten, Hungersnöten, Pest ein Drittel der Bevölkerung. Profitiert von der Not haben die Religionen. Das bis dahin relativ säkulare Weltbild der Antike wurde ausgelöscht vom Glaubensfanatismus des Mittelalters. Übrigens war die Ursache des Klimadesasters – wie neue Erkenntnisse belegen – eine Folge von Vulkanausbrüchen auf Island. Das kann wieder passieren. Bitte ergänzen Sie die oben stehende Liste.
V.
Wir erleben gerade den Siegeszug der Klimareligion. Über Glauben lässt sich schlecht streiten. Der größte Betrug der Kirchen besteht darin, Theologie zu einer Wissenschaft zu erklären. Jeder weiß, dass sich Glaubensgebäude der rationalen Wissenschaft entziehen. Auch die Klimatheologie behauptet, wissenschaftlich zu sein. Auch der Klimaglaube hat missionarische Züge. Und fundamentalistische Sekten gibt es auch hier: Die Deutsche Umwelthilfe, Extinction Rebellion. Der Kinderkreuzzug ist keine Sekte. Er endete einstmals bereits an den Gestaden des Mittelmeers – das wird wieder so ähnlich sein.
VI.
An dieser Stelle ist ein kurzer Erklärteil unvermeidbar. Die Apokalypse ist jene Gattung der religiösen Literatur, die sich mit dem Weltuntergang beschäftigt. Die Theologie hat dafür den Sammelbegriff Eschatologie. Das ist die Behauptung, die Lehre von den letzten Dingen sei eine wissenschaftliche Disziplin. Die erste große abendländische Apokalypse ist die Offenbarung des Johannes. Seitdem galoppieren die apokalyptischen Reiter durch unsere Albträume. Klar, dass die Kirchen mitreiten, um ihrem Seelengeschäft aufzuhelfen. Stell dir vor, es herrscht Apokalypse, und keiner glaubt mehr daran!
VII.
Gefährlich wird die Sache also erst, wenn die apokalyptischen Reiter das allgemeine Bewusstsein stürmen. Dann ist Schluss mit Vernunft, die auf machbaren Fortschritt, auf trial and error, auf die Progressivität offener Gesellschaften statt auf Selbstgeißelung und Glaubenskrieg setzt. Auch Populisten – rechte wie linke – satteln gerade die apokalyptischen Pferde. Sie reiten gemeinsam ins Abendrot. Was sie eint, ist die Furcht vor dem Wandel.